QUICKSILVER
Peng! Erstmal schön fett in die Fresse hauen uns GUTS PIE EARSHOT auf "Amparo Fugaz"(Major Label/Broken Silence). Unerklärlich, wie zwei lediglich mit Cello und drumset (und vielleicht noch einem bass-synth) ausgerüstete SystemFeinde so einen druckvollen Lärm erzeugen können. Dabei bleiben sie mit ihrem TechPunk/WorldStep strikt zielorientiert: Bring' die Meute in Bewegung - körperlich und mental (was hier auch ganz ohne Texte bestens funktioniert)! 4Die "Rock'n'Roma"-Aktivisten von KAL gehen für Album Nr. 3 mit einem neuem Label an den Start. Vom wilden GipsyPunk distanziert man sich ein wenig, "Romology"(ARC Music) tendiert zu beinahe klassischen Roma-Tunes mit leichter Elektrifizierung (etwa im schönen Titeltrack, dem Sarah Bedak ihre laszive Stimme lieh). 4
Bleiben wir bei globalen Klängen: In bestens arrangierten Bläsersätzen spielen LA ZIKABILO auf "Todos A La Mesa"(Actimusic/Broken Silence) Sounds aus der kubanischen Heimat des Bandleaders Barbaro Teuntor Garcia, in die sich aber auch gern mal ein BalkanBrass-Groove mischt. 3
Eine kratzige Geige eröffnet "Pilon"(Daptone Rec.) von LOS HACHEROS, einem Quintett aus New Yorks Salsa-Szene. Es bleibt dann 40 Minuten beim (mal schnellen, mal getragenen) Latino-Hüftschwung. 3
Und in gewissem Sinne macht auch VIVIAN VON DER SPREE WeltMusik, denn auf "Zurück in Berlin"(Snowhite Rec.) wird sehr unverkrampft deutscher Pop mit leichten Neigungen zu JazzChanson und Kleinkunstbühne zelebriert. Aber ohne in "Tipi am Kanzleramt"-hafte Bräsigkeit zu verfallen. Fein. 4
MöchtegernHipster lachen sowas natürlich aus. Aber wahrscheinlich können die auch mit dem zurückgenommenen soulfully HouseTech von CLARA MOTOs "Blue Distance"(InFiné/RTD) nichts anfangen. Mal sehr packend und straight, dann wieder down(break)beatig, aber immer mit ambienter Wärme. 3
Fein für gepflegte SwingBeat-Tänzchentees geeignet ist "The Electro Vintage Revolution Vol. 1"(Lola's World Rec./Soulfood). Die 2CD-Compilation wird uns als "The Future Generation Of Swing-, Blues-, Tango-, Boogaloo-, Bossanova-, Cumbia and Eastern Flavours Compiled by Louie Prima aka Johannes Heretsch" verkauft und das sagt beinahe alles. Ob ein LatinoGroove zu "Pata Pata" sein muß, bleibt dennoch offen. 3
Wer's ruhiger und intimer mag, ist bei SOUL BASEMENT genau richtig. "Yesterday, Today, Tomorrow"(Stereo Deluxe/Warner) blickt zurück in die großen Zeiten des 80er-BossaPopJazz von Everything But The Girl. Sängerin Željka Veverec ist so dicht an Tracy Thorn wie eine Zwillingsschwester und auch Fabio Puglisis pianogeprägte Begleitung erinnert stark an Ben Watt. Beides ist ausdrücklich als Lob zu verstehen. 4
F.S.BLUMM betört uns gleich zu Anfang von "Up Up And Away"(Pingipung/Kompakt/A-Musik) mit einer einsam-traurigen Trompetenlinie zu fröhlich klimpernden Klanghölzern. Um seine geliebte Akustikklampfe herum arrangiert er gemeinsam mit seinem illustren Freundeskreis (u.v.a. Ella Blixt, Harald "Sack" Ziegler, Guido Möbius und Jana Plewa) freundlichste Kleinodien aus der Folktronik-Kiste. Herzerweichend! 4
Noch verträumter und weit weniger skurril wird der Schönklang, wenn OTTO A TOTLAND in die schwarz-weißen Tasten greift. Auf "Pinô"(Sonic Pieces) verliert sich die Deaf-Center-Hälfte manchmal aber etwas in den sanften Weiten und gerät in die Nähe des Kitschs. Das aber auf immer noch hohem Level. 3
Auch RYUICHI SAKAMOTO sieht sich gelegentlich dem Vorwurf der wohlklingenden Beliebigkeit ausgesetzt. Auf "Disappearance" (12k) wird der Japaner aber von TAYLOR DEUPREE geerdet und so entstehen 5 lange, elegische Studien zum Verhältnis von verfremdeten Pianotupfen, diversen Schwebungen und dezenten Störgeräuschen. 4
Angepasstheit oder trendiness konnte man JOHN CAGE nie vorwerfen. Die großartige Avantgarde-Pianistin SABINE LIEBNER spielte sein fast endloses "Solo For Piano" im Sinne der "gelenkten Freiheit" (wie das Michael Rebhahn im booklet so treffend nennt) frei und (wohl) doch sehr dicht an Cages Intention. 5
Nicht minder aufregend ist "Antheil The Futurist"(beide Wergo/New Arts Int.). Hier spielt GUY LIVINGSTON (z.T. als Weltersteinspielung) Stücke, die GEORGE ANTHEIL während seines Aufenthalts im Berlin der 20er Jahre schrieb. Zwischen dem beschwingt-sorglosen Aufnehmen klassischer Vorlagen und wilden Clustern liegt hier sehr viel Entdeckenswertes des "Bad Boy of Music". 4
Die aktuelle (nichtakademische) Avantgarde befasst sich weiterhin mit Exerzitien in Sachen "schwebendes Quietschen trifft auf verwischtes Glockenläuten, dazu knackst bedeutungsvoll die Lautsprechermembran". Nachzuhören z.B. auf "Green Heights" von TOSHIMARU NAKAMURA + KEN IKEDA + TOMOYOSHI DATE. Anstrengend spannend. 3
Was auch für EMMANUEL ALLARDs "Nouvelles Upanishads Du Yoga"(beide Baskaru) gilt. Ein bösartiges feedback-Pfeifen stimmt auf eine knappe Stunde wirklich radikaler Musik ein. Unter Aufgabe jeder melodiösen, harmonischen oder rhythmischen Struktur werden hier mit einem analog-digitalen ModularSynth Klangereignisse aneinander gereiht, deren lohnende Erforschung einige Hingabe erfordert. 4
Tiefer im Obskuren kann man auf dem 2CD-Sampler "I Am The Center"(Lights In The Attic/Cargo) graben. "Private Issue New Age Music In America, 1950-1990" heißt das Programm, in dem Großartigkeiten wie Constace Dembys mit Piano und viel Hall illustriertes Soundscape "Om Mani Padme Hum" neben bedenklichen SynthieWaberOrgien und psychedelischen Aussetzern stehen. 3
Der in den 70ern mit einer elektrisch verstärkten Autoharp in den Straßen New Yorks hausierende LARAAJI ist auf vorgenannter Kompilation auch vertreten. Entdeckt von Brian Eno wurde der leicht verstrahlte Kollege eine Art mystische ElektronikLegende, was auf der sehr heterogenen, auf Stücke von DIY-Kassetten wie auch regulären Platten zurückgreifenden 2CD-Werkschau "Celestial Music 1978-2011"(All Saints/RTD) jedoch nur bedingt nachvollziehbar wird."Infinity Is Another Game". 2
Auch CONRAD SCHNITZLER machte es seinen Fans nicht immer leicht. Die tapferen Historiker bei Bureau B re-editierten gerade seine semi-legendären Alben "Silber" (mit beinahe manischer Motorik) und "Gold" (voller handwerklich perfekter, aber sehr abgedrehter Sequenzeretuden) und auch die ASMUS TIETCHENS re-issues gehen mit "In die Nacht" und "Litia" in eine neue, eher entbehrliche Runde (meine Meinung hierzu stand schon in WZ 03/05). 5 x 2
Lieber fahre ich da fast 20 Jahre nach Ersterscheinen nochmal in PYROLATORs "Wunderland"(alle Bureau B/Indigo). Nettes Vogelgeschrei und Weckerklingeln zu Brontologik und legendären Synthies (MS 20, DX 7), die 1984 state of the art waren. Wundervoll verrückt und doch sehr dauerhaft, weil auch heute noch durchweg bestens und mit hohem Genuß konsumabel. Hier inkl. 5 Bonustracks. 5
Und schließlich hat SIMON FISHER TURNER für den Mallorys tragische Everest-Expedition dokumentierenden Film “THE EPIC OF EVEREST (1924)”(Mute/GoodToGo) einen wirklich epochalen Soundtrack geschrieben. In Begleitung von u.a. Cosey Fanni Tutti und Peter Gregson stiegen wir mit dem ehem. "King Of Luxembourg" auf die Himalayagipfel und lauschen dem tosenden elektronischen Wind. 5
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