QUICKSILVER
Eine knallharte Platzvorgabe der Redaktion führt dazu, dass auch Platten, zu denen man viel mehr sagen müsste, nur (viel zu) kurz erwähnt werden können:SABRINA ASCACIBAR kann nichts für ihren Vornamen, macht aber auf "Bill & Eve"(Bear Family/Delta Music) prachtvolle soul- und vaudevillehaltige Musik in der man zuweilen auch Nylon bzw. Mde. Bassange erkennen könnte. 4
Auch nett, aber diskografisch belangloser, weil mit einem guten Teil bereits veröffentlichter Stücke daherkommend ist der Sampler "Bonheur & Melancholie"(Soundcolours/Soulfood), auf dem BLANK & JONES ihre Lieblingsfranzo(e)sInnen versammeln. Die Herren selbst spielen u.a. zwei feine Songs mit Coralie Clément. 3
MARIA GADÚ ist in Brasilien ein Popstar, mir ist der AkustikgitarrenBrasiloPop auf ihrem s/t Debut (Universal) aber etwas zu beliebig. 2
Des Princen ex-TrommelGespielin SHEILA E. liebt (es) auf "Icon"(Moosicus/Indigo) nicht mehr bizarr, sondern sehr konventionell diskofunkig. 2
Der mit etwas Glam, New-Order-sequenzing und Bette-Davis-Eyes beträufelte ElectroDiscoPop des Franzosen THE TOXIC AVENGER auf "Romance And Cigarettes"(Roy/Alive) ist ein Argument mehr für's Nichtrauchen und für mich sowieso zu hip. 2
Auch das langatmige PsychElectro-Zeugs voller Hall und Zwitscherei auf "Lava Diviner (True Story)"(Western Vinyl/Cargo) von BOTANY macht keine rechte Freude. 2
Besser gefällt mir da, was JOHN TALABOT für die "DJ-Kicks"(!k7/Alive) zurechtmixte. Das Mit- und Ineinander von altem DeepHouse, ambienten Grooves, KompaktSound und vielem mehr ist eher für's forschend-wippende Hören denn für den wilden FloorTanz. 3
Wer sich die Füße mit Chicago Footwork verknoten will, kann bei DJ RASHID gern zugreifen. Im Grunde enthält sein "Double Cup"(Hyperdub/Cargo) wenig wirklich Aufregendes, hat aber ordentlich BassBums und transportiert jede Menge schmutziger Worte. 3
Wirklich schade, dass meine Kopie von "R Plus Seven"(Warp/RTD), das jemand unter dem seltsamen Namen ONEOHTRIX POINT NEVER veröffentlicht, so arg zerkratzt ist, dass ich nur wenig von den etwas an eine elektronische Version von Phillip Glass erinnernden Stücken wirklich genießen konnte. (vermutlich: 5)
Mit O.P.N. hat TIM HECKER auch schon zusammengearbeitet. Dessen "Virgins"(Kranky) bewegen sich traumwandelnd zwischen Holzbläsern und Perkussion, SynthEffekten und PianoHall, Lärm und Schönheit. 4
PETER BRODERICK mag's etwas zärtlicher und hat die verhuschten Klavierklänge seines 08er Debuts samt Vogelzwitschern und melancholischen Streichern einem update unterzogen. "Float 2013"(Erased Tapes/Indigo) erscheint tatsächlich (auch) auf Kassette und ist wirklich schön. Die Notwendigkeit des Ganzen wird im booklet erläutert. 3
Die famose GUDRUN GUT ließ "Tiger" von ihrer jüngsten CD "Wildlife" (s. WZ 10/12) durch die HalbHipster Brandt/Brauer/Frick remixen, spannender an der 7" ist aber GGs stoische Fassung von Canned Heat's "Going Up The Country"(Monika/Kompakt/Morr). Beim DL gibt’s das sogar noch im Fehlmann-Mix. 4
DIE HEITERKEIT ist weiter sehr melancholisch unterwegs. Nach dem wundervollen "Herz aus Gold" (s. WZ 09/12) verkürzt jetzt eine 12" die Wartezeit auf das (angekündigte) 2. Album. "Daddys Girl"(Staatsakt/RTD) enthält vier manchmal fast dezent in Richtung "Wave" schielende Kleinodien der distanziert-unmittelbaren Unaufgeregtheit. Das ist mehr als "Big in Vienna"! 4
ULRICH TROYER ist Wiener (und beim Vegetable Orchestra dabei). Das erklärt vielleicht, warum in seinem (lustigen) Booklet-Comic stompboxes und digital gefakte tape-echos sprechen können. Seine "Songs For William 2"(4Bit Productions/Hardwax/HHV) spielt er denn auch nerdig mit (u.v.a.) AnalogSynths, Sampler, Melodica und etlichen Effekten als warmen DigiDub: "Shake Your Knobs"! 4
Troyers Landsleute von VELOJET frönen auf "Panorama"(Schönwetter Schallplatten/RTD) einer respektablen Form von IndieBreitwandPop mit elektronischem Dressing. 3
Für "Anysome"(Morr/Indigo) verbinden die Drei von ALOA INPUT frickeligen Weilheim-Indie und den Druck von Missent To Denmark (wo Gitarrist Grassl vorher aktiv war) zu einem hypnotischem Popentwurf. 4
Das MELT TRIO hingegen befasst sich mit der entspannt-aufregenden Version von Jazz, die dem Pop nahesteht (also z.B. nicht den Zwang zum Solo auslebt), aber Dynamik, Dramaturgie und Facettenreichtum der improvisierten Musik entlehnt. "Hymnolia" fächert mit Gitarre, Bass und Schlagzeug (Moritz Baumgärtner von Jersey und Bonaparte!) 11 freundliche Staubflocken in die Luft. 4
Mit exakt der gleichen Instrumentenbesetzung geht das Erfurter TRIO SCHMETTERLING an den Start und steigert seinen filigran-repetitiven Sound schon im opener "Sonnenaufgang" sehr geschickt ins beinahe Lärmende. Dieses Prinzip wird dann etwa eine 3/4 Stunde lang sehr angenehm variiert. 4
TOBIAS CHRISTL probiert mit seiner "Lieblingsband" die ungewöhnliche/spannende "Verschmelzung"(alle Traumton/Indigo) von (Pop)Song und Jazz. Instrumental und textlich sehr gelungen ist der (hier im Fokus stehende) Gesang zwischen Sprechen und Falsett aber - nunja - gewöhnungsbedürftig. 3
Die Saxofonistin SOFI HELLBORG mischt in ihren Jazz afrikanische SpurenElemente, gemeinsam mit ihrer talentiert groovenden Stimme wird aus "Sun & Rain"(Ajabu/Broken Silence) ein sehr schönes Beispiel für grenzensprengende und trotzdem massenkompatible Musik. 4
Überraschend langweilig ist hingegen "Gipsy Manifesto"(Piranha/!k7/Alive), das neue Werk der serbischen BlasGötter BOBAN & MARKO MARKOVIĆ. Wer braucht einen crossover von Bläck Fööss, New Orleans, Samba und Afrika im BalkanBrass-Gewand? 2
Auch die "Songs Of Gastarbeiter Vol.1"(Trikont/Indigo) sind bestenfalls musik-soziologisch interessant. Denn was das Duo AYKU hier an EinwandererMusik aus Deutschland kompilierte, pendelt musikalisch zwischen etwas peinlichem ProtoLiedermacher und Istanbuler DiscoSound. Als Beschreibung eines sozialen Phänomens gelungen, aber von begrenztem Unterhaltungswert. 3
Der Hamburger Songwriter Wolfgang Müller präsentiert auf eigenem Label "Es War Einmal Und Wenn Sie Nicht" (Fressmann/Indigo), ein 2CD-Hörbuch, auf dem etliche Songwriter ganz schlicht Grimm-Märchen vorlesen. Zwischen Tom Liwa, Cäthe, Niels Frevert, Jan Plewka u.v.a. improvisiert ex-Fink-Gitarrist Ketelsen, mit seiner Lapsteel vor sich hin. Spannender als gedacht und nicht nur für Kinder. 4
(Inzwischen auch) "FSK 12", aber leider völlig misslungen ist hingegen MADONNAs DVD "MDNA World Tour"(Universal). Hier kann bzw. muß man die Selbstdemontage einer ehemals Großen in Form einer zum pseudoprovokanten Ritual erstarrten durchorganisierten MusicalShow bar jeder Spontanität miterleben. 1
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