QUICKSILVER

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Zu Jahresbeginn ist sehr viel experimentelle Elektronik zu goutieren, los geht’s mit den freundlichen Zwitschertönen, die die Lettin Agata Melnikova als SIGN LIBRA den Soundbänken ihrer Synths entlockt. "Sea To Sea"(RVNG Intl.) klingt, als hätte man in der Berliner Schule rosa Pillen verteilt, die GesangsStücke sind sogar richtig prima. 3
DEL LUMANTAs klanglich verwandte "Preparations"(A Guide To Saints) würde ich als Ambient mit Schärfen definieren, die Australierin garniert ihre SynthFlächen gern mal mit zart knuspernden NoiseResten. 3
Bei OLIVIA LOUVELs auf Texten, va. aber der Stimme der britischen Bildhauerin Barbara Hepworth basierenden KlangWerk "SculptOr (Hepworth Resounds)"(Cat Werk) handelt es sich um eine gelungene elektronisch unterstützte StimmKomposition, die an AGF erinnert. Ich empfehle ein dunkles Zimmer, gute Boxen und Konzentration. 4
Nach etwas FeedbackKunst taucht AARON TURNER (of Isis-fame!) auf "Repression Blossom"(Sige) tiefer nach Störgeräuschen, bevor dann eine drohend schwingende Gitarre eine Art GeisterWüsten-Stimmung erzeugt. Doch auch die wird durch schabende Boshaftigkeiten gebrochen, um schließlich zu Lärm zu gerinnen. Geräusche für wütende Melancholiker. 4
Mit grafischem score im artwork kommt "Framework 2"(arbitrary) von MATS EMIL NIELSEN, so daß sich (vielleicht) nachvollziehen lässt, wie der Däne die Sounds für seinen "Circles"-Beitrag zu Bretschneiders "Sichten 1"-compilation organisiert hat. Jan Jelinek hat diese Vorgaben ebenfalls interpretiert, genau wie Hideki Umezawa die für "Fragments", das auf einem ursprünglich mit Andrea Neumann entwickelten Stück basiert. Spannende Anstrengungen auf 2x10" Vinyl. 4
MARTINA BERTONI wusste letztens mit einem sehr gelungenen Konzert zu erfreuen, ihr nach 2 EPs stylish als MC (oder DL) erscheinendes Debut "All the Ghosts are Gone"(Falk) transportiert die Kraft ihres elektronisch traktierten Cellos noch nicht in vollem Umfang, aber Potential ist in den 8 stringenten tracks erkennbar. 4
VELLUM HILL ist ein producer aus London, der die Ambient-, PostRock- und D'n'B-Sounds der späten 90er tief inhaliert und dann rekombiniert hat. Sein "chicken grunt castle" beschwört den vereinten Geist von Goldie, Mogwai und LTJ Bukem nicht ohne Charme. 4
Auch der hypnotische ProgressiveTrance, den SONAR und DAVID TORN auf "Tranceportation Vol.1"(RareNoise) abliefern, scheint etwas aus der Zeit gefallen, besticht aber mit seiner Mischung aus relaxtem KomplexGroove und flirrender Atmosphäre. 4
Gemeinsam mit dem Polen Hubert Zemler verfolgt Felix Kubin das RhythmusForschungsProjekt CEL, das auf seiner s/t-CD diverse BeatSequenzen in komplexen Metren in die pulsierende "Funkenkammer" treibt. Klingt herrlich old-school! 4
Womit wir bei den re-issues wären: 1986 kursierte in Düsseldorfs Kassettenuntergrund eine Miniauflage der "Singenden Drähte" von DEUX BALEINES BLANCHES. Ein Frühwerk von Stefan "Kreidler/ToRococoRot" Schneider mit deutlichen Anklängen an Durutti Column und noch heute wirkendem Charme. 4
Die HELDON-Reihe wird mit den Alben "Un Reve Sans Consequence Speciale", "Interface" und "Stand By"(alle Bureau B) fortgesetzt. Mal wildes ProgSynth-Genudel mit gegenläufigen RhythmusSpuren, mal fast krautrockig lärmend, mal etwas elektronischer, aber nie wirklich zwingend. 2-3-2
Auch der 4th-World-AfroAmbient auf "Flash Of The Spirit"(Glitterbeat) von JON HASSELL & FARAFINA ist nicht gut gealtert. 3
"Alles Is Goed"(Makkum) ist keine NL-re-issue, sondern eine Neueinspielung des DAF-Klassikers durch IT DOCKUMER LOKAELTSJE. Die schwitzigen Görl/Delgado-Kracher funktionieren auch im postpunkigen g-b-dr-outfit und auf (West)Friesisch super – "As wie't de leste kear"! 5
Gibt es ProgFolk als Pop? Wenn ja, dann spielen FIELD MUSIC sowas auf "Making A New World"(Memphis Industries). 3
Wenn man sich das noch etwas weinerlicher vorstellt, so mit Singender Säge, Cello und TremoloGitarre, ist man bei "Temporary Cures"(K&F) von KLIFFS. 3
Dem monströs-elektrifizierten HardFolk frönen THE SOMNAMBULIST mit "Hypermnesiac"(Slowing). 3
"Lost" vom Debut der Berliner Norwegerin INGER NORDVIK ist ein relativ großartiger JazzFolkPop-Song, der leicht an die grandiose Bobo erinnert. Anderes auf "Time"(Asta) lässt an Kate Bush denken, bleibt aber stets eigen. 4
KARINE GERMAIX quetscht auf "Incandescence" ihr Akkordeon zu natürlich französisch eingefärbtem PopFolk. Nett, aber mehr nicht. 3
Spannender ist der elektronisch unterfütterte Fado von LINA_RAÜL REFREE auf deren "s/t"-CD(Gliltterbeat). 4
Auch der eklektische ProgRock von LE GRAND SBAM hat was. "Vaisseau Monde"(Dur et Doux) beginnt mit femininer Queen-Hysterie, kippt dann in faserige Schreie und SprechExperimente um nach einem hektisch-synästhetischen ProgOverkill und einigen Esoterik-Einschüben mit freundlichen VishnuChants zu enden: "We know why". 4
Frischer "große Geste"-SinfonikPop mit Folkanteil kommt mit "Ordinary People In An Ordinary World"(Awal) von THE FLAVIANS. Stadion- und Kaschemmen-kompatibel zugleich. 3
Die armenischen Wurzeln der HILA-Macher zu erläutern, dauert zu lange, aber sie schlagen auf "21"(Underdog) durch. Zwischen Orient und 2Step wächst viel wildes Kraut, zwischen L.A. und Jazz auch. 4
Very groovy und sehr smooth ist der FrenchClubPop von KID FRANCESCOLI auf "Lovers"(Yotanka). Die Franko-Brasilianerin Samantha haucht verzückt zu wattewolkenweichen SequenzerBeats – nett. 4
GEORGIA aus London macht ähnliches, nur etwas handfester. "Seeking Thrills"(Domino) in einer blubbernden IndieDisco. 4
Bei KREDA singt Mila Spiler zu "bitter-sweet" leftfieldPop. Auch ohne Laibachs Härte und Doppel/EigenSinnigkeit macht die EP "Crest"(Nature Scene) Lust auf mehr. 4
Musikalisch ist JOHANNES KIRCHBERGs "Testsieger"(dermenschistgut Musik) zwar etwas steril, mit den Bläsersätzen, Streichern und Chören jedoch nicht schlecht. Aber die Texte und der Gesang! Platte, steif dargebotene WeltverbessererLiedchen. 2
Nicht umsonst werden die "Unter meinem Bett"(Oettinger)-Sampler regelmäßig beim Qualitätsversender "Hanseplatte" angeboten. Nr.5 birgt wieder 16 x flotten IndieKinderPop (u.v.a. mit Die Höchste Eisenbahn, Von Wegen Lisbeth und Neufundland). Ein Tip für alle! 4

Rock & Pop
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