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KOOL SAVAS

Der King is back

KOOL SAVAS

Es ist wieder an der Zeit, dass der König des Rap Audienzen gibt. Den Hörern, den Zuschauern und natürlich auch der Presse. Der Anlass – natürlich ein neues Werk seiner Hoheit. Am II.II.II knallt uns Essah nach Der beste Tag meines Lebens und Tot oder Lebendig sein drittes Soloalbum Aura um die Ohren. Und das hat es in sich. Zwölf treibende Tracks, die vor Kraft und Rapakrobatik nur so strotzen.

Kool Savas bleibt trotzdem gelassen. Er hat mittlerweile so viel Erfahrung in dem Game gesammelt, dass Aufregung selbst bei großen Auftritten Fehlanzeige ist.

“Es ist, als würden mir die Glücksbotenstoffe fehlen. Während meine Kumpel nach dicken Konzerten mit einem Strahlen in den Augen von der Bühne gehen, ist es für mich ziemlich normal.”

Unaufgeregt ist er auch, wenn es um sein neues Album geht. Er weiß einfach, dass er mit Aura einmal mehr klarmacht, weshalb er berechtigterweise zu den besten deutschen Rappern gehört. Die Arbeiten zu dem Album haben rund ein Jahr gedauert. Für seine Verhältnisse ist das ziemlich anständig. Einmal musste er wegen eines kreativen Nullpunktes sogar Urlaub machen, um den Kopf wieder frei zu bekommen. Und das hat er. Seine Lines treffen immer noch präzise, wie ein Schweizer Uhrwerk. Unterschiede zu den älteren Tracks gibt es aber trotzdem.

“Bei Aura war es mir wichtig, dass die Leute die Texte verstehen. Auch wenn es durch die Geschwindigkeit meiner Raps nicht immer leicht für die Hörer ist. Deshalb habe ich dieses Mal auf stimmliche Spielereien wie zum Beispiel das Flüstern verzichtet.”

Aber nicht nur das hat sich verändert. Savas hat mit den Jahren auch einen persönlichen Schritt nach vorne gemacht. Die Prioritäten haben sich verschoben. Auch die Verantwortung und Fokussierung. Nachdem es mit seinem Optik-Label nicht so wirklich rund lief, hat er sich im Jahr 2009 von dieser Beschäftigung verabschiedet. Aber das erging ja einigen Mitbewerbern auch nicht anders. Mit Mitte Dreißig fühlt er sich zudem nicht mehr in der Position, um sich in seinen Texten mit pubertären Themen und Battles auseinanderzusetzen.

“Ich denke mittlerweile viel stärker daran, eine Familie zu gründen, Kinder zu haben und natürlich auch ein gemütliches Zuhause.”

Die gute alte Zeit des Pimplegioneahs ist endgültig vorbei. Kindisch, fluchend und polternd ist auf seinen Solo-Projekten nicht mehr zeitgemäß. Das macht sich am besten an einem seiner größten Hits deutlich. Denn was 1999 mit LMS noch Lutsch Meinen Schwanz hieß, steht im Jahr 2012 für Last Man Standing. Und dieses Mal wird er dabei tatkräftig von Xavier Naidoo unterstützt. Klingt komisch, ist aber so. Das wird sicherlich viele alten Fans irritieren und stören, aber letztlich ist es der einzige Weg für ihn, glaubwürdig zu bleiben. Savas ist längst kein Teenie mehr und hat die nicht ganz leichte Aufgabe, seine Hörer mitzunehmen. Die Texte werden persönlicher und inhaltlich relevanter. Er gibt sich Mühe, ihnen eine gewisse Tiefe zu geben. Und das wirkt sich natürlich auch auf sein Umfeld aus.

“Mittlerweile sind meine Eltern stolz auf das, was ich mache. Früher haben sie meinen Weg nicht verstehen können. Sie haben bezweifelt, dass man als Musiker keine gesicherte Zukunft hat. Ich habe für das Ding ja auch meine Ausbildung abgebrochen. Das ging einfach nicht mit meinen Wünschen und Vorstellungen zusammen.”

Aber das bedeutet nicht, dass er die Sorgen nicht versteht.

“Meinen Kindern würde ich auch nicht gestatten wollen, dass sie solch einen  Schritt machen. Am liebsten würde ich sie bis zum Studium bei mir haben, um ihnen eine gute Zukunft zu ermöglichen. Dann können sie immer noch entscheiden, was sie machen wollen.”

Und so hat sich im Laufe der Jahre aus dem flegelhaften Rapper ein erwachsener Mann entwickelt. Das kommt natürlich auch dem Album zugute. Es klingt durchdachter und weniger experimentell. Weniger sprunghaft, aber doch interessant und unterhaltsam. Ungewöhnlich ist jedoch, dass Melbeatz für Aura nur zwei Songs produziert hat. Dies war auch einmal anders. Aber es tut der Qualität keinerlei Abbruch. Die Lieder sind abwechslungsreich, besitzen aber trotzdem einen roten Faden. Es ist das Mystische, was Savas schon etwas länger in seine Musik einbezieht. Hier setzt er dem Ganzen durch die Stimmung seiner Songs noch einmal die Krone auf. Zum Zeitpunkt des Interviews schickten sich drei andere Größen des deutschen Raps an, ihre neuen Alben zu veröffentlichen. Bushido und Sido mit 23 und Kollegah mit Bossaura. Doch all das spielt für den Essah keine Rolle. Ihn interessieren nicht die PR-Gags und medialen Pseudo-Spielchen. Ziemlich nüchtern erzählt er auf die Frage, was er von Kollegahs Albumumbenennung hält:

“Ganz ehrlich – das juckt mich nicht. Selbst wenn er sein Album wegen meines Titels umbenannt haben sollte. Ich glaube, dass wir unterschiedliche Zielgruppen haben und uns da nichts wegnehmen. Im Gegenteil. Vielleicht profitiert er ja von mir und ich von ihm.”

Solche Aussagen wären vermutlich vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Es hätte Battle-Track um Battle-Track gegeben. Man hätte sich lyrisch die Köpfe abgerissen und danach verbuddelt. Aber irgendwie passt das gerade alles nicht. Jeder hat sich lieb und jeder macht, was er für richtig hält. Die einen mimen den Ghetto-Rapper, die anderen wollen einfach nur zeigen, dass sie immer noch das Königreich des deutschen HipHop fest im Griff haben. Und das ist für Savas eine Hauptintention. Es interessiert ihn außerordentlich, wie man sein Album findet und was man glaubt, wie es die Leute aufnehmen. Die Antwort darauf ist allerdings mehr als schwierig, da man mit den Jahren nicht mehr wirklich sagen kann, was den Leuten gefallen wird und was nicht. Ist es wie zum Beispiel bei K.I.Z. die reine Provokation, oder sind es vielleicht spektakuläre Features? Die Rapwelt hat mittlerweile unterschiedlichste Facetten, sodass Erfolg nur begrenzt planbar ist. Eines ist aber sicher, nämlich dass Savas auch nach etlichen Jahren live immer noch weiß, wie er die Masse in den Griff bekommt. Schon bei seinem Pre-Listening-Auftritt vor ausgewählten Leuten (Familie, Presse und die szeneuntypischen Ochsenknecht-Söhne) knallt er trotz einiger Textunsicherheiten das Publikum an die Wand. Noch sitzen die Tracks nicht ganz einwandfrei, aber bis zu seiner kommenden Tour 2012 wird das sicherlich kein Problem mehr darstellen. Er hat Bock auf den Scheiß und gibt sich sichtlich Mühe, um das auch allen Rap-Fans in Deutschland zu beweisen. Es ist schon beachtlich, wie sich der King of Rap stets neu erfindet und weiterentwickelt. Mit seinem ganz eigenen Style treibt er das Geschäft einmal mehr auf zu neuen Höhen. Und um Geschäft geht es natürlich auch immer noch. Von seinem neuen Werk wird es eine aufwändige Collectors-Edition geben, die mit allerlei Schnickschnack versehen ist, wie z.B. ein spezieller Schwarzlicht-Laserpointer, mit dem man sich das Booklet anschauen kann. Braucht man nicht? Stimmt schon, aber als Gimmick für die Hardcore-Fans ist das schon zu vertreten. Alles in allem muss man Savas attestieren, dass er sich sowohl musikalisch, als auch aus Marketingsicht alle Mühe gibt, um aufzufallen und zu überzeugen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Aura gut ankommen wird.

Aktuelles Album: Aura (Essah Entertainment / Groove Attack) VÖ: 11.11.

Foto: Katja Kuhl


November 2011
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