(Anti- / Indigo)
Eigentlich hatte Nandi Rose Punklett alias Half Waif nach ihren eher düster gestimmten Glanzlichtern ´The Caretaker´ (2000) und ´Mythopoetics´ (2021) ein positiv ausgerichtetes Album im Sinn, mit dem sie ihren Weg bis zur Geburt ihres ersten Kindes nachzeichnen wollte, doch dann kam ihr das Schicksal dazwischen: Die amerikanische Ausnahme-Singer/Songwriterin musste nicht nur eine Fehlgeburt verkraften, sondern hatte anschließend aufgrund einer unvollständigen Behandlung auch noch monatelang mit medizinischen Komplikationen zu kämpfen. In den zu dieser Zeit entstandenen Songs für ´See You At The Maypole´ verarbeitet sie die Tragödie, ohne dabei je in Selbstmitleid abzugleiten. Vielmehr rückt Nandi Rose die Wichtigkeit ihrer Beziehungen zu anderen Menschen und zur Natur immer wieder in den Mittelpunkt. Zur Seite stand in dieser schwierigen Zeit ihr langjähriger Kollaborateur Zubin Hensler, der hier als Co-Produzent sowie an Gitarre, Bass, Percussion und Synth seine Spuren hinterlassen hat und dafür sorgt, dass die ungemein facettenreichen 17 Songs des in ein evokatives Cover gehüllten Doppelalbums trotz unterschiedlichster klanglicher Farbtupfer von Klarinette, Posaune, Kontrabass, Violine, Harfe und dem Khorikos-Chor aus New York ganz behutsam aufgeschichtet wurden und – dem Inhalt zum Trotz – oft mit klanglicher Leichtigkeit faszinieren. Mit dem textlich aufwühlenden, musikalisch aber trügerisch sanften ersten Song, ´Fog Winter Balsam Jade´, springt Nandi Rose gleich mitten hinein ins Gefühlschaos, wenn sie entschlossen singt: "I will not despair this time of year", aber uns auch an der erschütternden Wahrheit teilhaben lässt: "I'm burying a secret / that grew inside me like a moon". Auch in wunderbar warmtönenden Liedern wie ´Figurine´ oder ´Ephemeral Being´ zeigt sie keine Scheu vor Verletzlichkeit und findet in den scheinbaren Gegensätzen elektronischer und organischer Elemente ihren ganz eigenen Weg, zeitgenössische Klassik, Dream-Pop und Synthie-Seligkeit verschmelzen zu lassen. Besonders wirkungsvoll ist diese Gegenüberstellung beim Schlusssong ´March Grass´, bei dem flirrende Synths und Auto-Tune mit großer Selbstverständlichkeit auf satte Piano-Klänge und eine klagende Trompete stoßen und dabei Moderne und Traditionalismus bruchlos vereinen. Wenn sie einen Ort sucht, "where the world is bright", und am Ende zu dem Schluss kommt "I'm going to love my life", endet eine oft tieftraurige Platte auf einer positiven Note. Doch schon lange, bevor der letzte Ton verklungen ist, steht fest: Tiefgründiger und emotionaler, aber auch musikalisch perfekter könnte dieses Album kaum sein.Weitere Infos: halfwaif.com
Olymp
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