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DIE ÄRZTE

Die sieben Todsünden des Punk

DIE ÄRZTE

Es ist geschafft, die lange Zeit ohne neues Ärzte-Futter hat endlich ein Ende. Die beste Band der Welt ist wieder am Start. Der mittlerweile 25-jährigen Bandgeschichte wird ab dem 2. November ein neues Kapitel hinzugefügt - „Jazz ist anders“. Und das kommt auch genau zum richtigen Zeitpunkt. Ein musikalisch eher durchschnittliches Doppelalbum von 2003 und äußerst erfolgreiche Soloprojekte von BelaFarinRod haben die Gerüchteküche unter den deutschen Musikexperten angeheizt. Werden sich die Ärzte etwa auflösen? Hobby-Vampir Bela B. verkündet exklusiv in WESTZEIT die sieben Todsünden des Punk und auch, warum die Fans so lange auf das neue Album warten mussten?

„Erst das Doppelalbum „Geräusch“, dann fünf Singles und insgesamt zwei Jahre auf Tour - da brauchten wir erst einmal eine kleine Pause. Jan (Farin Urlaub) sagte uns dann, dass er erst einmal ein ganzes Jahr lang pausieren möchte. Diese Zeit wollte ich dann für mich selbst nutzen. Ich musste wissen wo ich als Musiker stehe und habe dann glücklicherweise sehr erfolgreich mein Soloalbum „Bingo“ herausgebracht. Aber dass es so erfolgreich werden würde konnte niemand wissen. Die Plattenfirma hat es erwartet, aber ich war da schon vorsichtiger.“

Hat euer letztes Album Geräusch denn nicht deinen Erwartungen entsprochen?

„Vom kommerziellen Erfolg her schon. Trotz des Weglassens eines Kopierschutzes haben wir weit mehr verkauft, als die meisten anderen Künstler zu dieser Zeit - von Robbie Williams jetzt einmal abgesehen. Inhaltlich war ich allerdings nicht so begeistert. Meine Songs fand ich jetzt nicht so wirklich gut. Erstmalig habe ich ungefähr gleich viele Songs abgeliefert wie Rodrigo, was ungewöhnlich ist, da mir das Texten leichter fällt als ihm.

Ich hatte zu dem Zeitpunkt einfach den Spaß an der Arbeit verloren. Wir haben damals eine Arbeitsweise etabliert, dass jeder seine Songs abliefert und den Song dann alleine mit dem Produzenten aufnimmt. Die Kommunikation innerhalb der Band war ziemlich runter - Nicht das wir uns gehasst hätten, aber es war zu der Zeit etwas antriebslos. So wollten wir alle nicht weiterarbeiten.“

Nun habt ihr seit eurem ersten Album “Debil” erstmals wieder komplett ohne Produzenten und zusätzliche Musiker gearbeitet. Was war der ausschlaggebende Grund dafür?

„Eines war klar: Wir mussten etwas ändern und wollten so nicht weitermachen. Ich habe dann vorgeschlagen, dass wir die Platte nicht schon wieder mit demselben Produzenten machen. Denn da fängt für mich alles an. Wir gehen ins Studio und machen eine Platte, die wir dann ausgiebig promoten. Aber die Platte machen und auf Tour gehen ist das, was uns als Band ausmacht. Der Rest ist Arbeit. Bei „Jazz ist anders“ wollten wir bei Null anfangen. Jan hat vorgeschlagen, es ohne Produzenten zu versuchen und nach einer Woche im Studio haben wir gemerkt, dass es die richtige Entscheidung war. Nach dieser Woche fühlten wir uns alle richtig gut. Nach zehn Tagen haben wir dann auch noch beschlossen, keine Zusatzmusiker für das neue Album zu nehmen. Also ein Album aufnehmen, das pur auf uns ausgerichtet ist. Die Platte klingt für viele Leute rauer und fast nackter, weil wir alles reduziert haben. Von da an ging alles super und wir hatten endlich wieder richtig Spaß.“

Was hat es mit dem Titel „Jazz ist anders“ auf sich? Augenscheinlich hat dieser mit dem Album nicht sonderlich viel zu tun.

„Er hat nur soviel mit dem Album zu tun, als dass er auf der Hülle steht, aber das ist auch schon wirklich die einzige Erklärung. Ich hatte die Idee zu dem Titel, aber auch nur weil er gut klang. Im Nachhinein habe ich erst reflektiert, dass wir uns dem Jazz gar nicht so verstellen. So haben wir auf dem Album „13“ den Song „Punk ist“ von Jazzmusikern einspielen lassen. Rodrigo hat weiterhin ein Jazzstück für eine B-Seite gemacht. Aber auf dem Album ist definitiv kein Jazz drauf.“

Auch dem Fürsten der Finsternis geht es auf dem Album an den Kragen. Stattdessen singt der vielleicht böseste Schlagzeuger der Welt über den lustigen Vampir, der auch ganz gerne Fußball mag und mal im Schwimmbad vom Einer springen möchte.

„Das ist genau die Irritation, die wir erreichen wollten. Ich habe so viele Varianten des Vampir-Themas ausprobiert, bin nie müde geworden und habe jetzt den eigenen hart erarbeiteten Mythos in 2 _ Minuten mit dem Holzpflock zum Einsturz gebracht. Jeder erwartet von mir Songs über die Finsternis. Damit zu spielen ist einfach ein Spaß!“

Nehmen wir einmal an, dass du jetzt biblisch die sieben Todsünden des Punk festlegen dürftest. Wie würden diese dann lauten?

1. Uniformierung: Punk gilt als eine Bewegung von Personen, die zueinander gefunden haben, weil alle Individualisten waren. Und wer sich da uniformiert ist logischerweise kein Punk. 20 Irokesen sehen auch nicht besser aus als 20 Chevignon-Jackenträger

2. Sich Regeln und Richtlinien unterwerfen. Punks dürfen auch reich sein - klingt aus meinem Mund zwar lustig, ist aber so.

3. Den Punk an einer Musikrichtung festmachen. Geht natürlich nicht anders und mache ich persönlich leider auch...

4. An einer roten Ampel stehen bleiben. Rote Ampeln sind Punkergrün!

5. Die Polizei holen und mit der Polizei kollaborieren. Ich habe bis heute echt Probleme damit. Ich bin zwar kein Gegner der Polizei, aber als Punkrocker gehört sich das nicht.

6. Vormittags fernsehen. Als Punker hat man vormittags zu schlafen!

7. Nostalgie - Nach dem Motto „Früher war alles besser“. Das ist für mich die Sünde, die alles zusammenfasst. Ob wir nun Punker sind oder nicht ist völlig unwichtig. Punk war vor dreißig Jahren eine Musikrevolution, die zumindest mein Leben entscheidend geprägt und verändert hat, aber frage heute einmal einen Jugendlichen. Für den ist ein Punker ein Typ mit einem Iro, der an der roten Ampel steht und wartet, bis er Scheiben wischen kann.

Aktuelles Album: Jazz Ist Anders (Hot Action Recs. / Universal)

Foto: Die Ärzte assistiert von Jörg Steinmetz

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