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QUICKSILVER

Auch wenn sich TAKAHIRO KIDO gerade in den debug-Redaktionscharts tummelt, ich halte "Fleursy Music"(Plop/Nature Bliss/MDM) für belangloses Gesäusel aus der ausgenudelten GlockenspielLaptopPiano-Klasse. Kommt mit Cello, klar.
Auch erschreckend schwach ist die Doppel-CD "Electric Treasures"(Aktivraum/edel), auf der das Bonner Konzert von MARKUS STOCKHAUSEN dokumentiert wird. Trotz der prominenten Unterstützung von Vladyslav Sendecki an den Tasten (dazu noch die aus "Karta"-Zeiten bekannten Arild Andersen und Patrice Héral) gelingt dem begabten Trompeter im September 07 hier leider nicht viel mehr als 90 Minuten elektrifizierter Belanglosigkeit.
Bessere Formen moderner Unterhaltungsmusik kann man auf "Fistel Rose Power"(Pingipung/Kompakt/A-Musik) erlauschen. Das ist eine Best-Of von Dennis Busch, der als JAMES DIN A4 für das eigene Esel-Label in kurzer Zeit Unmengen von Vinyl produzierte. Und auch verkaufte, was ja nicht selbstverständlich, hier aber wegen des durchaus brauchbaren TrashTechno bzw. Gras-bewachsenen Minimal durchaus erklärlich ist.
Auch THE TRUFFAUTS enttäuschen ihre Fans nicht. Mir ist deren neuerdings wieder rockiger gewordener IndiePop zwar etwas zu straight und abwechslungsfrei, aber guter Durchschnitt ist "To Your Heart"(TP9/RTD) allemal.
Die laszive nackte Dame auf dem stilvollen SW-Coverfoto raucht genüßlich ihre "Zigarette danach". Vorher hat sie womöglich "Cruel Romantics"(Sunday Best/RTD) durchlebt. CHRISTOPHER D ASHLEY stellt sich (selbst) in die Tradition von Fad Gadget und Ultravox und auch wenn sein "sluttish warehouse electro" (NME), den der Musikfanatiker hier mit OldSchoolElectroPop mixt, nicht (mehr) das ganz heiße Ding ist, kann man mit dieser CD doch recht viel Spaß haben. Kreis geschlossen. Kippe aus!
Auch etwas für längere Tanzabende und die netten Stunden danach ist "The Alchemist Manifesto"(ESL/Fontana), veröffentlicht von den einschlägig bekannten OCOTE SOUL SOUNDS AND ADRIAN QUESADA. Schwüler LatinSoul, grooviger AfroFunk und lasziver BrasilJazz, wie man ihn sich für Parties zu zweit (oder zu dritt oder doch mit der ganzen Clique?) nur wünschen kann.
Ein Altstar des Funk ist CHARLES WALKER ganz sicher, doch mit seinen DYNAMITES ist er entgegen seinen eigenen Beteuerungen leider nicht viel mehr als ein Selbst-Echo auf längst vergangene Zeiten (bzw. eine James-Brown-Kopie). Dabei ist "Kaboom!"(Outta Sight/Terre a Terre/Groove Attack) nicht mal schlecht, aber wenn einem Al Green mit "Lay It Down" gerade gezeigt hat, wie genial man auch hier Tradition und Moderne verbinden kann, hängen die Trauben sehr hoch.
Die Hüften können aber weiter wackeln, denn Stefan Kassel & Frank Jastfelder präsentieren stolz Folge 3 von "The In-Kraut"(Marina/Indigo). 20 neue "hip shaking grooves made in Germany 1967-1974", die zeigen, dass seinerzeit sogar Hazy Osterwald und Katja Epstein in "Soul&Beat" machten. Mit Rolf Kühn, Peter Herbolzheimer und Inga Rumpf sind auch Jazzgrößen dabei. Und Peter Thomas und Ambros Seelos wurden ja schon vor längerem wiederentdeckt.
Aus dem Jahr 2008 stammt hingegen der ziemlich altbackene BluesRock auf "Way Past Midnight"(Wildflower/RTD). Die PORK BELLY FUTURES wagen zwar auch mal Ausflüge in Richtung Country oder sogar Soul, bewegen sich sonst aber lieber auf vertrautem, leider etwas flachem Terrain.
Wesentlich mehr hatte ich auch von "Timbré"(La Tambouille/Discograph/Al!ve) erwartet, standen LES BLÈROTS DE R.A.V.E.L. doch nicht zu Unrecht bisher für eine ganz eigene und hochspannende Mischung aus Klezmer und Chanson, Musette und Polka. Das neue Album tritt jedoch auf der Stelle und wiederholt nur die nun schon bekannten Ideen. Spaß kann man damit selbstredend trotzdem haben.
Da sind die verstörend außerweltlichen MinimalFolkSongs von SHARRON KRAUS wesentlich aufregender. Auch wenn die Stilmittel hier Sparsamkeit und strangeness heißen, wird jeder der 12 Songs auf "The Foxes Wedding"(Durtro Jnana/Cargo) von einer anderen Spielart schmerzhafter Schönheit durchweht. Frau Kraus kann so sicher weiterhin auf prominente Bewunderer von Thurston Moore bis David Tibet zählen.
Anders, aber doch ähnlich entrückt (im positive Sinne) ist KERSTIN BLODIG. Mit "Nordisk Sjel - Nordic Soul"(Westpark Music/Indigo), einer Kopplung von neuen Solo-Stücken, 3 tracks ihrer 2005er CD "Trollsang" und Sachen, die sie mit ihren Bands Kelpie und Talking Water einspielte, beweist die Norwegerin Wandlungsfähigkeit und zugleich Traditionsbewußtsein.
Eher verrückt (aber wieder im besten Sinne) könnte man GEORG BREINSCHMID nennen. Der Kontrabassist hat mit seinen FRIENDS eine CD mit dem seltsamen Titel "Wien bleibt Krk"(Zappel Music/Codaex) aufgenommen. Nicht nur weil darauf ein "Fußball-Aversions-Wienerlied" erklingt (ein Genuß für jeden, der dieses unästhetische Treiben so haßt wie ich) und er eben diesem (Wiener) Lied eine ganze Menge neuer Nuancen abgewinnen kann, sondern auch weil der Typ Humor hat und ein richtig guter Musiker ist, macht diese Platte auch Menschen Spaß, die Österreich nicht so sehr mögen (ich gehöre dazu).
Wegen des femininen Timbres und der federleichten Intonation zweifelt man des öfteren daran, daß es wirklich JOHN SHANNON selbst ist, der da auf "American Mystic"(ObliqSound/RTD) diese zerbrechlich-schönen Folksongs singt. Das technisch versierte und (trotzdem) großartige Gitarrenspiel illustriert die tatsächlich ziemlich zeit(geist)losen Stücke wunderbar.
Auch Ben Cooper, der neben Radical Face auch als ELECTRIC PRESIDENT unterwegs ist, überzeugt durch das fragil-verletzliche seiner im Gegensatz zu Shannon aber wesentlich elektronischeren Interpretation des Genres SingerSongwriter. Oder ist das doch Pop, was wir hier auf "Sleep Well"(Morr Music/Indigo) hören. Oder gut getarnte Avantgarde? Wenn man in vielen Schubladen kramen muss, ist eine CD meistens gut!
Genau wie das lärmende Gitarreninferno auf "Sweeter As The Years Roll By"(Staubgold/Indigo) von einem Projekt mit dem seltsamen Namen HEAVEN AND. Die 9 tracks kommen aber ganz ohne Hektik aus und schöpfen ihre Kraft eher aus dem zähen Zerkauen jeder Rückkopplung, dem Sezieren jeder Drum-Figur und unaufdringlich-präsenten electronics. Wenn man weiß, daß u.a. Martin Siewert, zeitblom und Alexander Hacke mit von der Partie sind, wundert man sich aber schon weniger über so viel Klasse.
Dann sind da noch drei CDs aus dem renommierten (mittlerweile aber nahezu bedeutungslosen) Hause Sup Pop (Vertrieb Cargo): NO AGE spielen auf "Nouns" meistens schmutzigen Rock (nicht ganz so heftig, aber sonst beinahe wie früher von Sub Pop gewohnt) und nachdem sie bei "Keechie" mal wie übersteuerte Durutti Column klingen, fallen sie ganz schnell wieder zurück in ihre Stereotypen. WOLF PARADE langweilen auf "Kissing The Beehive" mit zwar durchaus akzeptabel produziertem und auch nicht wirklich einfallslosem, im Grunde aber eben stockkonservativem MainstreamRock. Am besten ist da noch das neuseeländische (Komiker)Duo FLIGHT OF THE CONCHORDS mit seiner gleichnamigen CD (im teuren Konturschnitt-digipack und mit beatleleskem Poster): Frankophoner FakeBossa, Pet Shop Boys-Persiflage, HipHop-Verarsche und PseudoGhettoSoul - vor den Jungs ist nichts sicher!
Was aber nun gar nicht geht, ist der schwülstig-selbstzufriedene BombastRock auf "Ignorance & Vision"(Ass Hammer/Cargo) von MY BABY WANTS TO EAT YOUR PUSSY. Das sind sechs verwirrten Deutsche, die glauben, GlamRock-Spielen wäre einfach und Freddy-Mercury-Karaoke könnte man sogar als Mannheimer sofort. Wahrscheinlich finden die aber sogar ihren dämlichen Bandnamen und Pseudonyme wie Ziggy Has Ardeur oder Debùsy D'eeper witzig und haben daher nicht Spott, sondern Mitleid verdient.

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