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TOY

Krautrock, Pink Floyd und Pulp treffen sich in der Zukunft

TOY

Wer vier Wochen lang am Stück im Szeneladen Shacklewell Arms im Londoner Eastend spielen darf und den Club dabei komplett ausverkauft, der muss schon etwas vorzuweisen haben. Das haben Toy, eine blutjunge Band im Gefolge von The Horrors auch. Als sie im ausgehenden Jahr 2011 ihre Single ´Left Myself Behind/Clock Chime´ in einer Miniaufage auf den Markt werfen, ist die Platte ratzfatz weg und die Lobeshymnen prasseln auf die Band nur so nieder.

So lässt Rhys Webb, der Keyboarder von The Horrors verlauten, er habe mit dem Fünfer von Toy, die aufregendste Newcomertruppe des Jahres gehört und für 2012 sei es jetzt schon seine erklärte Lieblingsband. Der New Musical Express (NME) steht dem in nichts nach und zählt Toy zu den einhundert Bands, an denen man 2012 nicht vorbei hören kann. Auch die Tageszeitung The Guardian und die Wochenzeitung The Observer jubilieren Toy in den Pophimmel.



Zwischen Karlheinz Stockhausen und

Sonic Youth

Altehrwürdig elektronisch klingen Toy manchmal. Erinnern sie doch an bekannte deutsche Synthie-Künstler, wie Kraftwerk oder Neu! Oder sogar an noch länger zurückliegende Musik, etwa von Künstlern, die Rolf Ulrich Kaiser (kennt den noch jemand?) als kosmische Kuriere bezeichnete, beispielsweise Tangerine Dream, Popol Vuh oder Ash Ra Tempel. Dieser Sichtweise kann Bassist Maxim Barron durchaus etwas abgewinnen.

„Die kennen wir alle, doch unsere Ambition ist es, diesen traumhaften Klang auf Gitarren zu erzeugen.“

Davon haben sie schließlich auch zwei in der Besetzungsliste. Doch wer sich auf die Interpretation solcher Klänge einlässt, der kommt natürlich um einen Synthesizer nicht herum. Auf die deutschen Einflüsse will Gitarrist Dominic O’Dair die Bandeinflüsse dann doch nicht reduziert sehen und holt zum großen Blick in die Rock- und Popgeschichte aus.

„Wir hören zwar eine Menge dieser alten schrägen Musik, besonders auch Filmmusik aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Ich will da ´Forbidden Planet´und die Musik von Louis und Bebe Barron hervorheben. Doch auch Phillip Glass, Karlheinz Stockhausen, John Cage, Tom Dissevelt oder Edgar Varese stehen auf der Liste der Sachen, die uns inspirieren.“

Damit es musikalisch richtig bunt wird hat Sänger Tom Dougall auch noch ein paar Einflüsse beizusteuern.

„Ich gar nicht gegen Maxim oder Dominic argumentieren, doch hätte es The Velvet Underground, The Beach Boys, The Rolling Stones, The Beatles und The Kinks oder die Punk-Musik aus New York -Patti Smith, Television, the Ramones und New York Dolls- nicht gegeben oder später Sonic Youth, so gäbe es unseren Klangkosmos auch nicht.”



Brillant sprudelndes Ideenreservoir

Hört man das Debüt von Toy von ´Colour’s Running Out´ bis hin zu ´Kopter´ komplett durch, so fällt sofort auf, dass Toy eine Band ist, der die musikalischen Ideen nicht ausgehen. Ideen, aus denen andere Truppen vier Platten machen würden. Da schimmern vielfach übereinander gelegte Gitarrenflächen facettenreich, wie ein Diamant mit Brillantschliff. Sirrende Feedback-Orgien und ausufernd wabernde Keyboardschichten schneiden sich im Unendlichen. Doch weder die Gitarrenflächen, noch die Keyboardschichten sind so glatt, dass Toy dem geneigten Ohr nicht noch eine Reibungsfläche zurücklassen würden. Und diese Energie rührt wohl auch von der art und weise der Studioarbeit her.

„Wir haben die zwölf Stücke in acht Tagen live aufgenommen“, verrät Tom Dougall, „und um uns in die richtige Stimmung zu versetzen mussten Nebelmaschine und Laser mit in s Studio.“

Toys chromblitzender Psychedelic-Pop tut alles dafür nonkonformistisch zu klingen. Durch ihren bewussten Umgang mit Anleihen aus der Rock- und Popgeschichte schaffen sie es, mit dem einen Bein knöcheltief in ferner Vergangenheit zu stehen und mit dem anderen bis übers Knie in der Zukunft. Zudem legen Toy Zeugnis davon, wie vibrierend der Londoner Untergrund derzeit wieder ist und auch davon, dass das Epizentrum dieses neuen Strands, der da unter dem Pflaster liegt, im Eastend zu verorten ist.

Aktuelles Album: Toy (Heavenly/Cooperative Music/Universal Music)

Foto: Matt Saunders

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