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JAZZJANZKURZ

V.A.

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Was die Quicksilver-Kolumne in diesem Monat zu lang ist, sparen wir in der Jazz-Kiste wieder ein. So hätte das "Zound Delta 2" (Karlrecords) thematisch sicher auch in den anderen Text gepasst (oder die eher abseitigen Veröffentlichungen von dort in diesen hier? Egal: GenreGrenzen waren, sind und bleiben ja ohnehin etwas für eher engstirnige KleinGeister.). Jedenfalls haben die italienisch-schwedische Sängerin ANNA CLEMENTI (eine renommierte Cage-Interpretin) und der aus Bremen stammende Gitarrist THOMAS STERN (u.a. Mona Mur und Crime And The City Solution) eine LP erarbeitet, auf der sie ein Stück, das der im Januar ja leider trotz seines hohen Alters irgendwie doch überraschend verstorbene droneMaster PHILL NIBLOCK für sie konzipiert hatte, ausdeuten. Aus einem Wasserplätschern schält sich da in aller gebotenen Ruhe ein irgendwie nach verfremdetem DamenChor klingender drone und die Version auf der B-Seite entwickelt sich zu einer ähnlichen RöchelHauchOrgie, kurz: zu ebenso großer Kunst. 5
Eine bemerkenswerte Konzentrations- und auch Konditionsleistung vollbringt INGRID SCHMOLINER mit ihrem knapp über eine Stunde währenden KlavierMarathon "Mneem" (Ventil). Weitab von neoklassischer Gefälligkeit stapft hier die rechte Hand TonWolken bildend durch ein von der linken bereitetes WirbelBett. Nach ungefähr einer Viertelstunde tauchen die ersten, zunächst kaum zu bemerkenden oder für kurze "Ausrutscher" zu haltenden elektronischen Einlassungen im sonst sehr luziden KlangBild des präparierten Klaviers auf. Nach einer knappen halben Stunde beginnen neuerliche Knackser und anderweitiger stromgetriebener KlangSchaum einzusickern - zuweilen klingt das dann, als würde jemand am FlügelKorpus hobeln. Solche beinahe komplett elektrisch anmutenden Momente werden fünf Minuten später wieder (fast unbemerkt) von reinen PianoTönen abgelöst - es ist eine monolithische Wonne! 5
Auch in die eher experimentelle Ecke gehört die audiovisuelle Versuchsanordnung, die der Musiker und Grafiker Bas Mantel aka. FILAX STAËL für "Traces" (RevLaboratories) mit seinem Kumpel Okko Perekki ansetzte. Eine seltsame Collage aus SprachFetzen, ElektroSounds, obskuren Samples und RhythmusPulsen auf einer 10", dazu noch ein KünstlerBuch als "visual manual". "Traces as a journey of recorded thoughts, experiences, conversations, images, sounds and nothingness." Ich bin nicht sicher, ob ich das in seiner Komplexität alles wirklich verstanden habe. 4
Und auch die "Mirror Division" (Erototox Decodings) von CHAOS SHRINE sitzt mit ihren düsteren SynthSounds zwischen allen Stühlen. Mit Jazz hat die Musik des aus Paul Beauchamp und Andrea Cauduro bestehenden Duos natürlich fast nichts zu tun. Es sei denn, man fasst Jazz sehr weit und lässt die hier herauf beschworene Mischung aus scharfem GitarrenNoise und hallenden DarkAmbient-Elementen auf (s)ein geöffnetes MindSet einwirken. Könnte zu sehr faszinierenden Erkenntnissen führen! "Nothing is true. Everything is permitted." 5
Dichter am klassischen (Free)Jazz ist AMALIE DAHL’S DAFNIE mit "Står Op Med Solen" (Aguirre). Junge Menschen spielen mit Sax, Trompete, Posaune, Bass und Schlagzeug (sowie ein klein wenig electronics) herrlich freie Musik. Super finde ich auch, dass das Label Aguirre seine Katalognummern mit ZORN anfangen lässt. Das hier ist ZORN 105 und sehr gelungen. 4
Es geht aber auch traditioneller: beim "Hiatus Blues" (Berthold) vom FRANK WINGOLD ENTANGLED TRIO (mit Bassist Robert Landfermann und Schlagzeuger Jonas Burgwinkel) trifft hohe rhythmische Variabilität auf eine feine Melodie-geleitete ElektroGitarre. 4
Oder smoother, nämlich wenn der Genfer Gitarrist LOUIS MATUTE sich unter p-sax-tr-b-dr-Begleitung in "Small Variations from the Previous Day" (Neuklang) ergeht. Fein auch die Gesangsbeiträge von Gabi Hartmann und Lea Maria Fries, deren sanfte Stimmen sich in den schmeichlerischen, aber niemals anbiedernden, hier und da auch mal von einem StreichTrio veredelten Sound bestens einfügen. 4
Eine schöne Idee für ein originelles AlbumKonzept hatte der umtriebige Bassist ANDRÉ NENDZA noch zu Corona-Zeiten. Er wollte Stücke aus dem "Great American Songbook" neu deuten, am liebsten vor dem Hintergrund einer bekannten Platte. Entschieden hat er sich schließlich für den Ansatz von Nils Wograms Root 70 auf deren "Wise Men Can Be Wrong"-CD von 2015. Die bekannten Harmoniefolgen versah er – wir reden von Lockdown-Zeiten! - allein am Bass oder Klavier mit neuen Melodien (Jazzer nennen diese Kompositionstechnik "Contrafact") und doch war schnell klar, dass sich die einzelnen Stücke klar seinen aktuellen BandProjketen zuordnen ließen. Und so ist jede der drei CDs von "5/5/9" (JazzSick) einer Nendza-Formation gewidmet: die erste "5" steht für das Quintett Canvas (u.a. mit Angelika Niescier), die zweite für den neu gegründeten 5er Plains (u.a. mit Christine Corvisier und Maik Krahl) und die "9" für das Nonett, in dem sich die beiden Besetzungen vereinen. Ist recht gut aufgegangen, dieser Plan! 4

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