Kurz nach dem Release von „Pilot“ in ihrer Heimat Norwegen dürfen auch wir in den Genuss des flammneuen Soloalbums der 29-jährigen Kari Rueslatten kommen. Und ihre Stimme ist nicht nur auf Tonträger bezaubernd, sondern entpuppt sich auch am Telefon als polarisierend und bestimmt. Eine Frau, die weiss, was sie will...
Nach zwei Solo-Alben, die fast ausschließlich in Norwegen erschienen sind und leider nicht allzu erfolgreich waren, eröffnen sich nun neue Möglichkeiten durch Lizenzvergaben nahezu rund um die Welt. „Ich war durch die „Norway only“-Veröffentlichungen schon sehr eingeschränkt, wollte aber viel mehr Reisen und schließlich mein neues Album in London aufnehmen. Ich brauchte einfach mehr Freiheiten.“ Somit auch die Freiheit, kaum Instrumentierung zur Begleitung ihrer wunderbaren Stimme zu benutzen. „Ich wollte von vorne herein minimalistisch arbeiten. Mir war es sehr wichtig, nicht allzu viele Instrumente einzubringen. Wenn Du in moderner, programmierter Musik einen Beat hörst, ist er eigentlich ein Produkt aus mindestens fünf Beats, nur, damit es sich fetter anhört. Dagegen wollte ich lieber die Basis des Klangs erhalten - die Idee des „less is more“ eben. Da ich alles selbst arragieren und produzieren wollte, musste ich viel lernen. Dazu hätte ich nicht nach London gehen müssen, wäre ich aber in Norwegen geblieben, wäre die telefonische Nachhilfe wohl ins unermessliche gestiegen.“ Vorteil Kari: bei allen bisherigen Produktionen, an der sie teilgenommen hat, konnte sie den Meistern hemmungslos über die Schulter blicken und sich vieles aneignen, war sie doch „nur“ für einige Gesangsparts beschäftigt. „Eigentlich lernt man aber nur, wenn man sich alleine vor das Problem setzt und so lange schraubt, bis es funktioniert.“ Das Ergebnis kan sich hören lassen und wird von der Künstlerin selbst wie folgt beschrieben: „Minimalistisch, melancholisch, düster, melodisch, und alles ergibt im Zusammenhang einen Sinn. Wenn man das Album in voller Länge anhört, findet man heraus, dass die Songs alle Teil des gleichen Universums sind.“ Schön gesagt, aber wo rührt all das her? „Definitiv aus der Natur! Ich mag die Ruhe und Schönheit der Wälder, werde aber auch von vielen Leuten inspiriert. Einfach von dort, wo sich mein Herz und meine Seele im entsprechenden Moment befindet.“ So ist das halt in Oslo: Natur, so weit das Auge reicht und eine Menge Leute mittendrin. In Sachen Songwriting ist Kari auch eher etwas unkonventionell. „Ich habe immer zuerst einen Text vorliegen, und die Wörter schreiben quasi vor, wie die dazugehörige Musik zu klingen hat. Diese Melodien schreibe ich dann auf dem Piano. Danach weiss ich, ob noch andere Instrumente hinzukommen müssen. Das ist eine reine Gefühlsangelegenheit.“ Eine solche Vorgehensweise muss allerdings nicht unbedingt auf Musik schliessen lassen, oder muss jedes Wort vertont werden? „Meine Lyrics sind geschrieben, um gesungen zu werden. Das wirkt halt einfach zusammen.“ Auch, wenn sie von einem fremden Künstler interpretiert werden? „Vor Jahren hat eine junge Schülergruppe mein erstes Album als eine Art Theaterstück aufgeführt, das hat mich sehr berührt und es funktionierte.“ Auch Kari mag die Live-Umsetzung ihres eigenen Materials. Und auch diese ist nicht gerade gewöhnlich. „Es ist eine Mischung aus elektronischen und akustischen Instrumenten, ähnlich wie auf Platte, jedoch wesentlich intensiver und dynamischer. Die Bühne ist dunkel gehalten und irgendwie märchenhaft beleuchtet.“ Da dies meist in intimen, kleinen, bestuhlten Clubs stattfindet, kann sich der Zuhörer auch wirklich auf die Musik konzentrieren. „Die Leute sollen lauschen, atmen, relaxen. Zu meiner Musik tanzt man nicht! Ich bewege mich dazu, aber Herumspringen ist einfach nicht drin!“ Ich übe Gehorsam und höre zu. Sehr gerne.Aktuelles Album: Pilot (Prophecy/Soulfood)