Manchmal erhöhen Umwege die Ortskenntnis und so startete Daughters-Frontfrau Elena Tonra ohne Anhang ihre Karriere, um den Traum vom Musikerdasein in die Realität umzusetzen. Bald erkannte die Londoner Studentin jedoch, dass das alles nicht so easy läuft und gründete eine echte Band – die es mit dem Debüt ´If You Leave´ auf ganzer Linie besser macht und weiß, was sie tut: „Wir sehen darin die Möglichkeit uns selber Ausdruck zu verleihen und obwohl für mein Songwriting eine gewisse Isolation von Nöten ist, bin ich im Anschluss froh darüber, wenn Hilfe beiseite steht“, erklärt sie den Gedanken hinter der Band-Konstellation und öffnet musikalisch eine Welt, die noch mehr Preis gibt.
Sie sei keine Strategin, meint Elena Tonra auf die Frage hin, warum wir heute hier sitzen und über Daughter sprechen: „Ganz ehrlich? Es gab keinen Plan, mit dem die Sache wohl durchdacht ins Rollen gebracht wurde und sich ein Teil dem anderen fügte. Eher intuitiv entschied ich, wohin das mit Daughter führen soll und was ich eigentlich will.“Dabei geht die Chefin der dreiköpfigen Truppe gar so weit, zu behaupten, sie brachte sich sämtliche Instrumente einst per DIY-Prinzip selber bei. Ihre zwei Kollegen hingegen, Gitarrist Igor Haefeli und Drummer Remi Aguilella, lernte Tonra 2010 an einer englischen Universität für Musik kennen und war fasziniert von deren Talent und Wissen.
„Igor kannte ich schon etwas länger und mochte einfach, wie sehr er mit Effekten spielen konnte, ohne dass diese am Ende synthetisch klingen. Sondern so, als seien sie organisch entstanden und mit richtigen Instrumenten eingespielt. An Remi kamen wir dann nicht vorbei, weil ein Drummer unverzichtbar ist, wenn du solche Musik wie auf ‚If You Leave‘ machen willst.“
Das Debüt der drei Newcomer, die schon vor Veröffentlichung für allerhand Gesprächsstoff sorgten – nicht zuletzt der namhafte NME hievte Daughter bereits im August 2012 zum ´Act Of The Week´ ins Heft und erfuhr, dass ein Großteil der Songs auf Grundlage von negativen Jungs-Erfahrungen entstanden sei.
Darüber kann Elena Tonra inzwischen nur lachen, denn erstgemeint hat sie diese Aussage damals nicht:
„Ich wuchs wie jeder Teenager mit schmerzhaften Liebeserfahrungen auf und natürlich schreibst du anfangs genau über diese intensiven Gefühle deine Songs – hört man sich ‚If You Leave‘ genauer an, wird dieses Thema aber schnell obsolet.“
Derweil drängt sich zwischen weitflächigen und hochsensiblen Breitwandpop die Frage auf, ob es wirklich der Tod ist, der sie fasziniert – so offen, wie die Platte ihn thematisiert? „Etwas harsch, oder?“, lacht Tonra zurück und sucht nach Verständnis für diese Art des Songwritings, das überhaupt nicht zu ihrer schüchtern wirkenden Erscheinung passt:
„Auf Tour verbringe ich viel Zeit alleine, wasche meistens die Sachen der Jungs und von mir selbst. Dabei schaue ich manchmal auf die Kleidung und denke mir, wie lange hält sie die Belastung noch aus? Es ist eher das unkalkulierbar Vergängliche am Thema Tod, dass mich als Musikerin und Frontfrau von Daughter reizt.“
Schön und gut, aber was sagen die Eltern, die ihre Tochter vor kurzem für viel Geld auf eine Musikuniversität schickten, zu solch extremen Inhalten?
„Eigentlich war schon immer mein älterer Bruder der, der mich unterstützte und sowohl meine Mom, als auch mein Dad wollten einfach nur, dass ich etwas mache, was mir gefällt – insofern okay für sie.“
Allerdings gibt Tonra zu, dass die abendliche Performance bei einem Konzert schon an die Nieren gehen kann, gerade weil ein Newcomer stets das Gefühl habe, dieser oder jene Abend könne der letzte sein:
„Also hängen wir uns rein und genau hier schätze ich die Unterstützung von Igor und Remi. Sie holen mich nach einem Gig ab. Da die Inhalte nicht von ihnen sind, verstehen die beiden den Fokus auf das gemeinsame Spielen und den jeweils gelungenen Abend zu lenken. Darum wollte ich irgendwann keine wechselnde Besetzung mehr und bin froh darüber, dass wir drei uns gefunden haben.“
Von den luxuriösen Träumen, die Elena Tonra als Teenager von der Musikwelt hatte, ist sie aktuell weit entfernt – was sich allerdings mit ´If You Leave´ ändern könnte, denn an Zuspruch mangelt es dem Erstling in Großbritannien nicht. Die Hürde aufs europäische Festland zu nehmen, soll der nächste Schritt sein.
Guter Plan, dann erledigt sich die schmutzige Wäsche bald auch wie von selbst.
Aktuelles Album:If You Leave (4AD/ Beggars Group / Indigo)
Foto: Eliot Lee Hazel