Sie haben es geschafft. Von einer Gitarren-Band der Marke ‚One-Hit-Wonder’ wurden Nada Surf in den vergangenen zwei Dekaden zur einer Instanz eines ganzen Genres. Mit dem neuen Album „You Know Who You Are“ blicken sie fest zurück nach vorn und erkennen einmal mehr: Musik als Lebensinhalt ist nichts Selbstverständliches.
„Zugegebenermaßen klingt es wie eine Floskel“, betont Sänger Matthew Caws, „aber wenn jemand über Jahre hinweg solch treue Anhängerschaft hat, dann ist Dankbarkeit das mindeste.“Ihr nunmehr achtes Release übersetzt diese ‚Dankbarkeit’ in erstaunlich vital wirkende Songs, die mehr als nur unterhalten wollen. Was 20 Jahre nach dem Debüt mit solch simplem Trick gelang, dass man gewillt ist zu glauben, nichts im Hause Nada Surf ist leichter gesagt und getan als den Ansprüchen gerecht zu werden.
Wer ihm böse sein kann, muss wirklich einen guten Grund haben. Seit zehn Stunden gibt Matthew Caws bereits Interviews am Fließband und trotzdem antwortet er immer noch ausführlich und stets mit einem Lächeln auf den Lippen. Der Profi in ihm, er ist einer von der netten Sorte:
„Was willst du wissen?“, rührt er in seinem Tee den Löffel hier und her und schaut auf die mitgebrachte Akustikklampfe, „ich finde es immer wieder erstaunlich, wie sehr die Leute unser Werk kennen und deswegen stört es mich nicht im geringsten, wenn die gleichen Fragen mehrmals gestellt werden.“
Zum Beispiel nach dem Beginn ihrer Laufbahn, als Nada Surf als medial alles einnehmende Newcomer MTV Mitte der Neunziger durch den Überraschungshit ´Popular´ fest im Griff hatten und so oft liefen wie keine andere Gitarrenband damals. Was schön gewesen sei, auch wenn es Probleme mit sich brachte:
„Niemand kannte uns großartig und jeder versuchte das Puzzle einfach selbst zusammenzusetzen“, blickt Caws zurück und erwähnt, dass die Jahre danach ziemlich schwer für sie waren. Der Twist gelang ihnen eigentlich erst 2002 mit der Platte ´Let Go´ und dem überraschend großen Zuspruch von Kritikern und Publikum trotz ausbleibendem Single-Hit: Plötzlich war es okay, dass Nada Surf nicht mehr die Charts enterten, sondern auf Albumlänge funktionierten. Der kommerzielle Druck wich neuen Entfaltungsmöglichkeiten, die dem Songwriting mehr Tiefe und eine andere, viel persönlichere Ausrichtung gaben.
´You Know Who You Are´ untermauert dies erneut und zeigt, dass die in New York gegründeten Indie-Lieblinge nichts an Brillanz auf halber Strecke verloren haben. Das Rad der Zeit erfinden inzwischen zwar andere, aber darum ginge es Nada Surf nicht. Wie der Chef selbst betont:
„Auf Teufel komm raus alles anders zu machen, wirkt meist sehr bemüht. Wir sind wer wir sind und vielleicht lautet der Titel der neuen Platte deswegen ‚You Know Who You Are’, ich weiß es nicht“, lacht Matthew Caws.
Obschon es keine Selbstverständlichkeit für ihn ist, dass er hier und heute darüber sprechen darf, denn jedes Mal stelle man sich dieser riesen Herausforderung, die eigenen Gedanken und Gefühle so auf den Punkt zu bringen, das alle Beteiligten zufrieden damit sind. Wobei der Band zuletzt ein ziemlich simpler Trick zum Erfolg verhalf:
„John Cleese von Monty Python gibt öfter Seminare zum Thema Kreativität und wie man sie nutzt. Sein Tipp: Plane nicht etwas zu machen, mach es einfach. Nicht das nächste freie Wochen-ende ist relevant, leg dein Smartphone weg, schieb alles auf dem Tisch beiseite und nimmt dir jetzt 90 Minuten frei. Das reicht und du kannst dich konzentrieren.“
Wahrscheinlich sind es nach knapp 25 Jahren Musikbusiness auf höchstem Niveau wirklich diese kleinen Dinge, die einem Songwriter helfen noch fokussierter seiner Leidenschaft nachzugehen – bei Matthew Caws hat die Strategie funktioniert und so plant er gleich den nächsten Coup.
Ein Soloalbum soll es sein. Einfach mal ausprobieren, wie sich das Ganze ohne die Kollegen anfühlt. Natürlich nicht, weil irgendwelche Probleme im Raum stehen:
„Ich brauche verdammt viel Zeit für mich allein auf Tour und das nervt die anderen manchmal.“
Gibt er ohne Umschweife zu und freut sich trotzdem auf die anstehenden Gigs zu ´You Know Who You Are´.
Eines ist nämlich sicher: Den Status der grundsympathischen und stilprägenden Indie-Band haben Nada Surf vollkommen zu Recht inne.
Aktuelles Album: You Know Who You Are (City Slang / Universal)
Foto: Bernie Dechant