Nach ihrer großartigen Anti-Hauptstadt-Hymne ´Geh doch nach Berlin´ hat Angelika Express so einiges durchgemacht: Vertrag beim Majorlabel, Auflösung und Wiedergeburt unter veränderten Vorzeichen, was dazu führte, dass Angelika Express auf der VÖ. ´Golden Trash´ singulär für Frontmann & Mulitiinstrumentalisten Robert Drakogiannakis stand und die Produktion mit dem Verkauf von ´Angelika-Aktien´von je 50 Euro finanziert wurde. Doch der wesentliche Unterschied zwischen den einzelnen Veröffentlichungen ist inhaltlich.
„Auf der letzten Platte ´Alkohol´ stand der Hedonismus auf dem Prüfstein. Dieses Konzeptalbum wurde genutzt um mal mit diesem ganzen Themenkomplex Party & Exzess abzuschließen. Damit der Kopf für die existenziellen Themen des neuen Albums ´Letzte Kraft Voraus´ frei wurden. In Sachen Haltung und musikalischer Herangehensweise stehen vor allem engagierte Punkbands der späten 70er Pate. Bands mit positiver Energie wie z.B. Stiff Little Fingers, X-Ray Spex, Jam & Clash. Angelika Express ist definitiv kein Spielplatz für musikalische Innovation.“ Das neue Album besticht vor allem durch ein großkariertes Miteinander von Garagenbeat bis Powerpop. Was es sonst noch so mit Angelika Express & ´Letzte Kraft Voraus´ auf sich hat, beantwortete im folgenden Mastermind Robert Drakogiannakis himself.Gab es in der Vita von Angelika Express personelle Umbesetzungen und was waren die Gründe dafür?
„Angefangen haben wir 2002 zu dritt als reine Herrencombo. Nach einem Majordeal bei Sony und 2-3 Jahren hartem Touren haben wir uns nicht mehr ausstehen können, gingen getrennte Wege. 2008 wollte ich aber unbedingt weitermachen und habe Dani das Bassmädchen sowie Caddy dazugeholt, den berüchtigten D-Punk-Trommler. Später sind noch Gitarristin Annick und der zweite Drummer Valentin dazugestoßen. Extrem lässige Clique, wesentlich besseres Betriebsklima als die Urbesetzung.“
Haben euer Werte von damals heute noch den gleichen Stellenwert?
„Das Angelika-Feeling ist ein Mix aus Unruhe, Skepsis, Rebellion & prolligem Lärm auf der einen Seite und auf der anderen diese Liebe zu schönen, erhabenen Popmelodien und feiner Ironie. Die zwei Pole spiegelt auch der Bandname Angelika ´Die Engelsgleiche´ & Express ´spontane, expressive Energie´ wieder. Früher wie heute, da kommen wir nicht mehr raus.“
Wie politisch darf und unpolitsch soll Musik sein?
„Ehrlich gesagt würde ich ja am liebsten einfach nur hedonistische Songs über Parties, Beziehungen und so weiter schreiben. Aber schau dich um, die Welt bröckelt und die Idioten werden immer mehr, Stichwort neuer Nationalismus. Ich tue also meine kulturelle Bürgerpflicht. Entsprechend untersuchen unsere Texte zur Zeit vor allem die Verhältnisse. Was für ein Signal wäre es heute, Heile-Welt Musik zu machen oder über irgendwelche belanglosen Ego- und Beziehungsproblemchen zu singen? Wie so viele dieser Deutsch-Pop Typen - widerlich. Dazu muss man doch einen Gegenentwurf liefern.“
Welche Bedeutung hat der Albumtitel ´Letzte Kraft voraus´ und was soll er ausdrücken?
„Es geht um dieses verbreitete Gefühl von permanenter Krise, permanenter Gereiztheit. Ist Dir auch aufgefallen, dass in letzter Zeit immer mehr Menschen auf dem Zahnfleisch zu gehen scheinen? Ob im Arbeitsleben, im Zwischenmenschlichen, in der Politik, vieles scheint auf einen Nullpunkt hin zu driften, wo es einfach nicht mehr weitergehen kann wie bisher. Das ist für mich das wichtigste Merkmal der Gegenwart, das wollte ich mit dem Album untersuchen. Zudem wie man diese Kräfte positiv nutzen kann. Überleben im Spätkapitalismus sozusagen.“
Wie schafft ihr es das Text und Musik eine Symbiose eingehen?
„Der harte und derbe deutsche Sprachduktus - darum dreht sich alles. Manche Worte sind ja wie Akupunkturnadeln, das ist einerseits sehr hilfreich wenn man punkige Musik macht. Aber auch ganz schön widerspenstig, wenn Du mit dieser Stakkatosprache einen Beatles-mäßigen Melodiebogen füllen willst. So richtig funktioniert es eigentlich nie, aber das macht womöglich den Reiz aus.“
Aktuelles Album: Letzte Kraft Voraus (Unter Schafen)