Dass Bands auf ihren Konzerten und Internetseiten Shirts und Poster zu manchmal nicht mehr nachzuvollziehenden Preisen verticken, ist die Regel. Dass eine Band aber während einer Tour in New York, Los Angeles, London, Paris und Berlin eine Galerie anmietet, um dort exklusive Merchandise-Artikel anzubieten, hat vor Interpol wahrscheinlich noch niemand in diesem Umfang gemacht. Und so war es auch in Berlin vor allem das streng limitierte 7“ Box Set zum aktuellen Album „Antics“, das Heerscharen von Fans, Vinyl-Sammlern, Plattendealern und Ebayern in die kleine Kreuzberger Galerie Tristesse lockte (40,- EUR für 5 Singles im Pappschuber, eine grandiose Marketingleistung ihres US-Labels Matador).
Doch für den Verkauf einer Singles-Box bräuchte man keine Galerie zu nutzen. Das eigentliche Zentrum dieser Wanderausstellung sind vier Drucke des US-Graffiti-Künstlers Shepard Fairey, die nach Vorlagen von Livefotos der Band entstanden sind.Sam Fogarino, Schlagzeuger von Interpol, erklärt, wie es zu dieser besonderen Zusammenarbeit gekommen ist: „Ich kannte Shepard Faireys Arbeiten schon lange, vor allem sein ‚Obey Giant Projekt’ ist bei uns ziemlich populär. Aber sein Name war mir überhaupt nicht geläufig. Während einer unserer letzten US-Touren bat mich ein Freund in L.A., einen Freund von ihm namens Shepard Fairey auf die Gästeliste zu setzen. Ich dachte nur: was ist das für ein öder Name? Als Paul (Banks, Gitarre) diesen Namen auf unserer Liste sah, war er total aufgeregt und erklärte mir, wer das überhaupt sei. Kurz nachdem wir ihn so kennen gelernt hatten, sagte er, dass er unbedingt mit uns zusammen arbeiten möchte. Da das Design für das ‚Antics’-Booklet schon stand, kamen wir auf die Idee mit den Siebdrucken. Den ‚Interpol Space’ gibt es also eigentlich nur wegen Shepard Fairey.“
Doch die zweiwöchige „Space“-Ausstellung war mehr als ein teurer Fanartikelladen. An den Wänden hingen Fotos, die Interpol-Freunde und Fans geschossen haben, es wurden Filme gezeigt, zu denen sich Leute aus ihrem Umfeld durch „Antics“-Songs inspirieren ließen und der Raum wurde mit Compilations beschallt, die drei der vier Interpöler mit viel Liebe zusammengestellt hatten. Selbst diese drei Mixe machen sehr schön deutlich, wie sich Interpol als interdisziplinäres Projekt sehen. Schlagzeuger Sam bewegt sich mit seiner Auswahl im klassischen Indierock-Leftfield und bestätigt somit den Geschmack des durchschnittlichen „Space“-Besuchers, Paul ordnet mit einer Sammlung historischer Amerikana die Band in die Geschichte der US-Barden ein und der martialische Bassist Carlos benennt mit Duran Duran, Bauhaus, Iron Maiden und Metallica die postulierten Referenzen Interpols.
Zum Glück – bzw. Selbstverständlicherweise – werden die stets als Blueprint genannten Joy Division hier vermieden. Vielleicht zählt das auch zu den indirekten Aufgabe des „Space“: wenn man schon nicht an der Musik Interpols erkennt, dass es ich nicht nur um eine amerikanische Band handelt, die englischen Post Punk kopiert, dann spätestens an ihrer multimedialen Selbstdarstellung.
Aktuelles Album: „Antics“ (Labels/EMI)