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BETONTOD

Altbekanntes, neues Gewand

BETONTOD

Manche Bands bringen einen zur Musik, andere konkretisieren den Musikgeschmack, wieder andere lassen erkennen, wie viel die Musik auch abseits des eigenen Kosmos zu bieten hat. Betontod gehören für die meisten zur ersten Gruppe; der Grund: Gerade junge Leute fühlen sich von ihrer lauten Rockmusik und den direkten Texten angesprochen. Ihre Aussagen lassen sich kaum fehlinterpretieren – für Teenager mit sich noch entwickelndem Allgemeinwissen genau passend. Musik als eine gesellschaftliche, politische, kritische Anleitung. Da gibt es doch freilich Schlimmeres. Nur vielleicht Spannenderes.

Scheinbar seit Jahren bedienen die Herren aus Rheinberg ein und dieselben Themen: Liebe, Familie, Gesellschaft, Politik – und Alkohol. Wie so viele andere Bands auch, möchte man gleich mit anmerken – und genau das macht es etwas problematisch. Man hört sich ihre Musik an, findet sie vielleicht sogar gut – warum auch nicht? – jedoch hat man sich schnell sattgehört – weil man ähnliche Herangehensweisen schon von anderen deutschsprachigen (Punk-)Rockbands wie den Toten Hosen oder Broilers kennt.

„Unsere Musik von heute ist natürlich nicht mit unseren ersten beiden Alben vergleichbar – das ist Betontod 2018! Wir klingen wie wir klingen wollen, so einfach ist das. Warum sollten wir es auch nicht tun? Warum sollten wir so klingen wie andere es wollen? Wenn unser einziger Antrieb das Geldverdienen wäre, hätten wir schon vor 20 Jahren ganz andere Musik gemacht“, erklärt Gitarrist Frank Vohwinkel lachend.

Allerdings geht es nicht nur um die Massenkonformität oder darum, Teil des gut laufenden, erfolgreichen Mainstreams zu sein, sondern vor allem um Einzigartigkeit. Darum, interessant zu bleiben. Denn wo liegt schließlich der Sinn darin, ein Album zu veröffentlichen, was man nach nur einmal Hören schon fast auswendig kennt?

„Letztlich gibt es aber nur einige wenige Themengebiete, derer man sich bedienen kann“, gibt Vohwinkel zu bedenken. „Wir sind keine Musikfabrik. Unsere Songs kommen wie sie kommen. Wir schreiben über das, was uns beschäftigt und berührt. Sachen, die wir selber erleben. Wenn es scheinbar immer dieselben Oberthemen sind, ist das so, aber eine Aussage haben sie ja dennoch.“

Und das ist der große Pluspunkt und der Grund, warum Betontod eine exzellente Band für die erste Punkrock-Erfahrung ist: Ihre Texte sind leicht zu verstehen – inhaltlich wie auch durch die deutliche Artikulation von Sänger Oliver Meister – und meist klar positioniert. Einfach, aber absolut wirkungsvoll. So auch ihr neuer Streich ´Vamos!´.

„Es ist kein wirkliches Konzept, aber im Großen und Ganzen geht es darum, seinen Arsch hochzukriegen. Es sich nicht in seiner Komfortzone bequem zu machen, sondern zu zeigen, wofür man steht.“

Wieder kein Thema, welches nicht schon einige Bands bedient haben, aber in Zeiten von Rechtsruck, AfD und Abschiebungen nicht nur wichtig, sondern angebracht.

„Vamos! Vamos! Wir eskalieren und wollen Chaos. Vamos! Vamos! Die Fäuste hoch, wir gehen los.“

„Wir äußern uns, wir machen auf Konzerten immer wieder klare Ansagen und als weitere Unterstützung werden wir nun auf der kommenden Tour auch Kein Bock auf Nazis als Kooperationspartner dabeihaben, was großartig ist. Aber klar, auch das wird wahrscheinlich nicht dafür sorgen, dass wir nicht auch in Zukunft das ein oder andere T-Shirt von Frei.Wild oder den Onkelz bei unserem Publikum sehen werden, das können wir nicht unterbinden. Anderen Bands geht es genauso und dafür sehen wir leider auch keine Lösung. Solchen Leuten und Menschen mit ähnlichen Ansichten kann man nur entgegentreten und dafür steht ´Vamos!´ letztlich auch.“

Wie heißt es so schön? Musik verbindet. Musik bringt Leute zusammen. Betontod können sich weiterhin so deutlich äußern wie sie möchten, manche werden dennoch vor allem auf die Musik achten – und die fällt teilweise einfach in dieselbe Sparte, in der sich auch Bands tummeln, welche allerdings ganz andere politische und gesellschaftliche Auffassungen vertreten.

Doch wie ist es denn eigentlich generell, ständig Gefahr zu laufen, Musik zu schreiben, die in ähnlicher, wenn nicht gleicher Weise auch schon in anderen Repertoires ihren Platz gefunden hat?

„Genau wie es nur eine gewisse Anzahl von thematischen Oberthemen gibt, so gibt es auch nur eine bestimmte Anzahl von Akkordfolgen. Wenn es so schon einmal passiert ist, dann ist das so. Das hindert uns nicht daran, einen Song zu schreiben beziehungsweise bringt uns nicht dazu, ihn beiseitezulegen.“

Aber bei ´Bengalo´ ist es schon sehr offensichtlich, dass ihr euch musikalisch bei ´Hier kommt Alex´ von den Toten Hosen bedient habt.

„Gut, das stimmt. Da hört man, aus welcher Ecke wir selber kommen, was wir gerne hören. Wir haben uns da tatsächlich einen Teil herausgenommen und ihn für den Song auf Betontod gemünzt.“

Ebendieses Vorhaben haben sie für ihre ´Trinkhallen Hits Vol.1´, der Bonus zum eigentlichen ´Vamos!´-Album, gleich noch zehn weitere Male gemacht. Pop-Songs als B-Seiten, das sollte es sein. Bekanntes wie ´Rote Lippen soll man küssen´, ´Im Wagen vor mir´, ´Griechischer Wein´, ´Ich war noch niemals in New York´ oder ´Ich liebe das Leben´ ins Betontod-Gewand kleiden, damit rechneten wohl die wenigsten – und noch weniger, dass es wirklich funktioniert.

„Wir wollten alten Schlager vertonen. Lieder, die man kennt, mit Melodien, die in den Kopf gehen. Schwierig war dabei aber, uns auf Songs zu einigen“, erinnert sich der Gitarrist. „Wir wollten keine Saufsongs neu interpretieren, sondern ganz normalen Schlager – der übrigens gar nicht so leicht zu spielen ist, wie man denkt! Musikalisch und spielerisch war es nicht selten sehr anspruchsvoll: Mal ist es schneller, dann wieder langsamer, dann eine ganz andere Tonhöhe. Aber wenigstens haben wir für die ´Trinkhallen Hits´ im Studio nicht länger gebraucht als für ´Vamos!´“, lacht er.

Mittlerweile befinden sich Betontod in ihrem 28. Bandjahr. Das Quintett erlebte zusammen Höhenflüge wie Beinaheabstürze – wie das nun einmal so ist, wenn fast drei Jahrzehnte ins Land streichen. Hin und wieder mit Momenten, in denen die Zukunft der Band unklar war.

„Natürlich gab es nicht nur rosige Zeiten und ja, es gab sicherlich auch Momente, in denen der ein oder andere sogar ans Aufhören dachte, aber das ist lange her. Mittlerweile ist alles relativ entspannt, weil jeder weiß, was er von den anderen zu erwarten hat. Wir sind auch einfach viel zu alt und zu weise, um die anderen verändern zu wollen. Es ist ein bisschen wie in einer Beziehung – wobei es bei uns eher einer Familie gleicht.“

Betontod sind wie die Patenonkel des deutschsprachigen Punkrock. Sie nehmen einen an die Hand, erzählen vom Leben und der Welt, berichten von Gutem und Schlechtem und leiten an. Laden vielleicht auch mal dazu ein, sich auch andere Bands anzuhören – und sei es nur, weil sie ihnen musikalisch oder textlich gleichen. Egal ob eine Band einen nun zu einer bestimmten Musikrichtung bringt, den eigenen Musikgeschmack konkretisiert oder gar erkennen lässt, wie viel auch die Musik abseits des eigenen Kosmos zu bieten hat – jede kann unglaublich prägend und schlussendlich einfach wichtig sein. Zwar kommt mit der Konkretisierung meist auch eine Verfeinerung im Wording und Songwriting daher – soll heißen: Wo sich Band A auf massenkonforme Rockmusik mit eher simplen Texten spezialisiert hat, spielt Band B etwas anspruchsvollere Musik mit interpretationsbedürftigen und weniger direkten Lyrics – aber das bedeutet natürlich nicht, das Einfachheit gleich mit niedriger Qualität in Verbindung steht. Höchstens manchmal mit wenig Spannung.

Betontod haben mit ´Vamos!´ ein Album geschrieben, das nur selten überrascht, aber sie legen dennoch Songs vor, die in den meisten Fällen Aussage haben. Und was noch viel wichtiger ist: Sie bestärken sich selbst in der Rolle des Demonstranten. Mit einfachen Mitteln machen sie der jüngeren Generation bewusst, dass es gerade heute immer wichtiger wird, aufzustehen und den Finger zu erheben – oder besser gleich die ganze Faust. Vamos!

Aktuelles Album: Vamos! + Bonus-CD Trinkhallen Hits Vol.1 (Arising Empire) VÖ: 31.08.

Foto: Boris Breuer

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