Savages sind ein Weckruf, der über die reine Musik hinausgeht. Kompromisslos, auf den Punkt und aufregend – all das und mehr sind die vier Damen aus London auf ihrem mitreißenden Zweitwerk ´Adore Life´, wenn sie mit ihrem gewaltigen Sound die Vergangenheit von Post-Punk, Psychedelic Rock und New Wave aufsaugen, mit ihren aufrührerischen Manifesten aber gleichzeitig fest in der Jetztzeit verankert sind.
„Das Leben ist zu kurz, um nicht das zu tun, was du willst“, sagt Bassistin Ayse Hassan im Westzeit-Interview. Klingt wie eine Floskel, fasst aber dennoch ganz gut zusammen, wofür Savages stehen. Die Band glaubt an die Kraft zur Veränderung, sie möchte inspirieren – zum Musikmachen, zum Nachdenken, zum Dinge-in-die-eigenen-Hände-Nehmen. Trotzdem stellt das Quartett seine Botschaften nicht über seine Musik. Schon mit ihrem Debüt ´Silence Yourself´ vor zwei Jahren wollten Savages weit mehr sein als nur der Hype der Saison, und mit dem Nachfolger unterstreichen sie nun eindrucksvoll ihre Ambitionen.Auch wenn sich inzwischen einige Lovesongs eingeschlichen haben – die Dringlichkeit, die unterschwellige Dramatik ihrer alten Songs haben sich Ayse, Drummerin Fay Milton, Gitarristin Gemma Thompson und die stimmlich immer ein bisschen an Siouxsie Sioux erinnernde Sängerin Jehnny Beth bewahrt. Im Vorfeld der Veröffentlichung von ´Adore Life´ war sogar die Rede davon, dass sie die ´lautesten Songs aller Zeiten´ schreiben wollten.
„Das ist etwas zu wörtlich genommen worden“, amüsiert sich Ayse. „Als wir das gesagt haben, war weniger die tatsächliche Lautstärke gemeint. Es geht darum, dass wir Eindruck machen wollen. Uns ist bewusst, dass wir inzwischen in einer Position sind, in der wir eine Stimme haben, die gehört wird, und wir wollen damit verantwortungsvoll umgehen. Wir möchten zeigen, dass man Musik sehr wohl nach seinen eigenen Regeln machen kann.“
Dabei ist der wuchtige, messerscharfe Sound der Band nicht nur ein Spiegel der unfassbar intensiven Live-Konzerte der Band, sondern in erster Linie das Produkt der vier Individuen, die seit 2011 Savages bilden.
„Als Menschen sind wir alle sehr direkt und geradeheraus, und genau so soll auch unsere Musik klingen“, erklärt Ayse.
„Viele Leute haben heutzutage Angst davor, sich in neue, unbekannte Situationen zu begeben. Wir haben stets versucht, diese Furcht auf positive Weise für uns einzusetzen, um Neues zu erschaffen. Wir wollen uns als Band selbst herausfordern, denn uns allen ist es wichtig, dass wir es uns nie zu gemütlich machen.“
Vor und während der Aufnahmen zu ihrem zweiten Album haben Savages die Maxime gleich mehrfach in die Tat umgesetzt. So kollaborierten die Damen mit den japanischen Art-Rock-Freigeistern Bo Ningen für die LP ´Words To The Blind´, veröffentlichten ein limitiertes Live-Album mit den Neuseeländer Minimalisten A Dead Forest Index und brachten im Januar letzten Jahres ihre in Arbeit befindlichen neuen Songs bei einer Reihe von Konzerten in New York in unfertigem Zustand auf die Bühne.
„Wir wollen einfach die Gefahr spüren, nicht zu wissen, wie ein Song zu Ende geht, wenn wir auf der Bühne stehen“, erklärt Ayse lachend den ungewöhnlichen Schritt.
„Die Auftritte in New York haben uns geholfen, Begeisterung in die Songs zu bekommen. Die Intensität, die Aufregung des Live-Spielens entsteht einfach nicht, wenn man sich acht Stunden am Tag im Studio einschließt.“
Dennoch wählte die Band bei den von Jehnnys Lebensgefährten Johnny Hostile betreuten Aufnahmen zu ´Adore Life´ eine neue Herangehensweise. War das Debüt noch größtenteils live im Studio eingespielt worden, wurden die einzelnen Instrumente dieses Mal separat aufgenommen, um mehr Freiraum für Experimente zu haben. In Ayses Augen hat das die Band nicht nur musikalisch nach vorn gebracht.
„Der Aufnahmeprozess hat bei uns zu einer ganz neuen gegenseitigen Wertschätzung geführt“, ist sie überzeugt. „Für gewöhnlich haben wir ja nicht die Chance, uns intensiv beim Spielen zu beobachten, wie das Publikum das kann. Es war für mich eine helle Freude, im Studio Fay beim Schlagzeugspielen zuzuschauen und genau darauf zu achten, welche Bewegung sie an bestimmten Punkten im Song macht und zu welchen vertrackten Sounds das führt.“
Passend zum Spaß, den die Band bei den Aufnahmen hatte, entfernte sie sich auch textlich ein Stück weit von ihrer Runterbringer-Poesie. Jetzt wollen Savages die Lösung sein und nicht das Problem.
Aktuelles Album: Adore Life (Matador / Beggars / Indigo)
Weitere Infos: www.savagesband.com