„Ich hatte das Gefühl, ich müsse etwas Interessanteres machen.“ Joseph Mount ist Gründer und Mastermind der britischen Elektro-Pop- und Indietronic-Band Metronomy. Nachdem er bereits zu Schulzeiten in einigen Bands Schlagzeug gespielt hatte, experimentierte er irgendwann auch mit einem alten Computer seines Vaters herum, kreierte Sounds und Musik. 1999 war das, da hatte er auch die Idee für den Namen Metronomy. Vor genau zwei Dekaden war das – happy birthday!
„Es ist 20 Jahre her, dass ich mir Gedanken um den Namen gemacht habe, nicht aber 20 Jahre seit dem ersten Album. Aber ja, es ist noch immer das, was ich schon als Teenager machte. Eine lange Zeit, ein runder Geburtstag“, lacht Mount im Interview. Pünktlich zu ebendiesem Geburtstag veröffentlicht der Künstler nun mit seinem Kollektiv das mittlerweile sechste Album. Der Titel ´Metronomy Forever´ klingt dabei nach einem Best Of-, Goodbye- oder Comeback-Album. Wie etwas Großes, das nur aus der Hand einer historischen Band entstehen konnte.„Für mich ist es all das, ich finde den Titel perfekt“, sagt Mount geradeheraus. „Ich bin mir bewusst, wie Titel konnotiert werden können. Ich wollte etwas Mehrdeutiges, ein Statement. Egal wo ich stehe – in der britischen Musikszene oder generell – das Album fühlt sich wie ein besonderer Moment an. Ob es nun ein Jubiläums-Album ist, für eine Feier steht, oder nicht, es ist dennoch signifikant und honoriert auf seine Weise die letzten Jahre.“
´Metronomy Forever´ ist nicht über Nacht entstanden oder wurde in ein paar Stunden geschrieben, sondern das Ergebnis eines langen Prozesses. Vieles sei einfach aus dem Moment heraus entstanden, so der Musiker, und manches quasi nebenbei, während er mit Robyn zwei Jahre lang an ihrem Album ´Honey´ arbeitete.
„Richtig auf meine Musik und mein Album konzentrieren konnte ich mich allerdings erst als Robyn und ich mit ihrem fertig waren.“
Richtig los ging es also erst im Sommer 2018.
Insgesamt 17 Tracks schrieb Mount in seinem Studio; manche funkig, manche poppig, ´Lying Low´ sogar komplett ohne tatsächliche Instrumente und nur am Computer entstanden – manche aber auch sehr kurzgehalten oder reine Instrumentals. Starke Songs wie ´Walking In The Dark´ und ´Upset My Girlfriend´ werden so durch ´Insecure´ und ´Miracle Rooftop´ getrennt, den Hits eine Pause gegönnt. Es erinnert ein wenig an das Radio oder an zufällig arrangierte Playlisten, bei denen man sich einfach überraschen lässt.
„Genau das sind die Songs, die mir halfen, das Album überhaupt fertigzustellen. Andere Wege zu finden, mich auszudrücken“, erinnert sich Mount. „Wenn man so lange Musik macht, Alben schreibt und veröffentlicht wie ich, beginnt man, wirklich mit und in der Musik zu operieren. Sachen und Sounds, die einen jahrelang umgeben, beginnen, in die eigene Kunst miteinzufließen.“
Ein großer Teil des Entstehungsprozesses des neuen Albums sei für Mount gewesen, darüber nachzudenken, wie man Musik und Sounds freier und abstrakter machen kann. Gerade für ihn, der vor allem zu Beginn nur Musik ohne Gesang schrieb, keine unlogische Entscheidung.
„Als ich anfing, Musik zu machen, waren es ausschließlich Instrumentals und die Konstruktionen bestanden nur aus Loops und daraus, Elemente hinzuzufügen oder wegzunehmen. Als ich mit dem Singen begann, verlor ich dieses Können allerdings. Mein Problem war, nicht mehr zu erkennen, wann ein Song auch ein gutes Instrumental ist – ich wollte lange auch gute Texte ergänzen. Nun überlegte ich, was ich mir genau für den Song wünsche, was passieren soll. So schaffte ich es schließlich, mich wieder daran zu erinnern, wie ich früher Musik gemacht habe.“
Back to the roots heißt es für Metronomy also – zumindest teilweise. ´Metronomy Forever´ klingt frisch und unerwartet. Das Kollektiv zeigt sich modern, gleichermaßen schwelgt es aber auch in Erinnerungen an die Anfangstage. Sie überraschen, kümmern sich nicht um Trends der heutigen Zeit und klingen wahrscheinlich auch deshalb so gut.
„Einen Dreiminüter zu schreiben und Vocals hinzuzufügen, ist der einfachste Weg, das Offensichtliche. Ich hatte das Gefühl, ich müsste etwas Interessanteres machen.“
Etwas Interessanteres – das bedeutet in diesem Fall auch etwas, das viele absichtlich vermeiden. Pop-Musiker zum Beispiel, die alles daransetzen, dass ihre Songs auch gehört und bei den gängigen Streaming-Diensten nicht schon nach ein paar Sekunden geskippt werden, weil sie den Nutzern nicht spannend genug sind. Ja, auch Spotify-Edits sind nun ein Ding.
„Wenn diese Künstler ihr Songwriting ändern, damit ihre Tracks mehr Klicks und Plays bekommen – okay. Ich fühle mich aber nicht genötigt, dies auch zu tun. Ich denke nicht, dass ich etwas in so großem Ausmaß ändern muss, um die Aufmerksamkeit der Leute zu bekommen. Ich höre auch für über Streaming-Dienste und kaufe keine Alben mehr, aber ich werde dennoch nicht ungeduldig. Ich liebe es, dass man so viel Musik zur Auswahl hat und man sie einfach laufen lassen kann“, schwärmt Mount.
„Wenn man das Gefühl hat, dass Musik mehr und mehr zu einer Dienstleistung als zu einer Kunst wird, dann kann man auch damit argumentieren, dass CDs auch nur ein Produkt und keine Kunst waren. Eben eine Art, Musik zu monetarisieren. Ich glaube, dieses Gefühl kommt immer auf, wenn etwas Neues auf den Markt kommt. Man kann Spotify beispielsweise als diese riesige Firma sehen, die die Musiker nicht anständig bezahlt und auf deren Plattform die Songs nur geskippt werden – man kann es aber auch positiv sehen und als etwas, das den Druck mindert und das Platzproblem wegnimmt. Auf einem Album können nun so viele Songs sein, wie man möchte. Die Künstler werden dadurch freier. Ich könnte 26 Ambient-Songs veröffentlichen oder mehrere 30-Sekünder und niemand dürfte sich beschweren, weil niemand mehr für die einzelnen Songs bezahlt. Es liegt immer in der Hand der Musiker, Musik zu mehr als einer Dienstleistung zu machen.“
Joseph Mount gelingt dies nicht nur mit seiner Musik an sich. Textlich ist ´Metronomy Forever´ pure Nostalgie. Er singt vom Verliebtsein und Alleinsein, von Hingabe, Unsicherheiten und Vertrautheit. Zeilen wie „I’ve been waiting around for someone like her to get in contact with me. She could be the greatest, I know she’d be the greatest if only she was open to see me. It’s alright though ‘cos I got time, time isn’t my essence, and time isn’t a line. It’s alright though, she’ll give me a buzz, I’ll call her my baby and she’ll call me her cuz“ (´Lately´) oder „She’s gliszening, like a fresh minted quarter. She’s the squash in my water. She’s so posh may I court her, ma’am. She’s like a dream, salted caramel ice cream. Oh god she’s coming, don’t look up, I’ve got to do this, I’ve got to do it right“ (´Salted Caramel Ice Cream´) rufen unwiderbringlich Erinnerungen an die eigene Teenager-Zeit hervor. An die Nervosität, wenn der Schwarm plötzlich im selben Raum ist, an die Angst, sich zu blamieren. Aber auch an die Hoffnung, dass man vielleicht endlich bemerkt wird.
„Ich denke, dass die Lyrics in Pop-Songs meistens von Jugend handeln. Wie es ist, sich jung zu fühlen, dass man sich wünscht, wieder jung zu sein. Musik zu lieben und sich jung zu fühlen, ist ein sehr machtvolles Gefühl. Ich denke, wenn ich Musik und Texte schreibe, fühle ich mich genauso – obwohl ich kein Teenager mehr bin, sondern eine gänzlich andere Person. Es fühlt sich aber einfach richtig an.“
Nach schlussendlich doch jahrelanger Arbeit veröffentlicht Joseph Mount nun mit seinem Jugendprojekt Metronomy pünktlich zum 20. Geburtstag – oder zumindest Namenstag – Album Nummer sechs. Sein persönliches Radio. Eine Playlist mit Hitpotenzial und zugleich Momenten zum Luftholen, Entspannen und Verschnaufen. ´Metronomy Forever´ ist so eben doch das, was der Titel verspricht: Eine Mischung aus Best Of-, Goodbye- und Comeback-Album. Altbewährtes, trifft Wiederaufgenommenes und Neues.
„Der wichtigste Einfluss war, dass ich mich an dem Punkt in meinem Werdegang befand, an dem ich genau wusste, wer ich als Musiker bin und für wen ich Musik machen möchte. Über diese Sachen nachzudenken, brachte mich zu den Dingen, die mich inspirierten. Das Album zu machen wurde an sich zur größten Inspiration.“
Aktuelles Album: Metronomy Forever (Because / Caroline) VÖ 13.09.
Foto: Michele Yon