Mit seinem neuen Trio Exit Verse, das dieser Tage sein fulminantes selbstbetiteltes Debüt veröffentlicht, kehrt Geoff Farina zu Stromgitarre und Rocksongs zurück. Dabei hatte er das Thema ´laute Rockmusik´ längst abgehakt. Seit sich seine so ungemein einflussreiche und experimentierfreudige Bostoner Indierock-Band Karate vor rund zehn Jahren trennte, standen für ihn viel mehr leise Klänge und ein deutliches Interesse an der Musik von gestern und vorgestern im Mittelpunkt. Dabei widmete er sich nicht nur als Solist, mit der Band Glorytellers oder im Tandem mit Chris Brokaw der Geschichte von Folk, Blues und Country seit den 1920er-Jahren, er unterrichtete auch an verschiedenen amerikanischen Universitäten.
“Ich habe mich der Lehre zugewandt, weil ich meine Karriere diversifizieren wollte”, erzählt Farina, als wir ihn in seinem Heimstudio in Chicago erwischen. “Außerdem fordert mich die Arbeit auf eine andere Weise, als Musik zu machen. Ich darf unterrichten, was ich will, bin also ziemlich verwöhnt. Die meisten Kurse, die ich an DePaul, UMaine und dem Colby College gegeben habe, drehten sich um Themen, die ich mag: Amerikanische Musik, Songwriting, Musiktheorie. Ich genieße also allein schon die Themen und die Nachforschungen, die Voraussetzung für den Unterricht sind. Außerdem mag ich es, mit neugierigen Studenten in Kontakt zu treten. Ein Großteil der Musik, die ich unterrichte, hat mich sehr inspiriert, und es ist großartig, dieses Gefühl der Begeisterung mit den Studenten zu teilen.”Farinas Musikbegeisterung hallt auch auf dem Debüt von Exit Verse wider. Hier wendet er sich dem Sound zu, der ihn als Heranwachsenden maßgeblich prägte. Ob der hörbaren Rolling-Stones-Einflüsse von Exit Verse könnte man fast meinen, er sei eines Morgens aufgewacht und hätte beschlossen, seinem inneren Keith Richards freien Lauf zu lassen.
“Ich denke, das kann man so sagen!”, bestätigt der inzwischen 45-Jährige. “Ich bin seit meiner Jugend Keith-Fan und bin mit dem Classic Rock und Punk der70er und 80er aufgewachsen, und das kann man meiner neuen Band deutlich anhören.”
Wenn man bedenkt, wie deutlich Exit Verse die alten Helden Farinas widerspiegelt, könnte man fast glauben, er hätte diese Platte bereits viel früher machen können. Doch mitnichten.
“Das war erst möglich, nachdem Karate und die Improvisationsmusik, die ich seitdem gemacht habe, ein gewisses Verlangen in mir gestillt hatten”, glaubt Farina. “Karate haben ihr Ding zwölf Jahre lang durchgezogen, und ich habe kein Interesse daran, diesen Sound wiederaufleben zu lassen.”
Abgesehen davon macht er auch weiterhin komplexe Musik. "Bei meinen Solokonzerten, bei der Fiddle/String-Band Last Kind Words und bei den Joplin-Liedern, die ich mit The Great Crush spiele, muss ich mich viel stärker konzentrieren und auf viel traditionellere musikalische Fertigkeiten zurückgreifen", erklärt er.
“Da hatte ich einfach nicht das Gefühl, dass ich das meiner Rockband auch noch aufzwingen muss.”
Nachdem Farina lange das Gemeinschaftsgefühl vermisst hatte, das eine echte Band bietet, knüpft er gemeinsam mit Bassist Pete Croke (Brokeback, Tight Phantoms), Chris Dye (Speck Mountain, Chin Up Chin Up) am Schlagzeug und John Dugan (Chisel, Edsel), der auf der Platte trommelte, nun an alte Zeiten an.
“Ich erinnere mich daran, dass Karate zwei- oder dreimal die Woche geprobt haben. Jede Probe dauerte den ganzen Nachmittag, und danach sind wir noch losgezogen, haben Bier getrunken und über die Songs gequatscht”, erinnert er sich fast ein bisschen wehmütig an die Zeit vor ständiger Erreichbarkeit im Zeitalter von E-Mail und Mobiltelefonen.
“Mit Exit Verse versuchen wir, diesen Vibe zumindest ein Stück weit einzufangen. Uns allen gefällt die Idee, regelmäßig einmal die Woche zu proben, weil wir gerne zusammen spielen und die Kameradschaft der Band schätzen. So können wir uns jede Woche für ein paar Stunden vollkommen in den Songs verlieren. Das ist ein tolles Gefühl.”
Aktuelles Album: Exit Verse (Damnably / Indigo)
Weitere Infos: www.facebook.com/ExitVerse Foto: Damnably