"Bisher habe ich meine Platten immer so gemacht, dass ich mir gesagt habe: ´Die letzte, die toppen wir jetzt mal!´ Bisher war das auch nie ein Problem, aber dieses Mal dachte ich mir: ´Ja, was machen wir denn jetzt?´", gesteht Niels Frevert, als er uns Ende September im Kölner Café Central gegenübersitzt. Die Antwortauf diese Frage ist sein nun erscheinendes viertes Soloalbum, "Zettel auf dem Boden".
Um sein Anfang 2008 veröffentlichtes Meisterwerk ´Du kannst mich an der Ecke rauslassen´ zu übertreffen, macht Deutschlands bester Songschreiber mit seinem neuen Werk einen Schritt nach vorn, wenngleich einen behutsamen. Hatten bisher lange Pausen – zwischen dem selbstbetitelten Debüt von 1997 und ´Seltsam öffne mich´ lagen mehr als sechs Jahre, bis zur Veröffentlichung von ´Du kannst mich an der Ecke rauslassen´ verstrichen danach wiederum fast fünf Jahre – dafür gesorgt, dass seine Alben durch neue Lebensumstände, neue Musiker und ganz generell neue Inspirationen jeweils ihre eigene Klangfarbe, ihre eigene Perspektive erhielten, sind die Veränderungen dieses Mal subtilerer Natur. ´Zettel auf dem Boden´ ist Freverts erste Platte, die mit dem Begriff ´Nachfolgealbum´ durchaus treffend beschrieben werden kann. Sie fußt mit ihrem wunderbar unverfälschten akustischen Ambiente zwar ohne Frage auf dem gleichen Fundament wie ihr brillanter Vorgänger, offenbart aber durch ein weiter geöffnetes Spektrum der Einflüsse und vielfältigere Instrumentierung selbstbewusst neue Nuancen.”Das ist aus der Idee heraus entstanden, dass ich die Gitarre dieses Mal sparsamer einsetzen wollte”, erklärt Frevert die Hinwendung zu einem banddienlicheren Sound.
”Ich wollte dem Klavier mehr Platz lassen und habe mich mehr als Teil der Band gesehen, nicht mehr als derjenige, der vorne sitzt, Gitarre spielt und singt, und hinten begleiten sie ihn.”
So kommt auch den Streichern dieses Mal eine (noch) prominentere Rolle zu als auf dem letzten Album. Doch nicht nur musikalisch hat sich der Blickwinkel des Hamburger Musikers geändert. Auch textlich hat er den Standpunk, den er in der Vergangenheit eingenommen hatte, verlassen.
”Dies ist die Platte mit den Geschichten”, ist er sich sicher. ”Das wurde mir relativ schnell klar, nachdem ich die ersten fünf Lieder fertig hatte, denn sie waren alle irgendwie adressiert. Das war allerdings nicht geplant, das hat sich einfach ergeben. Ich habe mir jedenfalls nicht vorgenommen, weniger kryptisch zu sein.”
Fest steht, dass Frevert von Mal zu Mal mehr Abstand von der Rockmusik und auch vom herkömmlichen Pop nimmt. Fast ist man geneigt, ´Zettel auf dem Boden´ als das Werk eines klassischen deutschen Liedermachers zu beschreiben, eines Liedermachers mit der Gelassenheit, dem Herz eines Indierockers.
”Es ist sicherlich auch eine Flucht vor dem, was sonst so stattfindet”, überlegt der 41-Jährige. Mit leisen Chanson- oder gar Jazz-Anleihen, zaghaften Verweise auf die stilvolleren Momente des 70er-Jahre-Schlagers und einem Herman-Van-Veen-Cover gelingt ihm die Abgrenzung auf ´Zettel auf dem Boden´ meisterhaft. Ein Nischendasein möchte Frevert trotzdem nicht führen, oder, wie er selbst abschließend mit einem Lächeln sagt:
”Ich sehe keinen Grund, den anderen den gehobenen Mainstream kampflos zu überlassen!”
Aktuelles Album: Zettel auf dem Boden (Tapete Records/Indigo)
Weitere Infos: www.nielsfrevert.net