Sieben Jahre hat es gedauert, bis Chris Brokaw "Gambler´s Ecstasy" fertigstellen konnte, den nun erscheinenden exzellenten Nachfolger zu seinem letzten Rock-Album als Solist, "Incredible Love". Untätig war der inzwischen in Seattle heimische Allround-Musiker in der Zwischenzeit allerdings keinesfalls. Im Gegenteil!
In den letzten Jahren brachte der 48-Jährige seine legendäre erste Band Codeine für eine letzte Tournee wieder zusammen, begleitete Evan Dando und Thurston Moore, interpretierte mit Geoff Farina von Karate alte Blues-Songs neu, kollaborierte mit Hugo Race und Chris Eckman bei Dirtmusic, veröffentlichte mehrere limitierte Solo-Akustik-Platten sowie den Soundtrack "Road" und, und, und. Es spricht für das amerikanische Multitalent, dass auf "Gambler´s Ecstasy" von alledem recht wenig zu spüren ist. "Ich betrachte die Platte in erster Linie als Nachfolger von ´Incredible Love´", erklärt Brokaw im Westzeit-Interview. "Ich wusste, dass dies eine dunkle und ungeschminkte Platte werden sollte. So sollten Stromgitarren im Mittelpunkt stehen, keine akustischen, und die Texte im Booklet sollten auf schwarzem Hintergrund abgedruckt werden, nicht auf einem weißen. Es war meine Absicht, dass alles sehr grimmig daherkommen sollte. Der Großteil der ´Rockmusik´, die ich dieser Tage höre, ist Black Metal oder Punk, und das meiste davon klingt dreckig und hat diesen wahnsinnigen Lo-Fi-Klang, was vermutlich mein Verständnis von dem, was gut klingt, sehr verändert hat. Meine Herangehensweise an Sound ist inzwischen viel freier." Für zwei Songs des neuen Albums verwendete Brokaw letzten Endes sogar die ursprünglichen Rohmixe, weil sie die Atmosphäre am besten widerspiegelten, die ihm vorschwebte. Bisweilen erinnert der Klang des Albums angenehm an Brokaws 90er-Jahre-Band Come und an Shellac, deren Bob Weston "Gambler´s Ecstasy" übrigens masterte.Auch textlich greift Brokaw auf viele Zeilen zurück, die für sich genommen ungeheuer düster wirken, wenngleich die Songs als Ganzes zumeist dennoch nicht ohne Hoffnung sind. Ein allgemeines Spiegelbild der trostlosen Zeit, in der wir leben, oder gar autobiografisch gefärbt? "Einige Dinge reflektieren mein eigenes Leben, andere entspringen dagegen komplett meiner Fantasie", erklärt der Musiker. "Manche sind zudem frei interpretierbar – auch für mich. Oft sind meine Lieblingszeilen genau die, bei denen ich selbst gar nicht vollkommen sicher bin, was eigentlich gemeint ist. Ich liebe es, Texte zu schreiben, deren Bedeutung sich mir erst mit der Zeit erschließt." In den kommenden Monaten wird Brokaw viel Zeit haben, seine eigenen Texte zu ergründen, denn für die "Gambler´s Ecstasy"-Promotion will er tatsächlich einige seiner sonstigen Projekte vorerst zurückstellen. So flogen Chris Eckman und Hugo Race Anfang September nach Mali, um dort mit der Arbeit an der nächsten Dirtmusic-Platte zu beginnen – ohne Brokaw. "Ich möchte mich wirklich auf die Platte und mich als Solokünstler konzentrieren", bestätigt er abschließend. "Ich werde allein auf Tournee gehen und auch mit einem Trio. Ich bin sehr stolz auf diese Platte und möchte, dass alle sie zu hören bekommen!"
Aktuelles Album: " Gambler´s Ecstasy" (Damnably/Indigo)
Weitere Infos: www.chrisbrokaw.com