QUICKSILVER
Los gebt's zu, ihr wollt es doch auch! Ihr wollt, dass wir hier mit mehr oder weniger Herzblut fabrizierte Musik gnadenlos ver- und zerreisen, bis uns ebenjenes Herzblut bis zu den Knöcheln steht. Allerdings hat es jemand wie SEBASTIAN HÄMER auch nicht anders verdient, denn sein "Schattenmann"(Wannsee Rec./Sony) ist ein Machwerk, dass ich nach den ersten Sekunden des zweiten Songs aus Hygienegründen für immer aus meinem CD-Player reißen musste. Weinerlicher DeutschSoulPop ist schlimm, wer aber allen Ernstes "Der Blaue Planet" der schleimigen Ostrocker Karat völlig ironiefrei covert, sollte...egal. Ganz schrecklich! 0Was könnte "Die Entmachtung des Üblichen" sein? Ganz einfach, der Untertitel einer mit ungelenkem, in der Eigenwahrnehmung aber ganz bestimmt höchst essentiellem, am Klavier dahin dilettierten kleinkünstlerischem Songwriterkram prall gefüllten CD. SEBASTIAN KRÄMER "Tüpfelhyänen"(Reptiphon/Broken Silence) - ab dafür. 1
An "A See Of Trees"('A' Recordings/Cargo) von THE BLUE ANGEL LOUNGE kann man erkennen, was übermäßiges Fantum anrichten kann. Ein offenbar recht verzweifelter Mann, der wie Nico klingen möchte - das kann nur im absoluten Ausnahmefall gut gehen. Hier nicht. 2
"Hylas"(Island/Universal) des in Berlin lebenden Holländers THOMAS AZIER, ein von Beliebigkeit strotzendes Stück elektroquietschenden EuroSoulPops, ist im Grunde auch eine reine Ressorcenverschwendung. 2
Appetitlicher sind da schon die von heftigen StrukturBeats und feinem Damengesang geprägten tracks der HEARTSREVOLUTION auf "Ride Or Die"(Kitsuné/Idol). Party voller Härte bzw. die Motown-Fassung von Atari Teenage Riot. 3
Richtig in die Fresse hauen uns THE CHIKITAS mit "Distoris Clitortion"(Snowhite/RTD). Fetter, aber auch ausgereifter Riot-Girrl-Rock, der doch unmöglich von zwei Genferinnen stammen kann?! Keinesfalls nur "LALALA", sondern wirklich "Meet Your Trouble"! 4
Wer danach etwas Entspannung braucht, kann gern zu "Invocation"(Agogo Rec./Al!ve) von GABRIELE POSO greifen. Der sardische Perkussionist hat sein freundlich-ambientes GlockenSynthieKlingeln zu einem keinesfalls langweiligen Album gestreckt. 3
Der Kanadier CHRISTOPHER BISSONETTE entglitt für seine "Essays In Idleness"(Kranky) keineswegs ins süße Nichtstun, sondern kreierte mit Synthesizer (oder doch effektgeladenen Gitarren?) einen ebenfalls Ambient-geprägten, hier aber noch etwas strenger konstruierten, von schwebenden Akkorden widerhallenden, zuweilen beinahe "dronigen" Klangraum. 4
Mit viel Hall, Mädchengesang und dezentem Gitarrenspiel kommen uns YOUNG MAGIC auf "Breathing Statues"(Carpark). Eigentlich genau wie der Dreampop der frühen 90er, heute aber mit ganz leichtem BreakBeat-background. 3
RODRIGO Y GABRIELA haben in Ixtapa/Mexiko mit "9 Dead Alive"(Ruby Works/PIAS) ein Konzeptalbum aufgenommen, das sich mit den Mitteln klassischen "acoustic rocks" an 9 Persönlichkeiten annähert, die zwar schon (z.T. lange) tot sind, aber nach Meinung der Musiker in unsere Zeit nachwirken. Ob das nun Gitarrengewichse ist oder Dostojewski, Nansen und Eleonore von Aquitanien uns durch die 2 x 6 Nylonsaiten wirklich etwas sagen, könnt ihr gern selbst entscheiden. 3
Der Franzose FRED RASPAIL spielt am liebsten allein, auf "French Ghost Songs Part II"(Gutfeeling/Broken Silence) ergeht er sich dabei in einer herrlichen Orgie aus Shuffle und Heulgesang, Hall und Twang, aus Cramps'schem VoodooBlues und "chansons sordide". 4
DELANAY DAVIDSON ist davon auf "Swim Down Low"(Outside Inside Rec./RTD) klanglich gar nicht so weit entfernt, nur etwas sauberer und ein wenig tiefer im SüdstaatenSwampBlues versunken. 3
LOU MARCO hingegen spielt "Sous La Peau"(ZZ Prod./Broken Silence), also "unter der Haut" etwas zu stark mit Mainstreameinflüssen. Dabei hat ihr elektronischer ChansonPop durch den leicht düsteren Touch durchaus das Zeug zu mehr. 3
Verspielter, in den anregenderen Momenten gar etwas an die fantastische Anna Depenbusch erinnernd, tanzt die Jazzsängerin Sabine Müller mit SEIDE durch "Der wilde Mohn"(Contemplate Music/Edel Kultur). Wären da nicht die vielen Momente mit schwüler Billighotelbarbeschallungs-Atmosphäre (man wartet förmlich, das #aufschrei-Brüderle sabbernd eine Flasche Wein ordert), könnte ich mich mit diesem Album besser anfreunden. 3
LE-THANH HO präsentiert ihre "Zellophan"-EP(Divine Rec./Broken Silence) da wesentlich aufgeräumter. Akustikgitarre, Viola und eine zarte Stimme reichen, um uns ein paar Minuten in das kleine Reich guten deutschsprachigen Chansons zu entführen. 4
Welch Kontrast dazu sind FARBEN & JAMES DIN A 4. Jan Jelinek und Dennis Busch zwitscher-zischen sich durch mit manchmal ganz smoothen Basslinien und beats unterlegte Sample-Mosaike, die so herrlich abstruse Namen wie "Heimkehr der Vulgaren" oder "Helfen im Sitzen" tragen. Die bunte Palette "farben presents James DIN A 4"(Faitiche/Morr Music) kann man daher durchaus empfehlen. 4
CLUSTER waren da stets strenger verspielt, auch auf ihrem jetzt bei Bureau B/Indigo re-editierten Album "Apropos Cluster". Das erschien 1990 nur auf dem US-Minilabel Curious Music und markiert die Ankunft von Roedelius/Moebius im Digitalen. Wenn auch noch etwas tastend und klanglich unterm Zenit: ein bisher unbeachtet gebliebener Schatz. 3
Das KRONOS QUARTET spielt sich auf "A Thousand Thoughts"(Nonesuch(Warner) durch eine so große Menge von Einflüssen (vom nordischen "Tusen Tankar" über DeltaBlues und Asiatisches bis zum "Danny Boy"), dass mir die Kraft des verdienten, seit 40 Jahren bestehenden Streichquartetts hier schon fast zu sehr verwässert wird. 2
Umso packender, wie es VÄÄRT auf "Det kommer ett skalv"(Westpark/Indigo) verstehen, skandinavische Folklore und Stadionrock zu Pophymnen zu verschmelzen. 4
Auch der von einer zarten Gitarre, sanften perkussions und ihrer einfach schönen Stimme geprägte, dabei äußerst vitale Kamerun-Pop auf KAREYCE FOTSOs CD "Mokte"(Contrejour/Broken Silence) ist nicht nur für Weltmusik-Fans ein Tip. 4
Genau wie die "Fados de Amor"(ARC Music) von RODRIGO COSTA FELIX, wo mir besonders das schön flott arrangierte Duett mit der stimmstarken Kátia Guerreiro gefiel. 4
Und natürlich müsste man über "Zusammen"(Edel Germany) mehr sagen. KEIMZEIT, die (guten) alten OstBluesRocker mit Popappeal ließen sich vom FILMORCHESTER BABELSBERG verführen, kleine große Hits wie "Maggie", "Singapur", das unvermeidliche "Kling Klang" und auch neuere Stücke mit Streicherguß zu überzuckern. Zu selten sind die Arrangements spannend, zu rar die Momente, wo den Songs eine neue, bisher unbekannte Facette abgewonnen wurde. Nur als verliebte "Best-Of"-Schmusevariante brauchbar. 3
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