Nach der Trennung von The Verve war vor allem Richard Ashcroft erfolgreich ins Rampenlicht zurückgekehrt. Gespannt wartete man auf ein musikalisches Lebenszeichen der anderen Bandmitglieder. Jetzt geben Simon Jones und Simon Tong mit The Shining ein rockiges Comeback.
Es ist der 7. Juni 1998. Mehrere tausend Zuschauer werden Zeuge, wie eine der visionärsten Rock-Bands Großbritanniens ihre triumphale Rückkehr feiert. The Verve spielen ein aufwühlendes, mitreissendes Konzert in der Düsseldorfer ‚Philipshalle‘. Was niemand während des 90-minütigen Taumels ahnen kann: Die fünf Schulfreunde aus Wigan/Lancashire im Nordwesten Englands werden hier ihr letztes Konzert geben. Denn irgendwo in den Katakomben der Halle entbrennt nach dem Auftritt ein heftiger, handgreiflicher Streit innerhalb der einst so verschworenen Gemeinschaft.Schon einmal hatte sich der leicht entflammbare Cocktail aus Drogen, Egozentrik und Depressionen entzündet und die Band für zwei Jahre ausgelöscht. Mit dem Meilenstein ‚Urban Hymns‘ waren sie aber zurückgekehrt und gerade auf dem Höhepunkt ihres Schaffens angelangt. Doch diese Auseinandersetzung bedeutet das Ende einer fast spirituellen Freundschaft. The Verve sind Geschichte und ihre orchestrale Hymne ‚Bittersweet Symphony‘ erscheint rückblickend wie der Abgesang auf fünf große Talente.
Sänger und Sonschreiber Richard Ashcroft entscheidet sich für eine Solo-Karriere und holt den Verve-Schlagzeuger Pete Salisbury in seine Backing-Band. Bassist Simon Jones steht der Situation zunächst fassungslos gegenüber: "Ich wußte nicht, was ich machen sollte. Wir hatten mit The Verve so viel erreicht, konnten aber nicht verhindern, dass wir unseren Traum zerstörten", erinnert er sich und auch heute noch scheint ihm dabei fast die Stimme zu versagen. "Mir war jedoch klar, dass ich weiterhin Musik machen wollte. Irgendwann rief mich John Squire [Ex-Gitarrist der legendären Stone Roses aus Manchester, Anm. d. Autors] an und fragte, ob ich Interesse hätte mit ihm und einigen anderen in einer Band zu spielen". Jones sagte zu, doch die Zusammenarbeit erwieß sich als wenig fruchtbar. Das Projekt wurde zu den Akten gelegt.
Immerhin lernte er aber auf diesem Weg den jungen Sänger Duncan Baxter und den Schlagzeuger Mark Heaney kennen. Nach einem Telefonat mit seinem Kumpel Simon Tong, zuvor Gitarrist und Keyboarder bei The Verve, trafen sich alle in einem Proberaum, um einfach Musik zu machen. Tong brachte mit Dan MacBean noch einen zweiten Gitarristen mit. "Wir hatten keinen Masterplan, sondern spielten zunächst unbeschwert drauflos und merkten ziemlich schnell, dass die Chemie stimmte", erzählt Jones. "Der Sound entwickelte sich wie von selbst." The Shining waren geboren.
"And I know I can make it, just like I did before...and I feel young again" heißt es nun selbstbewußt im Song "Young Again". Simon Jones und Simon Tong fangen mit The Shining wieder bei Null an. "Wir sind eine neue Band und möchten uns nicht auf vergangenem Ruhm ausruhen", sagt der entspannt wirkende Bassist, der gerade erst aus seinem Urlaub am indischen Ozean zurückgekehrt ist. "Wir haben in England schon einige Konzerte gespielt und es ist durchaus ein Abenteuer auf Tour zu gehen, ohne dass unsere Platte ‚True Skies‘ in den Läden steht. Aber es funktioniert. Natürlich sind viele alte Verve-Fans im Publikum. Doch die kommen auch mit unserem geradlinigeren Rock-Sound zurecht."
Die erste Single ‚Quicksilver‘ steht stellvertretend für eine ganze Reihe erdiger Rock-Nummern, die mit ihren schweren Gitarren-Riffs an Led Zeppelin erinnern. Das Album enthält aber auch etliche ruhige Stücke, in denen unverzerrte Gitarren den Ton angeben, ein Piano Akzente setzt und sogar Folk-Elementen auftauchen. Jones nennt sie "beautiful moments". Über all dem liegt die rauhe Stimme von Neuentdeckung Duncan Baxter, die einen unwillkürlich an Liam Gallagher (Oasis) oder Alex Lowe (Hurricane #1) denken läßt. Auf den anstehenden Konzerten wird sich Zeigen, ob der Junge aus Blackpool das Zeug zum großen Frontmann hat. Die Band selbst ist jedenfalls von ihrer Stärke überzeugt: "Wir wollen möglichst viele Live-Shows spielen und werden mit jeder Show enger zusammenwachsen." Endlich hat Simon Jones die "fuckin‘ heavy guitar band" gefunden, von der er seit einiger Zeit geträumt hat.
Aktuelles Album: True Skies (Zuma/Epic/Sony)