„Es ist schön hier in Deutschland, weil die Journalisten nicht nach meiner Lieblingsfarbe oder Leibspeise fragen.“ Verdammt, der vermeintlich geplante Einstieg ins Interview war damit unmöglich. Obwohl die Welt dort draußen ganz bestimmt die Antworten auf jene Fragen wissen wollte. Auch die Bedeutung des Bandnamens Sons And Daughters und die Hobbys von Gitarrist Scott Patterson interessieren sicher sehr. Aber noch sicherer ist: ein derartiger Standardfragenkatalog hätte Scott verständlicherweise vergrault, diesen Sympathen, der leidenschaftlich und viel lieber über Musik redet.
Allein sitzt er da, ohne Sängerin Adele. Es war der Fisch, der ihr eine schlaflose Nacht bescherte. Nun muss sie den Schlaf am Interviewtag nachholen und Gitarrist Scott notgedrungen allein Rede und Antwort stehen, mit seinem glasklaren Glasgow-Slang. Dieser Akzent bietet erneut vortreffliche Anknüpfungspunkte für Standardfragen aus den Bereichen Franz Ferdinand, Mogwai, Belle And Sebastian und Arab Strap. Auf diese Namen, Verbandelungen und Szeneeinblicke kommt Scott aber von ganz allein zu sprechen:„Das waren für Glasgow fast Beatles-ähnliche Zustände damals, als die Hysterie um Franz Ferdinand losging. Es war schon verrückt, aber zugleich auch sehr schön, dass dort deine langjährigen Freunde so dermaßen abgehen.“
Dabei hätte anfangs niemand gedacht, dass es soweit kommen würde. Denn in Glasgow ist musikalisch nur wenig vorhersehbar. Der Stadt fehlt eine klar definierbare Szene, was Scott sehr zu schätzen weiß.
„Es ist eher eine Atmosphäre, die ausschließlich Individualität längerfristig duldet.“
Anders ausgedrückt: Du musst einen eigenen Sound haben. Und wenn du ihn nicht hast, musst du ihn suchen, schließlich will niemand einen zweiten Aufguss des Besonderen und Bestehenden hören.
„Diese Suche macht die bunte Szene in Glasgow so interessant und eigen.“
Und wo haben Sons And Daughters nun mit dem neuen Album ihren Platz gefunden?
„Um das zu beantworten, muss man es mit Kopfhörern gehört haben“, sagt Scott, „denn es ist ziemlich viel im Detail und Hintergrund versteckt.“
Dafür hatten sie sich diesmal auch bewusst Zeit genommen. Neun Wochen haben sie gemeinsam mit Bernard Butler, dem ehemaligen Suede-Gitarristen, darauf verwendet, um ihren aktuellen Sound-Status Quo zu finden. Relativ gesehen ist das ultrafix, werden Wochen doch auch gut und gerne mal zu Monaten und eine Produktion damit zu einer gefühlten Schwangerschaft.
„Neun Wochen waren perfekt. Wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, hätten wir nur alles gebändigt und damit verfälscht. Je mehr Zeit du im Studio hast, desto größer ist die Gefahr, dass du dich verzettelst und in Kleinigkeiten verirrst.“
Eine Deadline ist oftmals lebenswichtig, um den Absprung zu finden und die Musik in ihrer Essenz nicht zu zerstören. Andernfalls droht man die Musik mit Firlefanz eigenhändig zu ersticken:
„Ich habe mal gehört, dass eine Band irgendwann im Studio an einen Punkt gekommen ist, an dem sie sich über etwas mehr oder weniger Reverb auf dem Tamburin in die Haare gekriegt hat. Das ist doch totaler Wahnsinn.“
Ein völlig anders gearteter Wahnsinn ist für Scott der Umstand, dass er auf dem neuen Album eine Gitarre von Johnny Marr, dem ehemaligen The Smiths- und mittlerweile Modest Mouse-Gitarristen, spielen durfte. Marr ist ein langjähriger Freund von Produzent Butler. Bernard brachte Scott während der gesamten Session mehrere Gitarren in den Aufnahmeraum, mal diese, mal jene - und irgendwann eben auch diese eine Gitarre, die Johnny Marr früher gespielt, dann aber Bernard geschenkt hatte. Scott freut sich heute noch wie ein kleines Kind, wenn er davon spricht. Aber nicht nur aus diesem Grund ist Butler in Scotts Augen der perfekte Produzent für „The Gift“ gewesen.
„Auch, weil er so vertraut mit der Musik ist, die wir lieben. All diese 60s-Popmusik, Phil Spector, Blondie und The Smiths. Er kennt all das in- und auswendig und weiß, wie man ganz besondere Stimmungen einfängt.“
Mit ihm hat sich die Band mehr denn je und ganz bewusst einer poppigen Stimmung, also der sonnigen Seite Glasgows, zugewandt, ohne dabei die melancholische Dauerregenzeit ihrer Umgebung verbergen zu wollen. Eine Eigenheit, die sich speziell unter Kopfhörern entfaltet. Dort, wo man Johnny Marrs Gitarre auch zu fühlen meint.
Aktuelles Album: The Gift (Domino / Rough Trade)
Foto: Danielle St Laurent