Für alle, die es noch nicht wussten, Deutschland ist das Land der Wunder – ob das Wunder von Bern, das Fräuleinwunder oder Wunderkinder im allgemeinen, wir haben eine Vorliebe dafür, unseren Aushängeschilder in Sachen Sport, Kultur und Musik als Phänomene in den Himmel zu heben, zumindest bis wir ein neues Spektakel gefunden haben, das wundersam genug anmutet, um für Wirbel zu sorgen. Aber bevor ich mich hier wieder in Wortspaltereien bis zur Grenze des Schwachsinns ergehe, komme ich zum Punkt.
Ich habe die Ehre mit Sir Simon zu sprechen, seines Zeichens Singer/Songwriter und außerdem auch noch Keyboarder der Indie-Rock Formation Tomte. Die deutsche Musikpresse handelt ihn als Wunderkind seines Genres, was bei Simon selbst wohl eher für leichte Irritation sorgt, ist er erstens dem Wunderkindalter doch schon ein Weilchen entwachsen und weiß auch ansonsten nicht viel mit diesem Begriff im Zusammenhang mit seiner Person anzufangen.„Wunderkind bedeutet für mich so etwas wie Genie und das ist dann doch wohl ein bisschen zu abgehoben. Außerdem unterliegt man als Genie bestimmt einem enormen Druck. Alle erwarten Perfektion, weil einem das Talent ja schließlich in die Wiege gelegt worden ist und man nichts dafür tun musste. Ich mache das, was ich mache bestimmt sehr gut, aber auch ich musste hart an mir arbeiten und mir ist nichts zugeflogen, mal ganz davon abgesehen, wie lange kann man denn als Wunderkind durchgehen, so superjung bin ich ja nun auch nicht mehr. Nein, ich glaube, diese Bezeichnung trifft es nicht so ganz.“
Seine neue heiß ersehnte Scheibe heißt ‚Good Night, Dear Mind‘, und verweist auf das Motiv, das sich durch die meisten seiner Songs zieht: Erlebnisse und Gedanken zu (normalerweise) nachtschlafender Zeit.
„Ich schreibe meine Texte am liebsten nachts, weil ich diese besondere Atmosphäre so mag. Diese Stunden sind so inspirierend, weil die Zeit quasi still steht und man sich ungestört mit dem beschäftigen kann, was einen bewegt, nichts unterbricht einen und es gibt nicht was dringend erledigt werden muss. Es ist geschenkte Zeit, die man nur deshalb hat, weil man wach ist, währen alle anderen schlafen. Diese Ruhe wirkt sich bei mir sehr produktiv aus.“
Sir Simon präsentiert sein Genre at it’s best: Sein Sound ist leichtfüßig, seine Stimme melancholisch: Eine Melancholie, die entspannend und beruhigend anmutet, statt wie so oft beo Singer/Songwriter Stücken in weinerliche Schwermut abzurutschen. Trotz der Rennaissance, die deutschsprachige Musik in den letzten Jahren erlebt hat, würde es Sir Simon nie einfallen etwas anderes als English zu singen.
„Ich habe einfach ein Faible für diese Sprache, sie hört sich leichter und lockerer an als Deutsch und man muss nicht ständig Angst haben zu pathetisch zu werden. Es ist ja auch nicht so, dass ich mir die Texte auf Deutsch ausdenke und dann übersetze, das würde total konstruiert klingen. Ich bin eben auch gerne in den Staaten und teile übrigens nicht das Vorurteil, dass alle Amerikaner oberflächlich und dumm sind. Es ist einfach arrogant so etwas zu behaupten; dumme, oberflächliche Leute haben wir hier schließlich auch zuhauf und ich habe das Gefühl, dass es immer mehr werden. Ich schätze die amerikanische Freundlichkeit und ziehe oberflächliche Freundlichkeit doch tausend mal demonstrativer, echter Unfreundlichkeit vor.
Trotzdem finde ich eine ganze Menge deutschsprachiger Bands großartig und denke, dass die meisten von ihnen nur verlieren würden, wenn sie ihre Texte ins Englische transportierten: Ich denke da z.B. an die Goldenen Zitronen oder die ganzen anderen Deutschpunk- und Politbands – die wären in einer anderen Sprache undenkbar!“
All jene, die Sir Simon auf seiner Supporttour für die beiden entzückenden Ladies von Azure Ray aus Omaha/Bebraska verpasst haben gibt es als kleines Trostpflaster noch eine Tour zum Release des neuen Albums im Mai. Azure Ray seien euch im Namen von Sir Simon jedoch besonders ans Herz gelegt!
Aktuelles Album: Good Night, Dear Mind (Strangeways / Indigo)