25 Jahre lang gibt es Low inzwischen schon, aber ihrem neuen Album ´Double Negative´ kann man das nun wirklich nicht anhören. Anstatt sich wie viele andere Veteranen darauf zu beschränken, mit aufgewärmten Erfolgsrezepten ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen, verfolgen die Slowcore-Pioniere aus Duluth, Minnesota, lieber entschlossen den experimentellen Weg weiter, den sie auf dem Vorgänger ´Ones And Sixes´ begonnen haben, und vertonen dabei das beklemmende Gefühl, dass sich die Welt auch dann weiterdreht, wenn es keine Hoffnung mehr gibt.
„Gewissermaßen ist es ein Glücksfall für uns, dass wir nie einen Hit hatten oder eine Phase, die alle Welt als ´Classic Low´ bezeichnen würde“, sagt Gitarrist und Sänger Alan Sparhawk beim Interviewstopp in Berlin.„Von Anfang an haben alle verstanden, dass wir auf jeder Platte etwas anderes machen, dass wir Wagnisse eingehen und uns selbst herausfordern. Deshalb mussten wir uns nun auch nicht fragen, ob wir etwas anders machen sollen, sondern nur: Was ist dieses Mal möglich?“
Gemeinsam mit dem für seine Zusammenarbeit mit Bon Iver bekannten, betont experimentierfreudigen Produzenten BJ Burton, der schon beim Vorgänger für Low am Mischpult gesessen hat, rückt das Trio auf ´Double Negative´ deshalb unerschrocken elektronische Hilfsmittel in den Fokus und vergräbt den Harmoniegesang von Sparhawk und seiner Ehefrau Mimi Parker, der lange Zeit Dreh- und Angelpunkt des Low´schen Tuns war, des Öfteren tief im Soundmix.
„Wenn du einmal anfängst, dich nach vorn zu puschen, fragst du dich bald, ob du nicht noch weiter gehen kannst“, erklärt Sparhawk. „Ich wusste, wie bestimmte Sachen auf der Gitarre klingen, aber dann fragte ich mich, ob es vielleicht einen Weg gibt, sie spannender zu machen: Wie würden sie wohl nur mit einem Drumcomputer und einem Vocoder anhören?“
Angst davor, mit ihrer Klangtüftelei zu weit zu gehen, hatte die durch Bassist Steve Garrington komplettierte Band nie, obwohl sich Sparhawk durchaus an Situationen erinnern kann, in denen er sich um die Reaktion des Publikums Gedanken machte:
„Es gibt da den Song ´Tempest´, der zu Beginn vollkommen verzerrt klingt, als ob etwas in den Lautsprechern nicht stimmt oder etwas gerade zerschellt. Es war wahnsinnig aufregend, das aufzunehmen, aber natürlich fragst du dich dann irgendwann: ´Was mögen die Zuhörer wohl davon halten? Hören sie das Gleiche wie wir? Verstehen sie unsere Intention?´ Dabei stand allerdings nie zur Debatte, zurückzurudern. Wir waren uns nur nicht im Klaren, ob das Publikum uns folgen kann oder manchmal nur Krach hört. Das war allerdings ein Risiko, das wir gerne eingegangen sind.“
Schließlich war es Low schon immer wichtiger, ihren kreativen Hunger zu stillen, anstatt ausschließlich auf kommerzielle Erfolge zu schauen.
„Schon ganz früh, als wir unsere ersten Platten aufnahmen, stellten wir fest, wie befriedigend es ist, sich selbst bei der Arbeit an einem Album zu überraschen“, erinnert sich Sparhawk. „Außerdem ist für mich die Chance, immer noch neue Platten machen zu können, mit der Verpflichtung mir selbst und der Welt gegenüber verbunden, weiter nach vorn zu blicken!“
Dabei sehen Low im Beschreiten neuer Pfade, im Ausloten neuer, unerforschter Ideen nicht zuletzt auch die Möglichkeit, sich einem neuen Album auch nach all den Jahren mit dem gleichen Entdeckergeist nähern zu können, den Musiker sonst nur bei ihren allerersten Platten verspüren.
„Manchmal musst du einfach Situationen heraufbeschwören, in denen du wieder naiv sein kannst“, ist Sparhawk überzeugt. „Du schnappst dir ein Instrument, das du noch nie verwendet hast, aber wenn du weißt, wie man Musik macht, und begriffen hast, dass es oft nur ein, zwei Kleinigkeiten braucht, um die Sache interessant zu machen, dann ist das schon alles, was du brauchst. Man muss nicht immer alles bis ins letzte Detail verstehen, um es gewinnbringend einsetzen zu können.“
Aktuelles Album: Double Negative (Sub Pop / Cargo)
Weitere Infos: www.chairkickers.com Foto: Shelley Mosman