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Elektronisch starten wir in den Herbst, der zumindest heute, an einem der letzten Oktobertage, noch fast ein kleiner Sommer ist. Zwischen klassischem BrummKlapperZisch-Industrial, FreeJazz, Schrott-Avantgarde und neapolitanischen Klagegesängen bewegen sich NO TONGUES. Wobei "ICI" (Ormo/Pagans/Carton) mit Sax- und SopranSchreien beginnt und wenig später eine Kinderstimme Unverständlichkeiten gurgelt. Dazu treten aber stets dunkle soundscapes und reichlich elektronische Effekte, die den mit diversen GästenInnen eingespielten Experimenten eine angenehme Bedrohlichkeit oder auch fremdartige Andersheit verleihen. Das reicht dann sogar bis zu zwischen Nebelhorntuten und allgegenwärtiges Knistern gestreuten Grünfinkenrufen. 4Gleichfalls sehr elektronisch geprägt, aber viel viel tanzbarer ist der "Neon Colonialismo"(Crammed Discs), den BATIDA auch auf seiner neuen Platte (der ersten seit den Soundway-Sachen, die uns 2012 und 2014 schon ganz gut gefielen) kultiviert. Von Lissabon aus versucht der in Angola geborene Pedro Coquenão aka. DJ Mpula aka. Batida sich noch immer an einer Melange aus ClubBeats, LisboetasMelancolie und ElektroSounds, die sich nicht nur dank der ebenso langen wie illustren Gästeliste (darunter die von mir sehr geschätzte Mayra Andrade und DJ Dolores) sehr bunt gestaltet. 4
(Noch) Mehr in Richtung Digital Cumbia geht "La Estrella" (Wonderwheel) vom Argentinier Pedro Canale, uns unter seinem nom de guerre CHANCHA VIA CIRCUITO bereits seit einiger Zeit vertraut. Spätestens bei track #2, "Cometa", mit der phantastischen FolkTruppe Fémina als Gast, bin ich der reduzierten und doch sehr dichten Produktion verfallen, lausche dem herrlichen, an das Zwitschern tropischer Vögel erinnernden Gesang und wippe zu den wunderbar tiefen Bässen nicht nur mit der Schuhspitze. Das artwork korrespondiert bestens mit dem KlangInhalt, denn dort erhebt eine indigene Schönheit ihren schmachtenden Blick zu den von Urwaldpflanzen überwucherten Aufgang einer rätselhaften Pyramide. Beim Aufklappen des digipacks wird klar, dass all das (nur?) eine im Studio geschaffene Illusion ist. Kurz: eine sehr feine Sache! 5
TIKEN JAH FAKOLY beschenkt uns seit Jahr(zehnt)en mit feinem Reggae, oft gewürzt mit einer Prise (Franko)Pop. So auch auf "Braquage de Pouvoir" (Chapter Two). Und der mit "Machtraub" nur unzureichend übersetzte Titel macht auch auf die Texte Lust (das vorletzte, von strahlenden Bläsern begleitete Stück heißt denn auch "Le Peuple a le Pouvoir"). 4
Ganz anders und dennoch sehr bezaubernd ist das Album "Misneach" Glitterbeat) von einem Berlin-Irland-Projekt mit dem schönen Namen TAU & THE DRONES OF PRAISE. Stets auf der Suche nach den gälischen Wurzeln seines künstlerischen Seins erforscht Tau-Mastermind Seán Mulrooney die weiten Felder zwischen FolkDrone, AshramMantra und Irish Traditions, ohne die Sanftheit (seines) ekstatischen PsychFolks aus den Augen zu verlieren. 4
Irland ist auch die Heimat von Sean O’Hagan, Chef der High Llamas und guter Freund des Franzosen Philippe Auclair, der als LOUIS PHILIPPE in den frühen 80ern ein Held des legendenumsponnenen él-Labels war und bis heute eine sichere Bank in Sachen stilvoll(st)en KammerPops ist. "Sean O’Hagan Presents: The Sunshine World Of Louis Philippe" (Tapete) ist eine Kopplung von Stücken seiner in den post-él-Jahren, in diesem Fall zwischen 1993 und 2007, erschienenen Platten. Der Mann ist natürlich komplett in den 60ies stecken geblieben, was aber keineswegs peinlich, sondern schlicht schön ist. Oft stört mich an Musik ja, dass sie eigentlich gar nicht mal schlecht ist, aber eben doch nur die Wiederholung von so schon unzählige Male zuvor Gehörtem. Aber wenn das Songwriting so perfekt ist wie bei Louis Philippe, wenn die Arrangements so gelungen sind wie auf dieser Platte und wenn das Ganze dann noch so wundervoll nach él, Crépuscule oder Marina klingt...Hach! 5
Klanglich etwas rauer, aber dennoch sehr herzlich geht es bei dem nur als Kassette erscheinenden Werk "I’ve Never Met A Stranger" (Stoned to Death) von der Kanadierin Liz Hysen alias PICASTRO zu. 4 x zarter und doch verstörender AntiFolk plus etwas, das nur selten gelingt: nämlich ein "Pale Blue Eyes"-Cover, das sich vom Original hinreichend weit entfernt, um nicht als epigonale Nachahmung zu gelten und doch dicht genug an Lou Reeds Genius bleibt, um diesem unsterblich schönen Song gerecht zu werden. 4
Durchaus geistesverwandt und ebenfalls einem hehren DIY-Ethos verpflichtet ist das dänische Damen-Trio MATCHING OUTFITS. Keinesfalls eine "Band Made Out of Sand" (kitchen leg), sondern ein gleichfalls nur als MC erhältliches Stück feiner WohnzimmerFolkKunst voller Liebeskummer und -freude, staubtrockenem Humor und zärtlichen MiniMelodien. Mich erinnert das immer wieder an die vibes der späten Lassie Singers. 4
Die instrumentalen Kleinode, die HANS JOACHIM ROEDELIUS und TIM STORY auf "Lunz" (Grönland) abliefern, versinken in schierer Schönheit, durchwaten Ozeane der Melancholie und streben doch immer wieder einen festen Punkt im weiten KlangMeer an. Klavier und Cello, hier und da etwas Synth für die Hintergrundatmosphäre – immer voll von wortloser Anmut. 4
Ernsthafte, hochqualitative und gern auch mal abstrakte KlangKunst ist man von POLE ja seit Jahren gewohnt. Auch Stefan Betkes neuestes Werk "Tempus" (Mute) ist eine handwerklich (fast) perfekte, in diesem Fall aber tatsächlich auch ein klein wenig langweilig geratene ElektroÜbung. 3
Einen schönen Soundtrack hat Paul Gallister (ja, der von den unsäglichen Wanda) mit ALMA eingespielt. "Der Bauer und der Bobo" (Trikont) ist ein österreichischer Dokumentarfilm über das wechselseitige Unverständnis von Land- und Stadtbewohner, die zugehörige Musik ein wirklich gelungenes Beispiel für die Heute-Werdung von Volksmusik-Themen. Will sagen: wo der Film dem Verhältnis von angepisstem Bauern und arrogantem Kulturjournalisten nachspürt, erforschen Alma die Relationen von Tradition und Zukunft musikalisch. 4
THEA KLAR ist eine elektroakustische Songwriterin aus Leipzig, die ihre EP "Willkommen im Wartezimmer zu meiner Therapie" (unserallereins) in der mitten in der naziverseuchten Provinz gelegenen "Villa Kuntergrund" aufgenommen hat. Bitte versteht mich nicht falsch, ich habe große Hochachtung vor jeder/m, die/der sich aus der bequemen Leipziger GroßstadtBubble in die nordsächsischen FaschoNester wagt, sich mit den realen Problemen der Welt (auch und gerade der jenseits des satten Westeuropa) auseinandersetzt und Stellung bezieht. Nur muss es doch nicht so hölzern klingen wie hier. Das letzte Stück (das unfreiwillig komisch "Es ist vorbei" heißt) beginnt so: "Ich hab 10 Texte geschrieben und meine Worte sind so stumpf geblieben." Das ist (leider) eine korrekte Analyse von Theas Liedgut. 2 (+1 für’s Engagement)
Von ähnlichem Kaliber (wenn ein so martialischer Begriff in diesen zarten Zusammenhängen denn zulässig sein sollte) ist die Musik der Wienerin VIOLETTA PARASINI. "Unter Menschen" (Else) ist (noch) filigraner, (auch) Klavier-melancholisch, (hier dazu oft) Streicher-getragen und doch genauso langweilig. Textlich ebenfalls eher untere Mittelklasse mit so prätentiösen Zeilen wie diesen (aus dem opener "Flatterndes Herz"): "ich atme ein / genausoviel Luft / wie ich brauche / ich glaub es kaum / ich glaub es kaum / wie schwer es sein kann / zu vertrauen". Etwas mehr Mut zum Experiment, etwas Gesangsunterricht und dann nochmal versuchen. 2
Rock & Pop
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