"Wenn du einen solchen Monsterhit wie wir mit 'Tainted Love' landest, bekommst du irgendwann das Gefühl, dass es gar nicht mehr dein Stück ist, sondern zum öffentlichen Gut wird. Klar, der Zeitfaktor spielt auch eine Rolle, schließlich ist das Ganze mehr als 20 Jahre her, aber obwohl ich mich sehr genau daran erinnern kann, wie wir die Nummer im Studio aufgenommen haben, kann ich heute kaum glauben, dass das wirklich wir waren", sinnierte David Ball im Gespräch mit der Westzeit im Hamburger Park Hyatt Hotel vor wenigen Wochen.
Genauso wenig können die meisten der ca. sechs Millionen (!) Menschen, die bis heute den größten Hit von Ball und seinem Partner Marc Almond im Regal stehen haben, glauben, dass sich Soft Cell - neben Human League und den damals noch in den Kinderschuhen befindlichen Depeche Mode - DIE Ikone des Früh-80er Synthi-Pops, nach 18 Jahren Pause nun wieder zusammengerauft haben. Nach einigen gefeierten Konzerten im letzten Jahr veröffentlichen sie mit "Cruely Without Beauty" dieser Tage ein Album mit 12 brandneuen Stücken. Bei einem kleineren Label übrigens, was den Verdacht des großen Absahnens wohl entkräften dürfte. Dabei haben der bekanntermaßen ziemlich exzentrische Almond, der solo vor fast 15 Jahren mit "Something’s Gotten Hold Of My Heart" auch seinen zweiten Überhit auf eine Coverversion gründete, und Ball, der "unsichtbare" Instrumentalist und Macher im Hintergrund, der in den 90ern mit dem Techno-Projekt The Grid von sich reden machte, den Spagat, der für eine solche Reunion ohne Frage nötig ist, ausgezeichnet gemeistert. Denn auch wenn die Rhythmen der Songs (absichtlich) für das neue Jahrtausend tauglich gemacht wurden, ist sonst alles beim Alten. "Manche Leute wundern sich, dass wir nicht experimenteller sind und uns mehr in Richtung Dance vorwagen. Der Grund dafür ist einfach: Ich finde, auch in diesem Bereich ist schon so ziemlich alles gemacht worden, abgesehen davon wären es einfach nicht wir. Wir waren auch damals nicht darauf aus, Vorreiter zu sein." Irgendwie waren sie es dann aber doch, was sich gerade bei ihren Live-Auftritten der 80er ziemlich negativ bemerkbar machte. "Damals gab es noch keine Crews, die auf Dancemusic spezialisiert waren. Alle hatten wir einen Haufen langhaariger Typen um uns herum, die sonst mit Deep Purple auf Tour waren und weder uns noch unsere Musik mochten. Damals konnte man mit der Lightshow ja noch nicht so viel machen und zusätzlich haben uns die Typen so abgemischt, als wären wir eine Rockband." Diese Fehler werden Soft Cell anno 2002 nicht wieder unterlaufen, nicht zuletzt, weil sich in dem inzwischen fast 15 Jahre andauernden Vormarsch der tanzbaren Klänge auch eine ganze Menge Experten herausgebildet haben, auf die David und Marc nun zurückgreifen. Und auch, wenn ein Hauch von Nostalgie natürlich trotzdem mitschwingt, freuen wir uns, dass Soft Cell mit neuen Songs noch einmal angreifen und sich nicht darauf beschränken, sonntags im ZDF-Fernsehgarten "Tainted Love" zum x-ten Mal zu Playback zu intonieren. Alleine dafür gebührt ihnen schon Respekt.