Wie man es dreht und wendet: Wer dem Folk-Hype der vergangen drei Jahre bewerten will, kommt an den Fleet Foxes nicht vorbei. Mit ihrem gleichnamigen Debüt schafften sie 2008 das Unmögliche – einem längst als überholt deklariertem Genre neues Leben einzuimpfen und doch will sich die Band aus Seattle nicht auf den Lorbeeren ausruhen: „Helplessness Blues“ nennt sich das zweite Werk der Mannen um Sänger Robin Pecknold und soll erneut Berge versetzen.
Die Zeitumstellung wurmt Robin Pecknold ein wenig und müde wirkt er, als er den Journalisten in Deutschland Rede und Antwort stehen muss:„Ich bin unendlich dankbar über jedes Gespräch, das wir führen dürfen und doch wünscht man sich manchmal einen Tag Frei – zum Luft holen und verschnaufen.“
Die Situation, in die die Jungs aus dem amerikanischen Seattle vor knapp drei Jahren hineinschlitterten, erwischte sie durchaus unvorbereitet: Nicht einmal die waghalsigsten Optimisten hätten den Fleet Foxes solch eine beeindruckende Karriere vorausgesagt, denn natürlich, der Musikstil der Band hat seine Glanzzeiten – historisch gesehen – längst hinter sich.
„Ich habe mich oft gefragt, warum die Leute auf unseren Sound stehen und auch wenn Kritiker meinen, dass den Menschen im Zuge der damaligen Weltwirtschaftskrise nach etwas Grundsolidem der Sinn stand – als endgültige Erklärung reicht mir das nicht“, meint Pecknold und richtet die Frage an sein Gegenüber.
Schwer zu beantworten ist dieser Tatbestand wirklich, man stockt ebenfalls und versucht schnell den Bogen zum neuen Album
„Helplessness Blues“ zu finden – welches zum zweiten Mal in Serie einen ganz hervorragenden Eindruck dieser Folk-Formation vermittelt: Zwar nicht himmlischer als der Vorgänger ist, aber gut genug um auf Augenhöhe gleichzuziehen.
Geblieben sind die mehrstimmigen, stets an Crosby, Stills, Nash & Young erinnernden Harmoniegesänge, genau wie die butterweichen Arrangements. Ganz anders als erwartet präsentieren sich hingegen die Lyrics, die verglichen mit dem Debüt persönlicher und düsterer wirken – fast so, als hätten die Fleet Foxes den eigenen Erfolg kaum genießen können.
Pecknold grinst verschmitzt und beruhigt: „So ist es nicht. Als Songwriter, der hauptverantlich für den Inhalt der Lieder ist, musst du dich regelmäßig neuen Herausforderungen stellen: Wo willst du ihn? Was kannst du von dir erwarten – und auch: Was wollen die anderen hören?“
Solche und ähnliche Fragen beschäftigen den Chefdenker beim Zusammentragen der Texte und nie ging es ihm darum, Antworten zu finden, sondern vielmehr die Analyse so genau wie möglich voranzutreiben. Operation gelungen, Patient erfreut sich bester Gesundheit; möchte man meinen, denn „Helplessness Blues“ präsentiert sich trotz melancholischem Grundton zu keinem Zeitpunkt trostlos.
„Genau darum ging es mir mit der Platte: Zu zeigen, wer wir sind. Das mag abgedroschen klingen, doch mit dem Debüt haben wir 2008 eine Tür aufgestoßen, die eine große Verantwortung mit sich brachte – danach galt es aufrichtig zu den Leuten zu sein und deswegen kann ich nicht über die globale Erwärmung oder den Schrecken von Japan singen.“
Es lege ihm einfach nicht den Bob Geldorf der Folkmusik zu mimen und nach eigenem Ermessen seien die Fleet Foxes sowieso keine Stars, sondern allein Musiker:
„Viele meinen, wir sind genau deswegen populär, weil wir alles tun, es nicht zu sein – ein traditioneller Sound, Second-Hand-Klamotten und keine besonderen Frisuren. Das halte ich für einen Trugschluss, denn uns ist es stets wichtig gewesen, die Musik in den Vordergrund zu rücken.“
So ganz glauben mag man Pecknold nicht, denn gerade das Bärtige erfreut unter seinen männlichen Hörern großer Beliebtheit, um nicht zu sagen: So manch Anhänger der Combo eifert ihr in Sachen Gesichtsbehaarung ambitioniert nach „mag sein, doch da hätte auch sonst wer kommen können und das gleiche wäre passiert. Ich betone, es liegt nicht an uns, dass der Folk in den vergangenen Jahren eine Reunion feierte!“
Wollen wir also vorerst nicht weiter nachhaken, denn „Helplessness Blues“ ist auch so ein weiterer Meilenstein der Fleet Foxes geworden: Verschrobener zwar als der Vorgänger und doch zeigt er die Macher als Hüter einer längst vergangenen Zeit.
Robin Pecknold kann sich noch so bemühen die Dinge klein zu halten – es wird ihm nicht gelingen.
Aktuelles Album: Helplessness Blues (Bella Union / Coop / Universal)