I’m Not A Blonde ist eine der interessantesten Bands der Stunde. Auf ihrem neuen Album ´Under the Rug´ ziehen Chiara Castello und Camilla Matley mit ihrem wirkungsvollen Synth-Pop ihr Publikum in ihren Bann und singen ganz nebenbei wunderbar pointiert und lyrisch vom Facettenreichtum der Angst. Gitarristin Castello über Geschichten über sie selbst, den Unterschied zwischen Mädchen und Frauen und ihrem Wunsch als Feministin.
Würdet ihr ´Under the Rug´ als Konzeptalbum bezeichnen?“Ja, obwohl das Konzept von Anfang an nicht klar war. Wir fingen einfach an zu schreiben – sowohl Musik als auch die Texte, ohne uns entschieden zu haben, worum es gehen sollte. Als die ersten Songs herauskamen, erkannten wir ihre Gemeinsamkeiten. Ich denke, dass es immer das Gleiche ist: Es spiegelt den ganz persönlichen Moment wider, in dem wir leben.”
Ihr erzählt auf ´Under the Rug´ neun verschiedene Geschichten. Handeln sie alle von euch und Sachen, die ihr selbst erlebt habt?
“Nun, ja, Sie handeln von uns, aber nicht immer in der Art, wie es tatsächlich passiert ist. Die Gefühle hinter den Songs sind immer etwas, das wir persönlich erlebt haben. In ´Not That Girl´ bin ich zum Beispiel das Mädchen, das sich wie eine Verliererin fühlt und von allen gemocht werden möchte. Ich hatte aber nie einen berühmten Freund, der beim Fernsehen oder Radio gearbeitet hat.”
Habt ihr manchmal Angst, zu viel von euch selbst in euren Songs preiszugeben? Euch also noch verwundbarer zu machen?
“Ja, natürlich. Ich schätze, das ist eine weitere Art und Weise, wie sich die Angst präsentiert – und so wieder ein Teil des Konzepts des Albums. In einigen Songs passiert dies besonders, wie zum Beispiel ´Daughter´ oder ´Too Old´, aber das Interessante ist, dass wir am Ende mehr von uns enthüllen, wie mehr mit Menschen in Kontakt kommen und die Zuhörer sich wirklich mit unserer Musik verbinden können. Und das ist wirklich schön.
Ich bemerkte, dass ihr viel über „girls“ sprecht. Würdet ihr euch selbst als Mädchen oder als Frauen bezeichnen? Macht es für euch einen Unterschied?
“Ich schätze, ich würde mich als Mädchen und Camilla als Frau bezeichnen. Manchmal streiten wir auch darüber. Aber es macht einen Unterschied. Sie repräsentieren zwei verschiedene Momente im Leben. Deine Wünsche und Ängste ändern sich und auch die Art und Weise, wie du all diesen Emotionen begegnest.”
Fast jeden Tag merke ich, dass es sehr schwierig sein kann, eine Frau zu sein. Man hat immer den Druck, gut auszusehen, die ganze Zeit zu lächeln und härter zu arbeiten als die männlichen Kollegen. Wie ist es denn heute, in einer rein weiblichen Band zu sein?
“Es ist so, wie du es beschrieben hast. Nur, dass es uns egal ist, zu lächeln, wenn wir keine Lust dzau haben. Scherz beiseite. Es ist frustrierend zu sehen, dass so viele gute Songs, die von Frauen gesungen werden, darum kämpfen müssen, in Spotify-Playlists zu kommen – zumindest ist das in Italien so – und zu bemerken, dass manche Berufe wie Ton- und Lichtingenieure immer noch hauptsächlich von Männern besetzt und Frauen aus diesen Rollen quasi „verbannt“ sind.”
Feminismus ist seit einigen Jahren ein großes Thema. Wurdet ihr als Feministinnen erzogen – zeigten euch Leute, dass etwas falsch und unfair läuft?
“Der Feminismus ist eine Welle, die vor mehr als 100 Jahren geboren wurde und wie alle Wellen ihre Höhen und Tiefen hat. Ich denke, nach den 60ern und 70ern war so viel erreicht, dass der Druck von den Frauen nachgelassen hat, also haben uns unsere Mütter auch überhaupt nicht als Feministinnen erzogen. Aber während wir aufwuchsen, bemerkten wir – glücklicherweise und unglücklicherweise auch durch die Sozialen Medien – dass Frauen immer noch nicht in einer sicheren und gleichberechtigten Position sind wie Männer. Ich weiß nicht einmal, ob man uns feministisch nennen kann. Bin ich das, weil ich die Straße entlanggehe und keine Angst habe? Oder weil ich E-Gitarre spiele? Oder weil ich weiß, was eine D.I. Box ist? Oder weil ich meine Musik produziere und schreibe? Oder weil ich mehr Frauen sehen möchte, die mich – und Männer – im Parlament vertreten? Jede Frau sollte eine Feministin sein, denn es ist so offensichtlich, dass das, worum wir bitten, als Normalität betrachtet werden sollte.”
Aktuelles Album: Under The Rug (Backseat)