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DESTROYER

Konzept über Bord!

DESTROYER

Dan Bejar gibt sich gerne geheimnisvoll. Seit mehr als zwei Jahrzehnten begeistert der inzwischen 47-jährige kanadische Tausendsassa in seiner Band Destroyer mit kryptischer Lyrik, gut dosiertem Pathos und wohliger Melancholie ein stetig wachsendes Publikum, obwohl, oder gerade weil im Spannungsfeld von Eklektizismus und Exzentrik nie ganz klar ist, wohin die Reise geht. Auch das nun erscheinende, inzwischen zwölfte Destroyer-Album, ´Have We Met´, wirft wieder mehr Fragen auf, als es beantwortet.

Glaubt man dem Waschzettel der Plattenfirma zum neuen Destroyer-Album, hatte Mastermind Dan Bejar bei der Arbeit an ´Have We Met´ sehr spezifische konzeptionelle Vorstellungen und explizite Inspirationsquellen. Im Gespräch mit Westzeit beim Pressestopp in Berlin Ende November will der alte Zausel davon allerdings nichts mehr wissen.

„Ideen sind nur ein Haufen Worte, und Musik ist das Gegenteil von Worten“, ist er überzeugt. „Wenn du Musik machst, kann dir nichts Besseres passieren, als dass jegliche Art von Konzept über Bord geht, denn so stößt du zu den Sounds vor, die du magst, die dich interessieren. Es geht darum, sich der Musik instinktiv und nicht konzeptionell oder intellektuell zu nähern.“

Doch selbst ohne fest vorgegebenen Rahmen gilt bei der Produktion einer Destroyer-Platte keineswegs das Motto „Anything goes“.

„Ich arbeite immer mit einem Sicherheitsnetz“, verrät Bejar. „Die Songs sind fertig geschrieben, bevor ich mir Gedanken darüber mache, wie sie später klingen sollen. Zuerst geht es immer darum, genug Songs zusammenzuhaben, die stark genug sind, dass sie jeglicher Art von Bearbeitung aushalten. Das versorgt mich gleichzeitig mit dem Mut, sie richtig durch den Wolf zu drehen.“

Das hat Bejar auch dieses Mal wieder getan. Seine rudimentären, am heimischen Küchentisch aufgenommenen Demos, deren naturbelassene Gesangsspuren letztlich auch auf der fertigen Platte zu hören sind, legte Bejar in die Hände seines langjährigen Mitstreiters John Collins, der in akribischer Kleinarbeit am Computer mit lauten Beats aus der Dose, einem aggressiven, betont direkten Bass, Synth-Pop-Anleihen, die dezent auf Destroyers 2011er Breakthrough-Album ´Kaputt´ verweisen, und einer ordentlichen Portion Eigensinn komplette Klangwelten für die Kompositionen konstruierte. Doch selbst die Ideen von Collins, der einst als Produzent für das Soundgewand von Platten wie ´Mass Romantic´ der New Pornographers verantwortlich zeichnete, waren nicht in Stein gemeißelt.

„Zunächst war gar nicht geplant, dass wir auf der Platte auch Gitarre verwenden“, erinnert sich Bejar. „An der Zwei-Drittel-Marke ist uns dann aber klar geworden, dass uns dieses rhythmisch-minimalistische Ding nicht reicht. Die Lieder brauchten mehr Sound, mehr Melodien.“

So kam Live-Gitarrist Nic Bragg ins Spiel, der mit seinem unverwechselbaren Stil für Anknüpfungspunkte an frühere Destroyer-Großtaten wie ´This Night´ oder ´Rubies´ sorgte.

Die musikalische Freigeistigkeit findet ihre Entsprechung auch in den herrlich kryptischen und bisweilen geradezu apokalyptisch anmutenden Texten, die mit modernen Schreckensbildern wie dem Boston Strangler oder Nagasaki kokettieren und trotz viel poetischen Wohlklangs ihre wahren Intentionen stets verschleiern. Wie ein Wasserfall prasseln die Worte oft auf die Hörer ein, ein Rückbezug auf die Frühwerke Destroyers, nachdem Bejar seit ´Kaputt´ bewusst mehr Raum für die Musik gelassen und sich um verständlichere Lyrik bemüht hatte. Tatsächlich sind die Texte nicht nur für das Publikum, sondern auch für ihren Autor ein Mysterium. Die Frage, wonach er mit seinen Songs sucht, kann Bejar auch nach Hunderten von ihm geschriebenen Liedern nicht schlüssig beantworten.

„In den 90ern und dem Großteil der 2000er habe ich einfach den ganzen Tag herumgesessen, habe Gitarre gespielt und Textideen in mein Notizbuch gekritzelt, bis sich diese beiden Welten irgendwann getroffen haben“, erklärt er. „Jetzt, da das nicht mehr Teil des Prozesses ist, ist es mir ehrlich gesagt ein Rätsel, wonach ich suche. Ich weiß es erst, wenn ich es vor mir sehe.“

Er lacht. „Ganz schön schräg, wenn man bedenkt, dass Songschreiben seit 25 Jahren meine Hauptbeschäftigung ist, oder?“

Aktuelles Album: Have WE Met (Dead Oceans / Cargo)


Weitere Infos: www.facebook.com/destroyer Foto: Fabiola Carranza

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