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QUICKSILVER

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Zuerst möchte ich eine download-Empfehlung aussprechen: Unterwww.room40.org/store/various_10 findet sich eine ganz wundervolle und noch dazu komplett kostenlose Kompilation mit feinstem ImproElektronikaJazz-Futter, insgesamt 40 tracks, u.v.a. von Andrea Belfi, Taylor Deupree, Janek Schaefer, Steinbrüchel und Xiu Xiu (um nur einige der Bekanntesten zu nennen). Viel leichter kann man sich einen Überblick über den "state of the art" der/des Metiers kaum verschaffen. 5
Flashback! 1971 veröffentlichten CAN ihr drittes Album, das nun, erweitert um 48 Min. Liveaufnahmen von 1972 (darunter ein umwerfendes halbstündiges "Spoon"), als "Tago Mago - 40th Anniversary Edition"(Warner) erscheint. Auch aus der Distanz: Hier wurde Krautrock mit Konzentration gespielt, die Stockhausen-Schüler Czukay und Schmidt gaben sich nicht ausufernd-hippiesken Improvisationen hin, sondern bündelten regelmäßig Energie. 4
Im gleichen Jahr erschien ein anderer, nun ebenfalls neu aufgelegter Klassiker der Popgeschichte: SERGE GAINSBOURGs "Historie de Melody Nelson"(Mercury/Universal). Auf 2 CDs gibt's neben dem Original-Mix des nur knapp halbstündigen Konzeptalbums um die amour fou zum von Jane Birkin "gespielten" minderjährigen Unfallopfer auch die kompletten "prises alternatives" und - jetzt wird's interessant! - auf DVD eine Doku zum Album und seiner Entstehung. Wirklich: cool. 4
Bleiben wir in Frankreich, wechseln aber radikal Zeit und Genre: Potlatch, die Pariser Institution in Sachen Improvisierter Musik bringt gleich zwei Arbeiten des japanischen Perkussionisten SEIJIRO MURAYAMA an den Start. Gemeinsam mit Sopransaxophonist STÉPHANE RIVES erforscht er in schwebend-statischem Kreischen das "Axiom For The Duration". Höchst abstrahierte Klangkunst, deren jeweilige Erzeugungsform unerheblich wird, dicht an der Schwelle zum Mantra und doch kein bisschen esoterisch. 5
Ganz anders "Window Dressing"(beide Potlatch/Metamkine), das mit dem Altsaxophonspieler JEAN-LUC GUIONNET entstand. Hier werden den Instrumenten kleine Klangpartikel entlockt, in durchaus erkennbarer Form in den Raum gestellt und in freier aber keineswegs beliebiger Weise genauestens untersucht. Ich liebe es. 5
Auch FRANCISCO LÓPEZ ist für ausgiebige Analysen von Klangphänomenen bekannt, allerdings stützt er seine Studien zumeist auf elektronisch erzeugte und/oder verfremdete Sounds, gern an der Grenze zum Krach. Auf "Untitled (2009)" reicht das Spektrum der wie üblich schlicht durchnumerierten Stücke von ekelerregend-kratzenden Schnarch(sic!)-Etuden über dramaturgisch perfektioniertes Knistern und Quietschen bis zu beinahe sanften Klangbildern. Nicht immer ganz stark auf 2 CDs. 3
Ganz anders die "Four Wanderings In Tropical Lands"(beide Baskaru) von EMMANUEL MIEVILLE. Der Franzose hielt sein Mikrophon in Costa Rica, Hong Kong und Malaysia in die Luft und fing (auch technisch brillant) jeweils die spezifischen akustischen Geheimnisse dieser Orte ein. Vogelschreie, Insektenzirpen und Hundegebell werden so gekonnt in Marktplatzgespräche und andere Zeugnisse menschlichen Handelns verwoben, daß hier über die bloße Dokumentation hinaus wirkliche akustische Kunst entsteht. 4
DJ Rupture stellte sich mit seinem Bandprojekt NETTLE (u.a. mit The Ex-Gitarrist Andy Moor) für "El Resplandor: The Shining in Dubai"(Sub Rosa/Al!ve) vor, Kubricks legendärer Horrorfilm würde in einem von Dubais Luxushotels neu inszeniert. Sanfter, aber doch seltsam bedrohlicher Feengesang trifft auf semiklassische Streichexerzitien und diverse elektronische Basteleien. 4
Da sind die von Fliegensummen und anderen Störungen durchzogenen Piano-Elektronik-Studien auf SWODs "Drei"(City Centre Offices/Indigo) freundlicher, obwohl auch hier hinter jeder Wendung eine kleine Klanggemeinheit lauern kann. "Tiefe der Störung, Freiheit im Rauschen" habe ich auf meinem Zettel notiert. 4
Womit auch der Sprung zur Unterhaltungsmusik glücken sollte: STARFUCKER aus Portland in Oregon sind weniger explizit als ihr Name und spielen auf "Jupiter"(Polyvinyl/Cargo) elektronisch angetriebenen DancefloorIndiePop. Inkl. überflüssigem Cindy-Lauper-Cover. 3
OLIVER HUNTEMANN verbindet auf "Paranoia"(Ideal Audio/Intergroove) Elektronika-Atmo mit freundlichem BlubberBeat. TechnoTrancePop für etwas Anspruchvollere. 4
MICKEY MOONLIGHT "And The Time Axis Manipulation Corporation"(Ed Banger/Al!ve) hat für seine sog. Interplanetary Music wohl etwas (zu?) lange in's Sternenlicht geblickt. Weniger Tanzboden- denn Homelisteningfutter austeilend frönt der Brite hier einem exotischen SF-Chic. 3
BILL WELLS versammelte für seine ebenfalls seltsame CD "Lemondale"(Double Six/Domino) eine Vielzahl an zumeist japanischen Gästen (aber auch Jim O'Rourke) und inszenierte 11 verwirrende Versatzstücke aus Jazz (Kurt Weill könnte Tantiemen fordern, so offensiv wie man sich hier an "Speak Low" bedient), Neoklassik und Eletro(pop). 3
Noch abstruser, aber eben (deshalb?) zumindest zeitweise auch recht interessant ist "Watered Lawn"(Anticon/Indigo) von RALEIGH MONCRIEF. Verwischte ObscureFolk-Momente kippen um in helle PopPanik, alles in bester Animal Collective-Manier. 3
Erfolgsverwöhnt ist KELE mit seiner Bloc Party sicher. Solo kann er auf seiner "The Hunter EP"(Wichita/PIAS/Rough Trade) nicht überzeugen. Seelenloser SynthiePop, wie ihn Erasure schon vor 20 Jahren besser spielten. 2
Nicht besser, nur anders ist HAUJOBBs "New World March"(Zweieck Recordings/Soulfood). Einfallslos stampfender, möchtegern-tougher ElektroTechnoPop-Kram. 2
Mit einem Genrewechsel wird's noch nicht wirklich wieder gut, aber zumindest besser: "Zum ersten Mal in ihrer Stadt"(Beste! Unterhaltung/Broken Silence) ist der GANKINO CIRCUS. Die mixen Ska und Varieté, Alpen- und Balkanklänge mit DeutschFolk und leider auch viel (v.a. handwerklichem) Anspruch. Könnte aber noch wachsen und für die wirklich mal neue, ganz aus Holz(ersatz) gebaute CD-Hülle gibt's einen Zusatzpunkt. 3
Da sind die von JOE FLEISCH mit ElektroYid und den Jewish Monkeys erstellten Neudeutungen von einem meiner persönlichen Favoriten jiddischer Musik packender. Trotz verdächtiger Nähe zu Shantel wird auf der nur als donwload erhältlichen EP "Oi Amerike!"(Joe Fleisch) vom alten Gassenhauer "What can you mach, sis is Amerike" der betuliche Staub geblasen und mal mit fettem ElektroBeat, mal mit stolperndem Getröte die Tanzbodenschlacht eröffnet. 4
Etwas beschaulicher (oder doch wilder?) wird's mit "La Notte della Taranta 2010"(Panderosa/edel Kultur), für die Ludovico Einaudi u.a. das Sud Sound System, Taraf de Haïdouks und ElektroSufi Mercan Dede in Apulien die Tarantella spielen, singen und tanzen ließ. Ein geglückte Verbindung von Weltmusiken. 4
Verabschieden möchte ich mich mit dem durch ein arg populistisches artwork gestraften, inhaltlich aber gar nicht so unspannenden "FlötenKönig" vom EMMANUEL PAHUD. Der widmet sich mit seiner Querflöte ganz Friedrich dem Großen und dessen bekannter Musikleidenschaft. Auf 2 CDs erklingt leicht verdauliche, aber wunderschön unterhaltende Flötenmusik, u.a. vom Preußenkönig selbst, seiner Schwester Anna Amalie oder Bach (Vater wie Sohn). Falls ihr "Stille Nacht" nicht mehr hören könnt...4

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