Mal lösen sie das Kürzel K.I.Z. als ´Kannibalen in Zivil´ auf, dann als ´Klosterschüler im Zölibat´. Vermutlich böte das Quartett, bestehend aus den drei Rappern Tarek Ebéné (Tarek), Maxim Drüner (Maxim), Nico Seyfrid (Nico) und ihrem DJ Sil-Yan Bori (DJ Craft), weitaus mehr Auflösungen an, würde man sie weiter befragen. Auf jeden Fall bezeichnen sie sich noch als ´aufrecht, weise und stabil´. Ihre Platten heißen ´Urlaub fürs Gehirn´, ´Sexismus gegen Rechts´ oder ganz aktuell ´Hurra, die Welt geht unter´. Und erlaube mir jetzt schon die Frage, ob da nicht noch ein weiterer Rapper im Hintergrund tätig ist, der den Namen ´Schalk im Nacken´ trägt?
Ackern, Arbeiten und Stücke fertigmachenHinter dem, was da klingt, als wäre es mal eben flockig locker vom Hocker herunter und mal eben im Vorbeigehen entstanden, steckt auch bei K.I.Z. viel Disziplin und harte Arbeit.
„Die meisten Lieder, die mit einem Mörderbeat losgehen, deren Reime am heftigsten knallen, die sind ja nicht so vom Himmel gefallen“, weiß Maxim, „vielleicht war der geile Beat schon am Anfang da, Aber dadurch ist da Lied ja nicht fertig. Dann nämlich ist Ackern, Arbeiten und Stücke fertigmachen angesagt. Der Teil der Arbeit, der nicht so superviel Spaß macht.“
Da müssen sich auch Rapper manchmal selbst motivieren. „Wir machen dann scherzhaft Unsinnssachen, nur für uns und ein paar Kumpels. Dabei hagelt es textlich übertriebene Beleidigungen und sonstigen Scheiß“, fährt Maxim fort, „und dann hat man über einen wunderschönen Beat aus dem Ironischen ein Ding rausgehauen, das einen selber umhaut. So eins mit Wow-Effekt, dass uns förmlich zwingt, das mal ernsthaft zu betrachten und ein Lied daraus zumachen.“
Das titelgebende Stück ist beispielsweise so entstanden. ´Hurra, die Welt geht unter´ ist zunächst nicht mehr als ein Arbeitstitel. Doch dann erkennen K.I.Z. den Charme dieses Stückes. Doch neben der Ironie finden sich bei K.I.Z. die ganz harten, fast gefährlich anmutenden Sätze. Ziemlich subversives Material. Etwa im Stück ´Käfigbett´. Dort lautet eine Zeile: „Zwei Kugeln in der Kammer, eine für Papa und eine für Mama.“
Das ist doch eine klare Aufforderung, Vater und Mutter zu erschießen. Oder?
Bloß kein Lied für Mama
„Ja, warum nicht?“, grinst Maxim die bedenken weg, „wir wollen damit einfach das Tabu brechen, dass die eigenen Eltern nicht, wie Heilige auf dem Sockel stehen müssen. Haben wir ja auch schon früher gemacht. So haben wir gerappt, ‚Bin so hetero, ich fick auch meine Mama (Hallo Mama!), der Satz stammt aus ‚Ich steh auf Frauen (ich schwöre).’“
Dabei geht es K.I.Z. natürlich weder um Sex mit der Mutter, noch um den Elternmord, wohl aber darum, das sehr beklemmendes Tabu, seine Eltern mögen zu müssen, zu brechen.
„Der einzige Rapper, der auch seine Mutter angegriffen hat, war damals Eminem“, daran erinnert Tarek, „das löste jetzt in mir nicht aus, dass ich sagte, geil, der beleidigt seine Eltern, deshalb liebe ich ihn. Vielmehr kam in mir die Frage hoch, warum soll ich meine Eltern nicht auch mal hassen dürfen? Was ich nie verstanden habe, ist die Regel im Rappermilieu, die da heißt, ehre deine Eltern. Und das Lied für Mama musste auch immer dabei sein. Das Stück Papa auch noch. Der ist zwar weg, aber ich bin trotzdem ein richtig cooler Kerl geworden. Hat mir auch gar nicht geschadet, dass er mich vorher noch geschlagen hat.“
Aber seien wir mal ehrlich, wer hat solche surrealen Gewaltfantasien in Bezug auf seine nicht auch schon mal gehabt.
„Warum soll ich diese Fantasie nicht mal aussprechen dürfen“, merkt Nico an. Und was sagen denn die eigenen Eltern dazu? „Meine Eltern haben die Sachen schon gehört. Und haben schon solch ein Kunstverständnis, solch ein psychologisches Wissen, um zu wissen, wie befreiend es sein kann, auch mal ‚böse’ Fantasien zu sagen. Sie wissen zumindest, was es bedeutet, wenn derartige Sätze im künstlerischen Zusammenhang fallen“, sagt Maxim.
Subbotschaften sind viel interessanter
Harte Sätze, ironische Untertöne, politisierende Aussagen – aber die punktgenaue Eindeutigkeit, die lassen K.I.Z. einfach nicht zu. Oder doch?
„Zunächst mal sind Subbotschaften unter der Eindeutigkeitsgrenze ja auch viel interessanter, als klare, rausgerotzte Unmissverständlichkeit“, merkt Nico an, „wir wollen unsere Hörer ganz bewusst fordern. Wir wollen nicht alles vorkauen, und ihnen sagen, das tust du jetzt, das denkst du jetzt und das nicht. Warum sollten wir dann eindeutig sein? Unsere Stücke regen das Gehirn an, insofern sind unsere Stücke sogar medizinisch wirksam.“
Aber K.I.Z. wären nicht K.I.Z. würden sie sich auch bei diesem Statement nicht sofort wieder selbst widersprechen (Ich erinnere nur an den Satz: ´Warum sollten wir eindeutig sein?´).
„Eindeutige Lieder sind aber zwischendrin doch notwendig, so als Gegencheck für den Fan, ob man die gleiche Einstellung hat, wie die Person, deren Musik man hört“, gibt Nico zu bedenken, „so finde ich, ein Lied, wie ‚Macht kaputt, was euch kaputt macht’ von Ton, Steine, Scherben ist einfach ein tolles und wichtiges Lied. Gerade wegen seiner unmissverständlichen Klarheit.“
Die Faszination von Ton, Steine, Scherben geht bei K.I.Z. so weit, dass es von ´Hurra, die Welt geht unter´, sogar eine Version gibt, in der am Ende mit den Bruchstücken eines anderes Ton, Stein, Scherben-Liedes gespielt wird, nämlich mit ´Der Traum ist aus´.
Nie waren K.I.Z so melodisch wie heute
Macht man sich die Mühe, alle K.I.Z.-Veröffentlichungen mal durchzuhören, kommt man unweigerlich zu dem Schluss, nie waren K.I.Z so melodisch, wie heute.
„Das haben wir uns immer gewünscht“, gibt Maxim zu, „schließlich finden sich grandiose Melodien in der Musik, die selber gerne hören. Dazu gehört auch Rhythm&Blues, Punk, Techno oder auch Chanson. Ja, Chanson, du hast richtig gehört. Ich habe früher französische Chansons gehört.“
Letzteres lässt sich im Lied ´Ariane´ eindeutig ausmachen, so chansonesk klang ein Rapstück noch nie. Das eingesetzte Akkordeon ist schuld daran.
„In dem von uns ausgewählten Beat war ein Synthesizer drin, der sich stark nach Akkordeon anhörte“, erzählt Nico, „das fanden wir so klasse, dass wir rum telefoniert haben, um jemanden zu finden, der das Instrument in echt spielen kann. Der Typ, der dann kam hat so richtig improvisiert. War super. Und wir haben uns beim mehrfachen Vergleichshören für das echte Instrument entschieden.“
Überhaupt haben K.I.Z. diesmal sehr am Arrangement gefeilt und die Lieder mehr auch als solche gedacht. Da fällt dann neben dem grundlegenden Rhythmus auch der Melodie eine ganz andere Rolle zu. Diese bewusst gewählten Kompositionsspannungsbögen, die gab es vorher in dieser Konsequenz bei K.I.Z. nicht.
„Das hat natürlich einerseits etwas mit Erfahrung zu tun“, fährt Nico fort, „aber wir haben auch auf die Fähigkeiten der Beatbastler KeF beats und und Gee Futuristic zurückgegriffen, die schon melodische Grundlagen zugeliefert haben. Großen Anteil hatte aber auch Moses Schneider, der Einiges produziert hat.“
Wie richtig schöner Sex
Darauf angesprochen, wie K.I.Z. denn selbst ihr Album ´Hurra, die Welt geht unter´ in der Rückschau betrachten, hält Tarek folgende Antwort parat:
„Ich hab die Platte vorhin nochmal komplett durchgehört und finde, das Album ist, wie richtig schöner Sex. Fängt so schön behutsam mit ‚Wir’ an, wird dann richtig aggressiv, hart und düster, mit ´Käfigbett’ und am Ende steht das erlösende und euphorische ‚Hurra, die Welt geht unter.’“
Das hat nach eigener Einschätzung auch sehr viel damit zu tun, dass gemeinsam geschrieben und gearbeitet wird.
„Es ist schon sehr angenehm, in der Gruppe Kreativität zu entwickeln“, weiß Nico, „schon hat das Stück mehr Energie und knallt auf deutlich höherem Niveau. Kreatives Arbeiten hat für uns einfach etwas mit Austausch zu tun. Deshalb laden wir uns auch immer Gäste ein, mit denen wir uns ein paar Tage einbunkern. Auch das fördert die Kreativität.“
K.I.Z. suchen dabei immer das Radikale und dadurch die Originalität. Das schaffen sie auch indem sie sich Zeit nehmen, um ihren eigenen Sachen noch ein letztes Mal vor der Veröffentlichung relaxt zuzuhören.
„Wir waren schon sehr froh, dass es diese Zeit gab, sich die Sachen nochmal in Ruhe anzuhören und sich zu fragen, was habe ich denn da warum erzählt. Besonders, wenn es politisch wird und sehr persönliche Aussagen einfließen“, schließt Maxim die launige Plauderei, „ansonsten ärgert man sich schon, wenn man ein dumme, einfach so dahin geklatschte Falschaussage nicht mehr korrigieren kann.“
Aktuelles Album: Hurra, die Welt geht unter (Vertigo / Universal Music) ab 10.07.
Foto: Christopher Voy