In einer gerechten Welt würden Nada Surf in den großen Hallen dieser Welt spielen und Weezer wären nur ihre Roadies. In der Wirklichkeit sieht es etwas anders aus, alle liegen River Cuomo zu Füßen, und Matthew Caws, der ungemein sympathische Frontman von Nada Surf, arbeitet in einem Plattenladen, um am Monatsende irgendwie die Miete zusammenzubekommen. Vier Jahre nach ihrem schönen letzten Album "The Proximity Effect" melden sich die der New Yorker nun zurück. "Let Go" heißt das kleine Meisterwerk, das nicht nur einmal mehr durch phantastisches Songwriting besticht, sondern überraschend ruhig ausgefallen ist.
Nach "The Proximity Effect" war Matthew ziemlich abgetaucht, spielte in einer Louvin-Brothers-Coverband Bluegrass-Songs und machte sich Gedanken, wie es für ihn musikalisch wohl weitergehen könnte. Die ruhigeren Töne auf "Let Go" haben zum Beispiel ganz pragmatische Gründe, wie er im Gespräch mit der Westzeit in Köln erläuterte: "Ich mag es einfach nicht, beim Singen zu schreien. Ich denke, dass ich darin einfach nicht besonders gut bin, abgesehen davon, dass es völlig unnatürlich ist. Wie ich zu Hause singe, das ist natürlich, und dem tragen die neuen Stücke jetzt Rechnung."Das "Weniger ist mehr"-Prinzip zieht sich durch alle Songs, und auch wenn "Inside Of Love" bisher die größte Resonanz auslöste, kann man festhalten: Hier gibt es nur Hits. Im November gibt es das Ganze überdies live in Deutschland zu bestaunen. Unverändert dagegen ist, dass die Texte auf "Let Go" sehr persönlich gefärbt sind. Ohne Frage eine der Stärken von Nada Surf, wenngleich sich Matthew durchaus sehr bewusst ist, dass zu viel Selbstmitleid gerade in den Medien nicht gut ankommt. "Natürlich darfst du es nicht übertreiben. Das wäre dann ja Emo, oder?", lacht er. "Sorry, das hab ich jetzt einfach so gesagt. Das Wort begegnet mir derzeit überall, und ich finde das total witzig. Ich denke, all diese Bands sollten 'Emo-tional Rescue' von den Stones covern, hahaha!"Zur neuen Bescheidenheit der Band, der von ihrem letzten (Major-)Label übel mitgespielt wurde, gehört auch, alles finanziell im Rahmen zu halten und nicht mehr auf einen (zu) großen Vorschuss einer Plattenfirma zurückzugreifen. "Für 'The Proximity Effect' sind wir mit all unserem Equipment von New York nach Los Angeles geflogen, und das hat ein Vermögen gekostet. Deshalb haben wir uns dieses Mal überlegt, von New York nach L.A. zu touren, dort die Platte zu machen und auch auf dem Rückweg wieder Konzerte zu spielen. Genau das haben wir gemacht. Den Leuten vom Studio haben wir unser T-Shirt-Geld gegeben und den ganzen Juli [2001] dort verbracht. Das war einfach großartig!" Und "Let Go" ist in der Tat der eindrucksvolle Beweis, dass man eine hervorragende Platte auch ohne große finanzielle Hife der Industrie machen kann. "Was kann eine große Plattenfirma dir schon bieten?", fragt Matthew abschließend. "Selbst wenn sie so viel Geld in uns investieren würde, dass wir mit den Bubblegum Rockern mithalten könnten - wer will das schon? Wir wollen einfach ein paar gute Platten machen, auf Tour gehen, ruhig bleiben." So einfach kann das manchmal sein!
Aktuelles Album: "Let Go" (Labels/Virgin) Foto: Samuel Kirzenbaum