Als Catharina „Catt“ Schorling 2019 mit ihrer EP „Moon“ als Solo-Künstlerin musikalisch aus dem Ei schlüpfte, hatte sie bereits eine solide Laufbahn als gesuchte Session- und Live-Musikerin für u.a. Judith Holofernes, Niels Frevert, Kat Frankie aber auch Sarah Connor, die Lochis und das Filmorchester Babelsberg hinter sich. Eine Tatsache, die im Folgenden spätestens mit der Veröffentlichung ihrer Debüt-LP „Why Why“ schnell in den Hintergrund trat, denn seither präsentierte sich Catt – sowohl mit ihren Studio-Produktionen, wie oft auch auf der Bühne – als One-Woman-Band, wobei sie sowohl als Pianistin und Keyboarderin aber auch mit Samplern, Loop-Stations und vor allen Dingen als Trompeterin und Posaunistin in der Lage war, in einem jazzig/souligen Artpop-Setting ganz alleine einen soliden Bandsound hinzubekommen. Deswegen kommt es fast schon ein wenig überraschend, dass sie auf ihrem nun vorliegenden, zweiten Album „Change“ nun auch die Kollaboration mit ihren Band-Musikern sucht – und auch die Stilrichtung ihres Materials in eine eher konventionellere Richtung im Stile klassischer Old-School-Pop-Arrangements aufbohrt. Es stellt sich gleich die Frage, ob das einem Masterplan folgt – oder ob dieser neue Ansatz dem Prozess der Entstehung des Albums in Zusammenarbeit mit den Musikern geschuldet sein mag?
„Zweiteres“, meint Catt, „es hat sich dadurch ergeben, dass ich einfach losgelaufen bin. Ende 2021 war es nach zwei Jahren Pandemie erstmals möglich gewesen – zwar unter Auflagen – live aufzutreten, und da habe ich dann nicht nur Solo, sondern auch mit Band gespielt. Da habe ich zum ersten Mal gemerkt, was das für eine Power haben kann und welche Klangfarben sich erzeugen lassen, wenn ich das Material mit Menschen zusammen spiele, denen ich vertraue. Da wusste ich schon, dass ich mit diesen Menschen zusammen arbeiten wollte, wenn ich neue Sachen mache. Und dann war ich noch mit meinem Gitarristen Felix Anton Remm unterwegs und habe mich musikalisch und menschlich so gut mit dem verstanden, dass uns klar wurde, dass wir beide zusammen an neuen Songs arbeiten müssen. Dann habe ich habe mich Ende 2021 aber erst mal in eine kleine Hütte außerhalb von Berlin in Potsdam zurückgezogen – weil diese Zeit auch nicht ganz einfach war. Da habe ich dann erst mal ein bisschen aufgeschrieben und durchlaufen lassen, was da kommen wollte. Das war das erste Mal, dass ich nach dieser Zeit kreativ aufmachen konnte, weil ich zuvor erst mal das alte Material spielen musste. Ich bin schließlich mit Demos nach Berlin zurückgekommen und habe mich jeden Tag in einem großen Kreativkomplex an der Spree mit Felix getroffen, wo wir zusammen an den neuen Songs gearbeitet haben. Dabei sind wir also losgelaufen und ich habe dann erstmals auch den kreativen Prozess geöffnet. Die Songs sind also erst beim Machen so geworden, wie sie jetzt sind. Ich wusste vorher nur, dass ich meine kleine, minimalistische Klavierwelt verlassen wollte, weil so viele Facetten von mir noch gar nicht erzählt sind. Und ich hatte Lust alles zuzulassen."Beispielsweise auch nun selber Gitarre zu spielen?
„Ja, ich habe in diesem letzten Jahr angefangen, Gitarre zu lernen“, antwortet Catt, „und den Song 'I Am The Wind' war das erste Lied, dass ich für das Album auf der Gitarre geschrieben habe. Die Version, die auf dem Album gelandet ist, ist tatsächlich auch das Demo von diesem Tag im November, wo der Song entstanden ist. Es sind also auch Elemente von dem Resort auf der Scheibe gelandet. Der Unterschied war dann nur, dass ich mich entschieden habe, mich nicht zu verbarrikadieren und alles fertig zu machen, sondern im richtigen Moment die Sachen mit nach Berlin genommen habe und da Einflüsse und mehr Farben durch die Musiker zugelassen habe."
Im Vergleich zu der ersten EP „Moon“ und der LP „Why Why“ ist das neue Album „Change“ im Grunde genommen ja konventioneller strukturiert. Nicht im Sinne einer Kritik, sondern in dem Sinne, dass sich Catt songwriterisch und was die Arrangements betrifft, an klassischen Vorbildern orientiert. Ging es ihr vielleicht darum, dieses Mal einfachere Songs zu schreiben – diese aber besser?
„Gute Frage“, lacht sie, „darauf ist die Antwort aber deutlich 'nein'. Mein Spektrum des Klangs hat sich ja vielleicht sogar erweitert, während sich die Art des Songwritings vereinfacht hat – und sich sogar dem Pop-Song untergeordnet hat. Ich bin dabei aber ganz doll der Freude gefolgt – bzw. dem, worauf ich in dem Moment Lust hatte. Vielleicht war das auch gerade das, was mal dran war. Ich bin im Schwierigen wie im Guten durch das ganze Spektrum des menschlichen Daseins gegangen, das wir in den letzten zwei Jahren mit ja alle durchlebt haben. Alles steht ja auch deswegen unter dem Titel 'Change', weil wir uns alle kollektiv so viel verändert haben und auch jetzt vor so vielen Veränderungen stehen. Ich habe mich in dieser Hinsicht mit meinen Gefühlen auch ganz doll mit allen anderen Verbunden gefühlt. Und so entstanden diese universellen Songs, die vielleicht zeitloser und vielleicht simpler und ehrlicher sind."
Welche Arten von „Change“ macht Catt denn – neben der musikalischen Veränderung – zum Thema der Scheibe?
„Es ist vom kleinen bis zum Großen alles“, erklärt Catt, „weil jeder Song, den ich schreibe immer getriggert ist durch eine ganz persönliche Emotion von mir. Das ist dann sozusagen meine eigene, kleine Geschichte. Dann beginne ich zu schreiben und es gibt vielleicht schon eine Melodie oder eine erste Strophe – und dann merke ich, dass ich das los lasse und daraus wird es etwas Größeres. Am Anfang steht immer meine eigene kleine Geschichte. Das kann ein ganz einfacher, menschlicher Schmerz sein oder ein gebrochenes Herz oder eine Freude über irgend etwas oder eine Hoffnung oder was auch immer. Und dann shiftet das zum Großen. Je nachdem wo man da persönlich andockt, stecken da alle Arten von Veränderung und dem ganzen Spektrum dessen, was wir erleben drin. Weil ich ganz fest davon überzeugt bin, dass unsere individuellen Kämpfe auch unsere kollektiven Kämpfe sind und unsere individuellen Geschichten auch die großen Geschichten sind. Das ist untrennbar miteinander verbunden. Es geht dann zum Beispiel darum, unseren individuellen Frieden zu finden und auch den großen Frieden zu finden - den kleinen Aktivismus wie auch den großen Aktivismus im eigenem Leben an jedem Tag. Ich kann also nicht anders als im Großen von oben draufzuschauen, aber ich beginne immer mit den kleinen Sachen, die aus mir herauskommen."
Okay – nachdem Catt mit ihrem zweiten Album „Change“ sozusagen ein neues musikalisches Kapitel aufgeschlagen hat: Was kommt denn dann wohl als Nächstes?
„Nun zunächst ein Mal gehe ich natürlich mit meinen Musikern auf Tour“, führt Catt aus, „ich habe auch schon so eine Idee für das nächste Jahr – die ist aber noch nicht so ganz spruchreif. Aber was ich auf jeden Fall sagen kann, ist dass ich niemals das Gleiche noch ein Mal machen werde. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das nächste Album ein komplettes Gegenstück zu 'Change' werden wird. Ich begebe mich nämlich nicht in Routinen hinein – und deswegen geht es entweder immer weiter oder aber es schlägt ins Gegenteil um."
Aktuelles Album: Change (ListenRecords)
Weitere Infos: https://catt-music.com/de Foto: Elena Breuer