Maxim Richarz hat so einiges erreicht. Nachdem es den gebürtigen Siegburger im Rahmen eines Studiums in seine heutige Heimatbasis Köln verschlug, begann er seine Laufbahn als Musiker ab c.a. 2005 mit seinem selbst betitelten Debütalbum, auf dem sich auf deutsch vorgetragene Roots-Reggae Songs befanden. Von diesem orthodoxen Ansatz löste er sich allmählich, bis er 2013 mit seinem Album ´Staub´ (an dem unter anderem Judith Holofernes beteiligt war und das den erfolgreichen Song ´Meine Soldaten´ enthielt) den Durchbruch schaffte und seither konsequent – und ohne stilistische Einschränkungen – nach einem eigenen Sound sucht.
Zwar gab es nach dem letzten Album ´Das Bisschen was wir sind´ einen kreativen Durchhänger, doch nun, mit dem neuen Werk „Grüne Papageien“ beschreitet Maxim – unter anderem beflügelt von der Geburt seiner Tochter – mit frischer Energie – seinen Weg als eigenständiger Liedermacher jenseits üblicher Deutschpop-Konventionen konsequent weiter. Tatsächlich orientiert sich Maxim auch überhaupt nicht an seinen direkten Kollegen, sondern sucht seine Inspirationsquellen an anderer Stelle."Ja, Gainsbourg wäre da zu nennen“, meint Maxim, „meine Mutter ist ja aus Frankreich und insbesondere 'Melody Nelson' habe ich viel gehört während der Arbeiten an der neuen Platte. Ich habe mich dann entschieden, mein Album selbst zu produzieren und habe angefangen meine Platten durchzuhören und auf den Sound, den ich selber gerne mag, zu achten und zu schauen, wie dieser erzeugt wurde. Ich habe das technisch gesehen und mich etwa gefragt: Wie machen Pink Floyd dies und jenes und welche Synthies haben die verwendet. Ich bin dann durch ganz Deutschland getourt und habe mir wie ein Nerd echte Instrumente gekauft, anstatt mit Plug Ins oder Programmen zu arbeiten. Zu der Zeit hatte ich noch gar keine Songs geschrieben.“ Warum hat Maxim dieses Mal selbst produziert anstatt wie zuvor geeignete Produzenten zu suchen?
„Das lag daran, dass ich des Textens müde war“, räumt er ein, „ich hatte – ehrlich gesagt – auch nicht mehr so viel Bock auf Musik und war ziemlich ausgebrannt nach der letzten Platte. Ich musste meine Freude an der Musik wieder zurückholen und das ging nicht auf dem Weg, auf dem ich zuvor gearbeitet hatte.“
Dieser Weg bestand daran, dass Maxim zu Hause rudimentäre Demos zusammen bastelte und dann dem Produzenten überließ, etwas daraus zu machen.
„Einen Song zu schreiben ist sehr erfüllend – aber der Weg dahin ist sehr anstrengend und ermüdend und manchmal nicht so schön“, erklärt Maxim, „das Musik-Machen ist hingegen eigentlich immer schön. Und da habe ich mir gedacht: Es kann doch nicht sein, dass ich die ganze Arbeit mache und die anderen dann den Spaß daran haben. Und deswegen habe ich dieses Mal selber produziert. Ich habe natürlich nicht alles alleine gemacht, war aber immer dabei.“ Nun sprach Maxim ja bereits die Texte an – die bei ihm stets der eigentliche Anker sind, um die sich alles dreht. Und da gibt es dieses Mal eine große Bandbreite an Themen. Das reicht dann von düster/schwermütigen Sachen wie etwa Missbrauch in der eigenen Familie über emotionale Liebeslieder bis hin zu zwanglosen Situationsbeschreibungen, die Maxim sogar als „eskapistisch“ empfindet. Über allem – also auch den tiefgründigen Texten – liegt aber eine gewisse Leichtigkeit. Ist Maxim des Schwermutes heutzutage überdrüssig?
„Ja - ich musste zumindest einen Ausgleich schaffen“, erklärt er, „Stücke wie 'Alter Freund' oder 'Die Asche von Claude' sind so schwer, dass ich mir dachte: Ich will nicht immer wieder an dieses Loch. Ich bin Vater geworden und wollte auch glücklich sein und das ausdrücken. Für mich ist der Begriff Eskapismus auch nicht verbunden mit 'Flucht', sondern ich gehe auf die Sache zu, die wichtig und ernst sind und brauche dafür einen Ausgleich. Es muss auch Sachen geben, die – wie z.B. 'Grüne Papageien' - nicht viel wollen und einfach nur schön sein sollen und weg von diesem Schwermut wollen, der einfach in mir wohnt.“
Worum geht es denn bei den grünen Papageien? Das sind ja die Nachkommen entflogener Tiere, die sich im Kölner Stadtpark angesiedelt haben, richtig?
„Ja, die sind in Köln mittlerweile omnipräsent“, bestätigt Maxim, „für mich sind die zum einen psychedelisch, wie die da in einem völlig falschen Kontext in diesen hässlichen Nachkriegsbauten herumfliegen – andererseits sind die auch eine Metapher für das 'Verliebt-Sein'. Mag sein, dass um Dich herum alles Scheiße ist – aber wenn man verliebt ist, dann ist das ja egal und dann fliegt man kurz bei den grünen Papageien mit. Verliebt ist man ja auch immer nur kurz. Und da wären wir dann auch wieder beim Thema Eskapismus.“ Der härteste Stoff auf dem neuen Album wird in dem Stück ´Die Asche von Claude´ behandelt. Hier geht es um einen Fall von Missbrauch in der Familie Maxims. Wie kam es denn zu diesem Stück?
„Es geht da um die Geschichte, das Sein und fast schon das Wüten meines Großvaters“, berichtet Maxim, „da waren die Schwangerschaft meiner Frau und die Geburt meiner Tochter das auslösende Moment. Das ist ja ein unüberwundenes, riesiges Kindheitstrauma meiner Mutter. Ich habe davon relativ früh erfahren – aber als Kind kann man ja mit niemandem darüber reden. Dann verkapselt man das als Kind und will nicht drüber nachdenken. Als meine Tochter auf die Welt kam, wurde das Thema für mich ganz dringend, denn ich wollte dieses Trauma nicht auch noch an meine Tochter weiter geben, damit ihr nicht auch all dieser Scheiß passiert, wenn man Sachen verdrängt. Und deshalb habe ich eine Therapie angefangen und im Rahmen dieser ist dann auch dieser Song entstanden.“ Kein Wunder, dass man für solche Themen dann als Ausgleich einen Flug mit den grünen Papageien braucht.
Aktuelles Album: Grüne Papageien (Feder Records / The Orchard) VÖ: 14.08.
Foto: Ben Hammer