„Cosmic Folk“ ist das Etikett, das die große Lucinda Williams einst Mari und Tor Egil Kreken anheftete, und tatsächlich scheint auch auf ´Cosmos´, das inzwischen fünften Album des norwegischen Ehepaars als Darling West, bisweilen der Geist von Gram Parsons und Emmylou Harris durch den Raum zu schweben, wenn die zwei gemeinsam mit ihren Mitstreitern Christer Slaaen und Thomas Gallatin ehrlich und authentisch den Bogen von countryesken Singer/Songwriter-Traditionen zu klassischem Pop-Appeal im Fleetwood Mac´schen Sinne spannen.
Die Band hat das Ehepaar vor rund zehn Jahren gegründet, um mehr Zeit gemeinsam verbringen zu können, anstatt als Begleitung anderer Künstlerinnen und Künstler getrennt voneinander auf Tournee zu gehen, und dass Darling West für Mari und Tor nicht nur ein Job, sondern einfach ein Stück echtes Leben sind, konnte man auch an der heiteren Gelassenheit ablesen, die bei den Konzerten ihrer Deutschland-Tournee im Januar herrschte. Immer wieder sangen die zwei einander zugewandt, und ihre strahlenden Gesichter schienen zu sagen, dass sie sich nichts Schöneres vorstellen können, als gemeinsam auf der Bühne zu stehen.„Das ist eine herrliche Beobachtung, denn das ist wirklich so, wie wir uns fühlen und wie wir wollen, dass sich die Leute fühlen, wenn sie uns sehen“, erklärt Tor bei unserem Treffen vor der Show in Essen. „Bevor wir auf diese Tour gegangen sind, haben wir viel darüber gesprochen, wie sehr wir genießen, zusammen zu spielen, sei es im Wohnzimmer oder auf einer Bühne, und es ist toll zu hören, dass das tatsächlich durchkommt!"
Als „direkt, zärtlich und glaubhaft“ haben die Kollegen der amerikanischen Genre-Bibel No Depression die Herangehensweise von Darling West bereits treffend beschrieben, und das gilt auch für die Songs auf ´Cosmos´, mit denen die Band mal mehr, mal weniger direkt die schwierigen Pandemiejahre in den Fokus nimmt. Das Ergebnis sind Lieder, die zu Herzen gehen.
„Auf dem Album finden sich einige ziemlich direkte Songs über Menschen, die uns sehr wichtig sind und die schwere Zeiten hinter sich haben“, erklärt Mari. „Es geht also nicht zuletzt um Aufmunterung. Vielleicht kann die Hörerschaft daraus auch etwas für sich ziehen, denn letztlich sind es einfach ehrliche Gedanken über das Leben. Das Schöne an der Folkmusik ist, dass man über alles schreiben und alles ansprechen kann, was man will. Es muss nicht alles lustig sein, es muss aber auch nicht alles traurig sein. Es ist das ganze Spektrum des Lebens."
Doch auch wenn Darling West es nicht vollends aufgegeben haben, Lieder über andere zu schreiben, ganz egal ob es Menschen aus ihrem Umfeld oder Reisebekanntschaften sind, hat sich der Fokus aus offensichtlichen Gründen doch etwas verlagert. „Zuvor drehten sich die meisten Texte um Geschichten mitten aus dem Leben, die wir von anderen gehört haben“, verrät Mari.
„Die neuen Lieder dagegen sind größtenteils während der Pandemie entstanden, und in dieser Zeit konnten wir nicht auf Tournee gehen und die Geschichten anderer hören. Deshalb mussten wir dieses Mal etwas tiefer in uns selbst blicken."
Doch nicht nur textlich haben sich Darling West für ´Cosmos´ neue Ausdruckformen gesucht. Auch klanglich suchen sie nach neuen Wegen und bezogen dabei nach vier Platten, auf denen sie zu zweit die Richtung vorgegeben hatten, nun erstmals ihre beiden Bandkollegen stärker in den Songwriting- und Produktionsprozess mit ein, um zu neuen Klangfarben zu gelangen – auch wenn das nicht von langer Hand geplant war, sondern sich ganz organisch ergeben hat. „Ursprünglich hatte unser Management vorgeschlagen, dass wir ins Ausland reisen und an einigen Songwriter-Zirkeln teilnehmen, um die Karten neu zu mischen“, erinnert sich Mari. „Dann aber kam die Pandemie, sodass unser Arbeitsbereich auf die Band beschränkt war."
Zu viert nahmen Darling West die EP ´Interpretations´ mit Coverversionen von Dua Lipa, Toto und La Roux auf und überbrückten auch sonst mit den gestreamten „Family Sessions“ die konzertlose Zeit maximal kreativ.
„In dieser Zeit sind wir immer näher zusammengerückt“, sagt Mari über die neue Dynamik des Quartetts. „Deshalb hat es sich einfach so anfühlt, als sei Darling West nun mehr als zuvor unser aller Projekt."
Unverändert dagegen ist das betont stilvolle Aussehen der Band, denn in puncto Kleidung überlassen Darling West – das unterstreichen auch die Fotos zum neuen Album – nichts dem Zufall.
„Ich habe Vintage-Kleidung schon immer geliebt“, gesteht Mari. „Im Grunde geht es darum, dass ich immer auf der Suche nach coolen Klamotten bin und es mag, einzigartige Sachen zu finden. In der Folk-Szene ist es für gewöhnlich nicht so wichtig, wie du dich kleidest – du kannst kommen, wie du bist. Ich liebe das an dieser Szene, aber ich mag auch Bands, besonders wenn mehr Leute auf der Bühne stehen, die farblich abgestimmte Kleidung haben, und man sieht, dass es sich um eine Einheit handelt. Weil wir (noch) kein Geld für eine Lichtshow oder Visuals haben, können wir die Kleidung als verbindendes Element für uns vier nutzen. Das Ganze hat mich eine Menge Arbeit gekostet, denn weil es mir wichtig ist, dass die Sachen vintage sind, kann ich nicht einfach irgendwo hingehen und schon haben ich drei passende Anzüge gefunden. Ich suche viel im Internet, aber oft ist es wirklich schwer, etwas Passendes zu finden, besonders weil Christer so winzig ist! Den Anzug, den er für das Coverfoto getragen hat, musste ich auftrennen und neu zusammennähen, damit er ihm passte. Tor einzukleiden ist dagegen sehr leicht, und ich selbst komme immer ganz zum Schluss."
Sie lacht. „Oft bin ich so besorgt wegen der Anzüge der Jungs, dass ich mich selbst glatt vergesse!“
Aktuelles Album: Cosmos (Jansen Records / The Orchard)
Weitere Infos: www.darlingwest.no Foto: Solveig Selj