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MESSER

Denken und Intuition im Gleichgewicht

MESSER

Angetreten mit dem Wunsch, sich selbst zu überraschen, wirbelt das Münsteraner Quartett Messer gleich mit seinem ´Im Schwindel´ betitelten Debüt gehörig Staub auf. Die Hardcore- und Punk-Einflüsse der zuvor schon bei Bands wie Ritual, Dramamine oder Press Gang aktiven Musiker verschmelzen darauf mit dem betont künstlerischen, vom Willen zum Experiment geleiteten Ansatz einer Band wie Sonic Youth, während die rätselhaft-düsteren deutschen Texte in Richtung Fehlfarben, Blumfeld oder Kolossale Jugend deuten. Das Ergebnis ist ein geradezu perfekt ausbalanciertes Gleichgewicht zwischen Denken und Intuition.

“In einer Punk-Band gibt es ja ein recht enges Korsett”, erklärt Drummer Philipp Vuth, als wir die Gruppe Messer in ihrer Heimatstadt zum Interview treffen. “Deshalb wollten wir bei Messer schauen, was man sonst noch alles machen kann.”

Mit Erfolg! ´Hier erreicht der Hype das Rheinland´, titelte selbst der ansonsten nicht unbedingt als Fachblatt in Sachen Indierock bekannte Kölner Express begeistert nach dem letzten Auftritt der Gruppe Messer in der Domstadt, und nicht nur daheim in Münster geht das Debütalbum nach Konzerten am Merch-Stand weg wie geschnitten Brot. Die Band freut's verständlicherweise.

“Wir haben nicht das Gefühl, als Band ins Leere zu wirken, was ja, wenn man gerade anfängt – wir haben erst ungefähr 20 Konzerte gespielt –, oft der Fall ist, weil man sich erst einmal sein Publikum suchen muss”, sagt Sänger Hendrik Otremba. “Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir schon ein bisschen Aufmerksamkeit bekommen. Das ist nicht das Wichtigste, aber es macht das Ganze natürlich angenehmer.”

Geplant war das allerdings nur sehr bedingt.

“Wir haben letztlich als Nebenprojekt unserer anderen, noch bestehenden Bands angefangen und sind deshalb völlig erwartungsfrei gestartet”, unterstreicht Bassist Pogo. Ob die vier von ihrem Erfolg wirklich überrascht sind, sei dahingestellt, ein echtes Erfolgsrezept haben sie indes nicht.

“Wir sprechen schon viel über die Band, allerdings ohne verkrampft einen Plan zu erarbeiten”, erklärt Hendrik. “Uns war klar, dass wir etwas machen wollten, was sich nicht klar kategorisieren lässt. Wir wollten viel Freiheit und uns nicht irgendwelchen Genrebegriffen unterordnen.”

Die Freiheit hat allerdings auch ihre Grenzen, glaubt Gitarrist Pascal Schaumburg:

“Auch wenn wir alle schon lange Musik machen, sind wir als Musiker doch auch in irgendeiner Weise beschränkt und machen letztlich das, was wir schon immer gemacht haben. Anfangs haben wir uns mit einem Synthie in den Raum gestellt, dann aber schnell gemerkt: So eine Art von Musik beherrschen wir gar nicht. Deshalb sind wir dann zu dem zurückgekehrt, was wir können.”

Dass die vier gut daran getan haben, beweist ´Im Schwindel´: In der klassischen Besetzung Gitarre-Bass-Schlagzeug-Gesang gelingt es Messer mit oft minimalen Mitteln, ein Maximum an Energie zu vermitteln, ohne dass es verkrampft oder zu konzeptionell wird. Schroff und kantig ist der Messer-Sound deshalb, der Gesang ist rau und wütend, oft mehr ein Schreien als ein Singen, und trotzdem bleiben die Songs beim Hörer hängen. Dass ihr bereits im Januar eingespieltes Debütalbum geradezu unerwartet souverän klingt, ist für Pogo keine Überraschung:

“Wir haben, glaube ich, das große Glück, dass wir alle vorher jahrelang in gut funktionierenden Bands gespielt haben, die auch viel getourt haben. Das bringt natürlich Spielpraxis. Wenn wir Gruppe Messer mit 17 oder 18 gestartet hätten, dann hätte es natürlich nie so geklungen, wie es das jetzt tut. Wir haben ein großes Repertoire an Erfahrungen, aus dem wir schöpfen können.”

Doch Messer sind mehr als nur die gesammelten Erfahrungen der Bandmitglieder, oder, wie Hendrik es abschließend ausdrückt: “In der Band verwirklicht sich für jeden von uns etwas, das in anderen Kontexten nicht möglich wäre!”

Aktuelles Album: Im Schwindel (This Charming Man/Cargo)



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Juli 2012
BAKKUSHAN
CHIMA
DR. CYCLOPS
KREATOR
MESSER
METRIC
REPTAR
SARA WATKINS
THE BONES
‹‹Juni August››