Wenn Irie Révoltés irgendwo auf dieser Welt eine Bühne betreten und mit ihren Hymnen loslegen, dann dauert es meist nicht lange, bevor ein Begeisterungsturm, ein Mitsingorkan und ein wildes Takt-Gestampfe mit den Füßen losbricht. Einem Erdbeben gleich. Einem Erdbeben für die Revolte. Letztere wird in den bissigen Texten gepriesen. Gründe dafür gibt es wohl mehr, als genug. Und wer mit freiem Geist, offenen Augen und Ohren durch die Welt geht, der hat diesbezüglich eh’ schon längst keine Fragen mehr.
Mehr Schlagzeug - mehr Rhythmus -mehr Drive
So lange liegt das Erscheinungsdatum der letzten Platte ´Allez´ noch gar nicht zurück.
„Stimmt schon, aber nachdem ´Allez´ von den wilden Gitarren geprägt war, wussten recht schnell, da soll recht schnell was Neues kommen“, sagt Carlos Charlemoine aka Carlito, einer der beiden Sänger. „Mehr Schlagzeug, mehr Rhythmus, mehr Drive – das war das Ziel“, ergänzt Pablo Charlemoine aka Mal Élevé. Da das Schreiben und produzieren einer Platte aber mindestens ein Jahr in Anspruch nimmt, Irie Révoltés aber erst auf Festivaltour, dann auf eigener Konzerttour bis hoch in den hohen Norden und sogar nach Afrika, in den Senegal, musste unterwegs mit der Arbeit begonnen werden.
„Da hat jeder für sich erst mal Schnipsel, Skizzen und Bruchstücke gesammelt. Gerade auch der Aufenthalt im Senegal brachte für die Musik, die wir machen, Inspiration pur. Da hätte es gereizt noch weitaus länger die Einflüsse aufzusaugen.“ Das spätere gemeinsame Arbeiten findet in mehren Blöcken der Isolation statt.
„Wir waren zwei Wochen im Odenwald in einer Hütte, ein andermal in Hamburg, dann wieder mehrfach in Mannheim bei unserem Gitarristen, in Bochum und schließlich in Berlin – fast so viele Orte, wie Dave Grohl für seine ‚Sonic Highways’-Platte genutzt hat“, fährt Mal Élevé fort. Wieder einmal wird hier bestätigt, wie wichtig Konzentration und Disziplin beim kreativen Arbeiten sind.
Blick zurück nach vorn
Irgendwo ist zu lesen, Irie Révoltés wollten mit der aktuellen Platte wieder mehr sie selber sein, vielleicht ist ein Indiz dafür ja auch die Tatsache, dass das Album den Bandnamen als Titel trägt?
„Das ist ja Quatsch, wir sind immer wir“, grätscht Carlito rein, „was wir jedoch mit dem neuen Album wollen, ist die Essenzen unseres bisherigen kreativen Wegen auf den Punkt bringen und dabei vielleicht auch ein wenig in die Zukunft schielen. Und eine der Grundlagen unserer Musik zwischen Reggae und Rap ist eben der Akzent auf dem Rhythmus. Und Irie Révoltés wird neben dem musikalischen Projekt auch immer ein politisches sein.“
Diese Besinnung auf die Essenzen hat die einzelnen Stücke auf der Platte auch sehr viel klarer werden lassen. Die Balance zwischen politischer Aussage und Tanzmusik ist fast vollkommen. Was der politischen Aussage zusätzlich noch mehr Fahrt verleiht.
„Es ist uns eben auch wichtig, dass ein Album eine Sprache spricht“, fährt Carlito fort, „und das ist uns mit dieser Veröffentlichung weitaus besser gelungen, als zuvor. Aber es wäre ja auch schlimm, würden wir nicht dazulernen. Jede unserer Platten war die beste, die wir zum Zeitpunkt der Veröffentlichung machen konnten. Und das ist jetzt halt wieder so.“
Irie Révoltés haben groß gedacht und dennoch nach dem Prinzip, weniger ist mehr gehandelt.
Wiederholung wird zur Nachhaltigkeit
Was die politischen Themen angeht, die es zu beharken gilt, da muss eine Band, wie Irie Révoltés derzeit doch irre im Kopf werden. So viel gäbe es aufzugreifen.
„Wir versuchen natürlich, nicht ständig über die gleichen Themen zu reden. Und wenn wir es tun, weil ein Thema so brennt, dann versuchen wir es aus einer anderen Perspektive zu beleuchten“, klärt Mal Élevé auf, „das Thema Rassismus kann nie unbeachtet bleiben, deshalb gibt es das Stück ‚Jetzt ist Schluss’, das den salzigen Finger noch mal explizit in diese Wunde legt. Manchmal ist Wiederholung jedoch nichts anderes, als Nachhaltigkeit.“ Und sind die besten Platten nicht diejenigen, bei deren Produktion die Band nach der Prämisse gehandelt hat, wir müssen keine Erwartungen erfüllen, außer unseren eigenen? Das Stichwort Balance ist ja bereits gefallen, doch beschäftigt man sich mit dem Verlauf des Spannungsbogens über die Platte hinweg, muss es nochmal aufgegriffen werden; denn auch der setzt Hochspannung genau dort, wo sie zu setzen ist und Ruhepausen ebenfalls genau da, wo sie richtig sind. Kaum eine andere Truppe vermag Zorn und die Verzweiflung einer ganzen Generation so sehr auf den Punkt zu bringen, wie Irie Révoltés. Aber in der gleichen hohen Dosis bringen sie Lebenslust, Freude und Glück zum Ausduck.
Aktuelles Album: Irie Révoltés (ferryhouse productions/Warner)
Foto: Julia Hoppen