Sie haben sich 1983 in Hannover gegründet und zwischen 1986 - 1993 sechs Studioalben veröffentlicht bevor sie sich 1994 auflösten. Ihren Ruhm erlangten sie durch zahlreiche Tourneen, Berichte in der Bravo und einer Gastrolle in Hape Kerkelings Film ´Kein Pardon´. Die Rede ist von Die Abstürzenden Brieftauben, Deutschlands bekannteste & dienstälteste Fun-Punkband. Nach diversen Lebenseinschnitten und die Trauerarbeit um den Tod ihres langjährigen Freundes und Gründungsmitglieds Konrad Carls, haben Johnny Bockmist & Micro Bogumil 2013 ihren Taubenschlag verlassen und seitdem wieder aktiv. Durch die Zusammenarbeit mit Spider Promotion spielte das Duo schon einige Shows mit Mimmis & Fat Belly. Wie sagt man doch: Totgeglaubte bzw. ´Doofgesagte Leben Länger´. Diese Philosophie haben die Tauben mit Kreativität im Kopf & Schalk im Nacken tatkräftig verfolgt, was die gleich benannte LP und das aktuelle Video ´Nie Wieder Pegida´ (mit bekannten Gesichtern von Mimmis, Sondaschule, Wizo, Slime u.v.a.) bestätigen. Wie heißt es so schön: nach Absturz folgt Aufstieg? Was diese Philosophie mit den Tauben zu tun hat oder auch nicht, beantwortete Micro (der so heißt, wie, in das er singt!-).
Ihr wurdet durch Eure zahlreichen Tourneen, aber auch durch etliche Berichte in der Bravo und durch Gastauftritte (als Kabelträger & Partyband) in dem ´93er Film „Kein Pardon“ von Hape Kerkeling deutschlandweit bekannt.Hättet Ihr auch ohne die Zeitschrift Bravo und den Gastrollen (welche die Single „Pa-Pa-Paderborn“ protegierte und in die Charts stemmte) einen derartigen Bekanntheitsgrad erlangt?
„Nein, natürlich nicht. Niemand, in welchem Gewerk auch immer, ob Handwerk, Musik oder was man auch so macht, kommt ohne Werbung aus. Man muss sein Tun ganz klar darstellen und das funktioniert in diesem Genre nicht ohne Medien. Für Aufmerksamkeit muss man sorgen, indem man jede noch vorhandene Telefonzelle bespielt um sein Anliegen klar zu zeigen. Den Rest erledigen dann die Medien oder das Internet. Wer geht denn heute noch auf den Spielplatz oder in die Kneipe um Neuigkeiten zu erfahren?“
2002 habt Ihr Euch noch einmal zusammen getan, um beim 30-Jahresfest des UJZ Glocksee in Hannover vorerst ein letztes Mal, zumindest ein letztes mal in der Urbesetzung aufzutreten.
Was war der Grund für diesen besagten (letzter in Urbesetzung) Auftritt ?
„Wir wollten dem UJZ Glocksee etwas von dem zurückgeben was sie uns gegeben hat. Vertrauen und Unterschlupf für eine neue Zeit. Die Glocksee hat so vielen Band`s Übungsräume und Entfaltungsmöglichkeiten gegeben, da war es für uns ganz klar dass wir, dieses Jubiläum, mitfeiern wollten. Obschon es uns offiziell ja nicht mehr gab. hat der Gig viele Spekulationen, ob wir je wiederkommen, ausgelöst. Zu der Zeit war allerdings für mich, nicht daran zu denken. Immerhin sind da hervorragende Aufnahmen gemacht worden, die im Hannover-TV liefen und auf der „25 Jahre sind genug“-DVD zu sehen sind. Ehrlich Geil !!!“
1993 stieg Oliver (d / v) erst einmal als dritter Mann ein, so konnten Konrad & Mirco sowohl Gitarre als auch E-Bass einsetzen. Am 11. Mai 2006 starb (Gründungsmitglied) Konrad Carls im Alter von 44 Jahren an Herzstillstand.
Was hat der Tod Eures ehemaligen Sängers / Gitarristen & langjährigem Freund vs. Weggefährten bei Euch (als Band) ausgelöst?
„Zuerst, der Olli von damals ist nicht der Olli von heute. Das wird heute leider zu oft verwechselt und nervt mich ein bisschen. weil da einfach zu schlecht in der Taubengeschichte nachgeschaut wird. Beide Ollis hatten mit Konrad etwas zu tun und ich kann weder für den einen, noch für den anderen antworten. Für mich ist, mit Konrad, ein Teil meines Lebens gestorben. Wir haben eine Menge erlebt und waren oft länger miteinander zusammen als mit unseren jeweiligen Lebenspartnerinnen. Heute versuche ich mir einen kleinen Teil meines Lebens zurückzuholen, weil die Tauben sein Leben waren und meins sind. Er wird jedenfalls immer mit dabei und in mir sein!“
Welches Erbe bzw. Vermächtnis hat Konrad als Musiker bei den Abstürzenden Brieftauben hinterlassen?
„Fangen wir mal damit an, dass Konrad zu Kondensator, einer der ersten deutschen Punkbands, gehörte. Weiter geht es mit Klischee, B-Test und dann mit den Tauben, zudem WKA und zig andere. Ich denke das sein musikalisches Erbe verdammt groß ist!“
Mit Eurem aktuellen Output präsentiert Ihr nach sage & schreibe 23 Jahren erstmalig ein neues Album - mit 14 unbenutzten Songs - welches „Doofgesagte Leben Länger“ titelt!
Welche Bedeutung hat dieser Albumtitel für Euch und was wollt Ihr damit ausdrücken?
„Als erstes wollen wir damit unsere spät pubertierenden Pickel ausdrücken. Zum zweiten ist es ja so, dass den Tauben stets eine karnevalistische und unpolitische Art untergeschoben wurde. Wer sich unsere Alben oder Artikel in der Bravo richtig zu Herzen nimmt, wird merken, dass das neue Album so ziemlich genau unsere Haltung, die damalige genauso wie die heutige. Letztens habe ich einen guten Spruch gehört: Fun-Punk sagt, wo Schluss mit Lustig ist! Das kann ich unterschreiben!“
Was unterscheidet Eure aktuelle Veröffentlichung im direkten Vergleich mit den vorherigen?
„Nichts, denn wir haben gar nicht erst versucht uns pseudo weiter zu entwickeln, stattdessen haben wir den guten alten Tauben-Sound wiedergefunden. Ich persönlich finde es ist unserer bestes Album!“
Seit ihr mit all Euren Alben zufrieden - selbstredend inbegriffen „Doofgesagte Leben Länger“ – und was ist Euer Alltime-Favorite-Abstürzende Brieftauben-Song?
„Zufrieden bin ich mit allen Alben. Was soll ich auch anderes dazu sagen. Wir wären ja nicht die, die wir sind, wenn wir nicht jede einzelne dieser Scheiben gemacht hätten. Für Details brauchte es ein ganzes Buch. Einen Tauben-Hit? Nein. Ja, die Tauben sind ein Hit!“
Welche Bands bzw. welche Künstler haben einen wesentlichen Einfluss auf Eure Musik gehabt bzw. genommen?
„Bay City Rollers, Deep Purple, Toy Dolls, Slime, Stiff Little Fingers, Ruts, Buzzcocks, Kiss, AC/DC, Die Teens, Genesis, Das Naabtal Duo, The Clash, Crass, Dead Kennedys, soll ich weitermachen? Nein! Doch?“
Am 16. März 2016 veröffentlichtet Ihr die erste Single(auskopplung) „Nie Wieder Pegida„ Nach 23 Jahren Pausieren direkt eine Veröffentlichung mit politischem Statement. Stilistisch ward ihr immer dem Fun-Punk zuzuordnen, was bereits Euer Bandname - der eine offensichtliche Verarschung vs. Finte von Einstürzende Neubauten ist - in Verbindung bringt.
Was war Eure Triebfeder, vorrangig Spaßthemen anstelle von zentralen politischen und gesellschaftlich bedeutsamen Angelegenheiten zu tirilieren bzw. singen?
„Wir wussten, wer wir sind. Konrad gehörte zu den Punks der ersten Stunde und bei mir sagt man gerne „Babyklappe Kornstraße“. Wir wollten uns einfach nicht mehr gegenseitig anschreien, um zu äußern, was wir alles Scheiße finden. Wir wollten innerhalb der Szene zeigen, dass man auch Spaß am Leben haben kann. Was uns gelungen ist, jedoch ohne unsere Ansprüche an einer Garderobe abzugeben.“
Seht ihr Euch 2016 immer noch als reinrassige bzw. vollblütige Funpunkband - wenn nicht, wann und welche Beweggründe waren maßgeblich (mit)verantwortlich für den Wechsel zur besinnlichen Materie?
„Unsere politischen oder unpolitischen Ansprüche haben wir immer ganz klar dargestellt. Abgesehen davon haben wir uns immer als Punks und nicht als Politiker oder Weltverbesserer gesehen. Fuck it!“
Aktuelles Album:
Doofgesagte leben länger (Weserlabel)