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CHIMA

Ich mach´ mein Ding

CHIMA

Chima? Pause. Nachdenken. Schon mal irgendwo gehört?! Ist er nicht beim 1Live-Newcomer-Festival Das erste Mal aufgetreten? Ist er. Allerdings schon 2002. Doch musikalisch unterwegs ist er schon länger. Bereits in den 1990er Jahren tritt er mit dem Geschwisterpaar Aisha und Ismael Abdallah als Teil der englischsprachigen Rapgruppe Otropic T(h)ree. Darüber hinaus ist er Mitglied von Brothers Keepers, die -am ohrenfälligsten mit ihrem Stück ´Adriano´- gegen Fremdenhass und rechte Ideologien aufbegehren. Zwei eher Hip Hop-orientierte Platten pflastern auch bereits seinen Weg. Der Mann hat also etwas zu sagen. Doch das Gehör, dass er findet, ist nicht das, welches Chima erwartet. „Schließlich hat alles bisherige nicht so gefruchtet, wie ich mir das vorgestellt hatte“, stellt er im Gespräch fest, „da habe ich mich dazu durch gerungen zwischenzeitlich mal meine Strategien zu überdenken.“ Und das ist gut so!

Durchhalten

Und wer dann noch solch ein brachiales Durchhaltevermögen an den Tag legt, wie Chima, der erhält auch im gandenlosen Musikbusiness die Chance auf ein drittes Album. Und die wunderbar entspannte Singelauskopplung „Morgen“ findet sich dann auch in den Hitlisten. Zu Recht. Was vermutlich damit zu tun hat, dass Chima nicht nur seine Strategie, sondern die auch die Art und Weise des Stückeschreibens auf den Prüfstand gestellt hat.

„Ich bin mit Patrice befreundet und er hat mir eine Gitarre in die Hand gedrückt und mir nahe gelegt, mich mit dem Instrument auseinanderzusetzen“, erzählt Chima, „und der ansatz über ein Instrument ans Stückeschreiben zu gehen, ist ein deutlich anderer, als im Rap, wo es einen Beat gibt und du dreimal 16 Takte lang hast, ohne Punkt und Komma, deine Geschichte zu erzählen. Melodien, Akkorde und Gesang eröffnen einem zwar bisher nie gekannte Möglichkeiten. Doch auf diesem Weg liegen auch andere Herausforderungen.“

Eine davon ist sicherlich der Umgang mit der Pause, dem Nichtspielen. Für einen Musiker sicherlich die größte Herausforderung. Aber auch die größte Chance. Nämlich die der Gestaltungsmöglichkeit eines Liedes mit der Pause.

„Und dann zu sehen, wie intensiv die Wirkung des Liegenlassens von Tönen ist“, fährt er fort, „ich habe spielerisch mehr Mittel, die Emotion zu bändigen, die im Rap oft nur unkontrolliert raus wollte. Ist das Nichtspeilen, diese Stille, nicht am Ende die wahre Kunst? Und ein Instrument?“



Innehalten

Dieser Kunst huldigt Chima auch im Titel seiner aktuellen Platte, sie heißt ´Stille´. Ist es nicht etwas Wunderbares für den Zuhörer, mit Stille im Lied beglückt zu werden. Hat er doch somit die Möglichkeit, sich zu dem Stück zu verhalten, etwas mit und in dem Stück für sich zu tun. Das ist aktive Kommunikation eines Künstlers, über den Weg einer Platte. Der Musiker hält inne und der Hörer legt los.

„Das Grundbedürfnis von Wesen ist es doch zu interagieren“, erläutert Chima, „und wenn ich als Musiker alles zukleistere, dann nehme ich dem Hörer jedwede Gestaltungsmöglichkeit. Ich mache unzweifelhaft mein Ding, aber der Hörer muss auch seins machen könne. Und genau hier lag in der Vergangenheit mein Fehler. Ich habe die Leute zugerapt bis zum Gehtnichtmehr. Die Texte waren super. Doch hat es teilweise Jahre gedauert, bis die Leute verstanden haben, worum es mir ging. Die Fülle dessen, was ich über ihnen ausgegossen hatte, war einfach zunächst mal nicht fassbar.“

Jetzt legt Chima auf ´Stille´ Stücke vor, aus denen die pure Seelenstärke aus der Reduktion gewonnen wird. Diese tragen dann so treffen Titelzeilen, wie ´Kleinigkeiten´. Die dazugehörigen Notenketten sind voller neuem Biss und eins können sie dennoch, sie animieren zum Tanzen.

All diese gemachten Erfahrungen der letzten Jahre führen bei Chima zu einer Erkenntnis, die er -wie könnte es andersein- wieder in einen Text gießt:

„Daher geh’ ich aufs Ganze. Keine, keine Angst mehr vorm Verlieren.“

Gab es in den letzten Jahren tröstlichere Worte? Und für alle, die es noch nicht wussten oder schon längst wieder vergessen haben, ruft es Chima erneut in Erinnerung: In der Ruhe liegt die Kraft! Die ist dann letztendlich so stark, dass es sogar zum „Fliegen“ reicht.

Aktuelles Album: Stille (Island / Universal)

Foto: Yves Borgwardt

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