Wenn jemand eine neue Platte unter der Prämisse angeht, „ich schreib' keine Lieder mehr über Killefitz. Ich schreibe nur noch über Dinge, die mich wirklich berühren", dann liegt da erstmal ein gewichtiges Statement auf dem Tisch. Eins, dem der Künstler gerecht werden muss. Der 31-jährige Kölner Musiker Maxim Richarz nimmt die kreative Herausforderung an. Seinen Namen hat er schon auf den vorherigen Produktionen auf Maxim verkürzt. Dem Reggaeunsiversum -wo er mit deutschen Texten Pionierarbeit leistet- entwachsen, wendet er sich zusehends urbanem Pop zu. „Staub“ heißt sein aktuelles Album.
Schreibverrückter PerfektionistMaxim ist ein Schreibverrückter und ein Perfektionist.
„Ich schreibe eigentlich immer, ich habe selbst im Studio noch geschrieben, weil das nächste Lied ja hätte besser sein können, als all’ die schon vorhandenen“, erzählt er, „da muss ich wirklich gebremst werden.“
Als Bremser fungieren bei ´Staub´ neben anderen Judith Holofernes, die manchen Texten den letzten Schliff verpasste.
„Sie hat mir geholfen, Bilder konsequent durchzuhalten. Weil sie einfach die gewaltigsten Wörter kennt“, sagt Maxim voller Bewunderung in der Stimme. Mit von der Bremserpartie sind auch Maxims langjähriger Partner Teka, die beiden Produzenten Farhot und Jochen Naaf, dessen Händen bereits Bosse oder Peter Licht ihr Schaffen anvertrauten. Dieses Team ist mal wieder ein wunderbares Beispiel dafür, wie die passenden Mitstreiter einen Künstler zu sich und seinem höchstpersönlichen Klang finden lassen. Doch zurück zur Schreibverrücktheit, die zeigt sich auch im ganz normalen Alltag von Maxim.
„Neben meinem Bett liegt die Gitarre und gleich wenn ich morgens wach bin, greife ich nach ihr, klimpere auf ihr herum. Meist so um die drei Stunden und höre genau zu. Versuche zu erspüren, ob da eine kompositorische Tür aufgeht“, reflektiert er seinen Tagesablauf, „wenn das nicht passiert, gehe ich Frühstücken, komme zurück und klimpere wieder zwei Stunden. Suche erneut nach der Idee. Keine da? Dann laufe ich eine Runde. Klimpere wider. Manchmal kommt eine ganze Woche nichts. Aber dann. Und die Idee ist es aber auch. Und dann wird ein Stück draus. Das dann meist ganz schnell“
Locker und doch überzeugend
Maxims Stücke sind nach ihrer Fertigstellung wahre Daumenkinos. Großartige Bilderwelten. Pralle Farben. Sie erzählen Geschichten über die Blessuren, die das Leben jeden Tag wieder neu verteilt. Dabei schaut Maxim dann auch genau hin und beschreibt auch schon mal schmerzhaft präzise.
„Ich bin eben Realist, ein gnadenloser sogar“, kommentiert er, „ich kann an den Dingen, die ich einmal entdeckt habe nicht vorbeisehen und schönreden kann ich sie auch nicht.“
Was sich jetzt quälend und sogar ein wenig nach Tortur anhört, wird dadurch relativiert, dass Maxim Situationen beschreibt, die viele aus eigener Erfahrung kennen: eine unaufhaltsam auseinander driftende Fernbeziehung etwa, oder verzweifeltes Ringen um Selbstkontrolle. Und all’ die Verletzungen, die dazu gehören. Definitiv kein Killefitz. Doch nachvollziehbare Themen. Und die lotet er mit leisen melancholischen Klängen aus. Jedoch immer locker und überzeugend. Auch deshalb, weil Maxim die Geschichten mit etwas Abstand zu der Situation, die sie jeweils behandeln, erzählt. Immer?
„Fast immer“, gibt er zu Protokoll, „auf ‚Staub’ gibt es eine Ausnahme, die Single ‚Meine Soldaten.’ Da war alles anders. Da steckte ich noch mittendrin.“
Das wiederum ist sofort und unmittelbar spürbar, da Maxim um Ordnung in seinen Emotionen ringt. So verzweifelt wie vergebens. Aber genau das gibt den Stücken von Maxim, diese zutiefst menschliche Note. Diese setzt sich auch in seiner Musik fort.
„Manchmal muss ein Schlagzeug einfach holpern, weil das Stück oder die Aussage es erfordert“, bekräftigt er die Entscheidung, „das haben wir teilweise sogar bewusst erzeugt.“
Getriebenes Klavier und subtiler
Elektrokokon
Der musikalische Ansatz ist bei Maxim ein sehr komplexer, da werden Streicher abgerufen, dort wird noch eine Klangfläche drüber gelegt. Aber nicht weil es technischen Möglichkeiten gibt, das zu tun, sondern, weil es den Liedern gut tut.
„Das ist die Balance, die es zu finden gilt“, erklärt Maxim, „ein Stück ist dann fertig, wenn es das sagt, was es sagen soll. es kann mal ein ganz puristisches und karges Klangbett haben und ein anderes Mal ein überaus opulentes.“
Mal treibt ein akustisch perlendes Piano das Stück nach vorn, mal wird ein digitaler Elektrokokon um das Lied gesponnen. Und bei dieser Art von Entscheidung, da kommt das Team rund um Maxim wieder ins Spiel.
„Ich brauche diesen Input von außen“, weiß er, „manchmal sind die Stückideen schon lange in der Pipeline und ich bin an dem Punkt, dass mich das ewige Auseinandersetzen mit der eigenen Idee langweilt. Ich kenn’ sie ja zur Genüge. Oft bin ich dann völlig überrascht, was das Produzententeam da raus destilliert hat. Aus dem Rohmaterial ist ein wahrer Brillant geworden.“
Mit ´Staub´ hat Maxim seine musikalische Metamorphose abgeschlossen. Hat das Offbeat-Areal endgültig verlassen. Ist ein urbaner Poppoet geworden. Dazu müssen seine Lieder nicht zu banalen Gassenhauern mutieren und voller inhaltsloser Floskeln sein. Sie dürfen Tiefgang haben. Unter die Haut gehen. Das ist eine Kunst und Maxim hat sie einfach drauf.
Aktuelles Album: Staub (Downbeat / Warner Music)
Foto: Heiko Landkammer