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ANGELIKA EXPRESS

Momentaufnahmen

ANGELIKA EXPRESS

Die letzten Monate von Angelika Express als arbeitsreich zu beschreiben, wäre eine glatte Untertreibung: Kaum war das selbstbetitelte Debütalbum der drei Kölner letzten Frühling veröffentlicht, ging es auf Tournee mit den Idolen der Fehlfarben, im Sommer folgten Festivalauftritte und unzählige Headline-Konzerte überall in der Republik. Im Spätherbst dann folgten die Konzept-EP "Ich bin kein Amerikaner" und weitere Auftritte. So ziemlich jede andere Band hätte danach erst einmal ausgiebig Urlaub gemacht oder gleich das Handtuch geworfen, doch nicht so Angelika Express.

Im Dezember waren die drei umtriebigen Domstädter Robert Drakogiannakis, Jens Bachmann und Alex Jezdinsky, die sich so wohltuend von den diversen - allzu häufig vom Szenegedanken beherrschten - Musikerzirkeln in Hamburg, Berlin oder München abheben, bereits wieder im Studio, um ihre zweite LP "Alltag für alle" aufzunehmen. Und wenn der Tonträger dieser Tage in die Läden kommt, sind die drei schon wieder unterwegs auf Tournee. Dass die neue Platte (noch) frischer, energetischer und müheloser als das Debütalbum klingt, mag vielleicht auch daran liegen, dass das Trio im Gegensatz zu vielen anderen Bands gar nicht die Zeit hatte, kalte Füße vor dem "schwierigen zweiten Album" zu bekommen, sondern einfach losgelegt hat, oder?



"Das trifft den Nagel auf den Kopf! Es ist in der Tat so, dass wir keine Zeit hatten, uns wegen der zweiten Platte Sorgen zu machen und irgendwelche Konzepte zu entwickeln", teilt Jens beim Treffen mit der WESTZEIT unsere Vermutung, und Robert ergänzt: "Richtig kalte Füße gab es kurz vor Schluss, weil es nur einen Nachmittag Zeit zum Proben gab, bevor es ins Studio ging. Zum Glück hatte ich in meinen tourfreien Tagen zu Hause am Laptop schon einige Demos gebastelt, so dass wir nicht allzu sehr improvisieren mussten. Generell kam uns bei der Arbeit für's zweite Album zugute, dass wir unseren Sound bereits gefunden hatten und sehr genau wussten, wie es klingen musste." Spontan zum Beispiel, aber nicht unbedingt glatt poliert und durch und durch perfekt, wie Alex erklärt: "Platten schnell aufzunehmen und zu veröffentlichen, entspricht einfach unserer Arbeitsweise. Wir fühlen uns unwohl dabei, wenn die Sache immer weiter wächst, bis man sich letztendlich fragt: 'Ist das überhaupt so toll?', anstatt es einfach in dem Augenblick als Momentaufnahme zu bannen. Natürlich kann man hinterher hingehen und sagen: 'Hätten wir nicht vielleicht besser hier…?' Aber das wäre dann eine andere Band."



Das kann Jens nur bestätigen. "Irgendwann ergab sich der Leitsatz 'Fehler is king'. Wenn einmal etwas nicht klappt, ist das scheißegal. Wenn da mal jemand schneller wird, ein paar falsche Töne drin sind oder es irgendwo rappelt, macht das nichts." Selbst wenn sie die Chance dazu gehabt hätten, mehr Zeit hätten sich die Kölner für dieses Werk gar nicht nehmen wollen. "Ein Grund, warum das zweite Album so schnell kommt, ist der, dass unsere erste Platte nicht der Meilenstein war, der die Leute sehnsüchtig auf unser nächstes Album hat warten lassen", erklärt Jens. "Wir leben in einer Zeit, in der sehr, sehr viele deutsche Bands veröffentlichen, und deshalb wollten wir unserem Publikum nicht den Hauch einer Chance geben, uns zu vergessen." Dabei hilft inzwischen auch eine größere Plattenfirma mit. Zwar prangt auch dieses Mal wieder das Logo des kleinen, aber feinen Wuppertaler Labels Paul! auf dem Albumcover, die marketingtechnischen Fäden im Hintergrund werden aber vom Branchengiganten Columbia/Sony gezogen. "Wer glaubt, dass sich damit bestimmte Standards verändert haben, irrt", sagt Alex. "Es war so, dass uns von Sony-Seite stets gesagt wurde: 'Was ihr da habt, ist sehr speziell und sehr, sehr gut, das hätten wir gar nicht besser machen können. Geht ihr euren Weg einfach mal weiter!' Druck gibt es da gar nicht. Da wir uns finanziell in gar keine großen Abhängigkeiten begeben haben, müssen wir keine riesigen Verkäufe abliefern. Und wenn sie sagen, dass es ihnen gefällt, wie es ist, und sie daran glauben, dass es funktioniert, gibt es für sie auch keinen Grund, uns hineinzureden." Jens geht sogar noch einen Schritt weiter: "Ich denke, es spielt gar keine Rolle, ob denen bei Sony unsere Musik hundertprozentig gefällt. Von den Leuten, mit denen wir zusammenarbeiten, glauben wir natürlich schon, dass sie unsere Musik mögen - zumindest vermitteln sie uns das Gefühl. Aber wenn du dir anschaust, was wir mit unserem kleinen Label Paul! geschafft haben, was die Relation des finanziellen Einsatzes und des Erfolges angeht, da würde vermutlich auch die Sony sagen: 'Wow, wie haben die das gemacht?'"
Wenn es am Erstling der drei etwas auszusetzen gab, dann die mehr oder weniger offensichtlichen 80er-Jahre-Anwandlungen und die Uniformität der Stücke. Die neuen Songs dagegen sind viel facettenreicher und klingen zeitlos(er) statt zeitgeistig. "Wichtig ist, dass du darauf vertraust, dass du es zu dritt schaffst, das Gefühl genau dieses Stückes rüberzubringen, und nicht darauf schielst, was es momentan für Strömungen gibt", sagt Alex. "Wenn das letztendlich bedeutet, dass unsere Musik zeitloser wird, ist das umso schöner, denn darum geht es schließlich." Das sieht auch Robert ähnlich: "Im Moment stehen bei uns die Zeiger wissentlich mehr auf zeitentrücktem Power-Pop, denn Trends wie 80er-Retro kannibalisieren sich früher oder später selbst. Beim ersten Album war für unser Selbstverständnis aber eine Positionierung in der deutschen Poptradition sehr wichtig - S.Y.P.H., Fehlfarben, KFC, Palais Schaumburg etc.. Davon haben wir zwar immer noch sehr viel intus, aber im Moment sind die Beatles eine ergiebige Inspirationsquelle. Da sich bei uns also einiges mischt, was nicht unbedingt zusammengehört, hoffen wir auf ein interessantes Ergebnis."

Das wirft die Frage auf: Ist das nur eine reine Arrangement-Sache, oder hat sich die Herangehensweise beim Songwriting an sich auch etwas gewandelt? "Die Technik des Liedermachens hat sich bei mir eigentlich nicht verändert", glaubt Robert, "durch die knappe Zeit war ich aber gezwungen, mich zu fokussieren und schneller zum Punkt zu kommen." Wer über 30 Songs innerhalb von 13 Monaten veröffentlicht, scheint ja so etwas wie "Schreibblockade" nicht zu kennen - gibt es trotzdem eine Idealsituation, in der die besten Angelika-Express-Songs entstehen? "Die schönste Situation, um neue Lieder zu machen, ist der Müßiggang", verrät Robert abschließend. "Wochenlang nichts anderes zu tun zu haben als möglichst spät aufstehen, lange frühstücken, ein Buch lesen, fernsehen, in die Kneipe gehen, Leute sehen, viel schlafen. Dann kommen die Lieder ganz alleine, irgendwann zwischendurch. Auf Tour ist es sehr viel schwerer, vor allem mit den Melodien, dafür braucht es Ruhe. Textfragmente und Geschichten hingegen finden sich unterwegs im Tourbus auf der Autobahn wunderbar im Delirium der Langeweile zusammen."

Weitere Infos: www.angelikaexpress.de Foto: Philip Lethen

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