Zu sagen, dass der Erfolg Phoebe Bridgers sozusagen in den Schoß gefallen sei, wäre sicherlich nicht ganz richtig – denn die Basis für diesen Erfolg bilden schließlich ihre Songs – aber es ist fast schon unheimlich, wie sich ihre Karriere entwickelt hat: Nachdem sie sich zunächst mit ihrer Debütantinnen-Kollegin Julien Baker angefreundet hatte, die sie mit auf Tour nahm, kam es über ihren musikalischen Partner und Gitarristen Harrison Whitford zu einem Kontakt zu Ryan Adams, der - einen Tag nachdem er sie kennengelernt hatte - spontan beschloss, ihre EP ´Killer´ auf seinem Pax Am Label zu produzieren.
Anschließend wurde Conor Oberst auf Phoebe aufmerksam, der sie mit auf Tour nahm, dortselbst ihre Musik promotete und auf dem nun vorliegenden (von Mike Mogis gemischten) Debütalbum „Stranger In The Alps“ auch gleich als Duettpartner mitmachte. Über eine kollegiale Unterstützung braucht sich Phoebe Bridgers also sicherlich nicht zu beklagen. Vor allen Dingen aber überzeugt sie mit einem faszinierend eigenständigen musikalischen Stil, einer faszinierenden Bühnenpräsenz und einem Faible für morbide Themen. Keine schlechten Voraussetzungen also, um als kommende Indie-Ikone zu reüssieren. Was will uns denn der Titel des Albums - „Stranger In The Alps“ - sagen?„Was den Titel betrifft, bin ich mir noch nicht sicher, was er bedeutet“, meint Phoebe vieldeutig, „es kann ja entweder heißen, dass die Dinge in den Alpen seltsamer sind als anderswo, oder dass ein Fremder in den Alpen ist. Wichtig ist, dass ich selbst noch nie in den Alpen war – obwohl ich gerne mal hin möchte.“
Ist das Ganze also in der Art von Udo Jürgens „Ich war noch niemals in New York“ zu sehen - indem es also um einen Traum geht, den man sich stets aufrecht erhalten sollte?
„Vielleicht“, überlegt Phoebe, „das könnte auf eine unterbewusste Weise schon sein.“
Wie entstehen denn Phoebes Songs – die sich des öfteren gerne mal mit schrägen Charakteren wie z.B. Sid & Nancy oder gar mit Massenmördern befassen – wenn sie sich nicht gerade auf humorvolle Weise mit Beziehungsdramen auseinandersetzt?
„Das ist eigentlich immer verschieden“, erklärt Phoebe, „aber es gibt eine Leitlinie – das ist ein endloses Memo auf meinem Handy, auf dem ich Ideen für Texte festhalte. Und immer wenn ich mich mit meiner Gitarre hinsetze um zu spielen, schaue ich mir dann an, was sich an Ideen angesammelt hat. Das ist zuweilen ganz schön seltsam. Und ich schreibe auch meine Träume nieder – was auch seltsam sein kann.“
Und in diesen Träumen geht es ganz schön heftig zur Sache, oder?
„Ich habe definitiv in meinen Träumen so einiges getötet“, gibt sie zu, „das ist deswegen ein wenig komisch, weil ich mich eigentlich nie bewusst dazu entscheide, morbide Themen zu verfolgen. Das passiert einfach so. Ich habe das noch nicht so richtig analysiert – was ich aber vielleicht mal tun sollte, weil das schon einigen Leuten aufgefallen ist.“
Dabei könnte ja die eigene Musik helfen. Was war denn die treibende Kraft, die Phoebe überhaupt dazu brachte, mit der Musik ihr Glück zu suchen?
„Ich denke, der Wunsch Songs zu schreiben und zu spielen stand am Anfang“, meint sie, „aber ich stellte dann fest, dass ich mich auf der Bühne definitiv wohl fühlte – weswegen ich auch vermutlich immer weiter gemacht habe.“
Das scheint in der Tat ein wesentlicher Faktor gewesen zu sein, denn Phoebe Bridgers nimmt die Bühne und das Publikum mit einer Souveränität für sich ein, die jeden Zweifel im Keim erstickt und ihrem jugendlichen Alter eigentlich entgegen steht.
„Ich kenne viele Musiker, die ungern auf der Bühne stehen“, führt Phoebe noch aus, „für mich ist es aber das Beste überhaupt – deswegen schätze ich mich da schon glücklich, denn die Erfahrung auf der Bühne ist für mich auch ziemlich reinigend.“
Musik ist dann also auch eine Art von Therapie für Phoebe?
„Absolut“, räumt sie ein, „und zwar ist das meine einzige Art von Therapie.“
Was bei einer jungen Dame aus Los Angeles ja fast schon ungewöhnlich ist. Es zeigt aber, dass Phoebe Bridgers mit beiden Beinen fest auf dem Boden steht.
Aktuelles Album: Stranger In The Alps (Dead Oceans / Cargo)
Foto: Ullrich Maurer