Leslie Feist ist kein ganz einfacher Fall. Obwohl „Let It Die“ im Prinzip das offizielle Debüt der kanadischen Sängerin ist, ist sie doch bereits schwer vorbelastet. Zum Einen ist besagtes „Let It Die“ genau genommen kein reinrassiges Solo-Album, sondern eine Kollaboration mit dem legendären Gonzales. Und dann hat Leslie – die selber lieber bloß ‘Feist’ heißt – in zig anderen Projekten auch ihre Finger drin.
Als Mitbewohnerin von Kollegin Peaches grummelte sie bereits auf deren erstem Album herum. Sie spielte mit „einer Rockband“ im Vorprogramm von Kanadas Superstars The Tragically Hip, sie schrieb Songs mit Jane Birkin und zuletzt mit den Kings Of Convenience, sie sang mit Gonzales und Mocky und sie ist ein Mitglied der neuen Indie-Über-Band Broken Social Scene. Daß sie überhaupt Zeit fand, eine eigene CD aufzunehmen, ist dabei ja fast schon verwunderlich. Und so entstand dann daß beeindruckend vielseitige Werk auch eher zufällig. „Nun, das war so was wie ein Wettbewerb zwischen zwei guten Freunden“, erzählt Leslie, „Gonzales und ich waren lange zusammen auf Tour und ich hatte meine eigenen Demos gemacht. Was also passierte war, daß wir zur selben Zeit in jeweils dem Anderen etwas sahen, das wir selber nicht besaßen. In seinem Fall war es das Piano-Spiel, daß er in seinen Shows lediglich am Ende als Satzzeichen verwendete. Ich stand am Rande der Bühne und stellte fest, daß er ein durchaus ernsthafter Pianist ist. Das Publikum reagierte mit offenem Mund wie bei einem Kasperle-Theater. Man kann so was ja nicht faken. Ich wollte diesen Aspekt seiner Arbeit verwenden. Er wiederum hörte in meinen Demos die Möglichkeit, hier etwas arrangieren zu können, ohne sein Gesicht auf die Verpackung setzen zu müssen. Denn irgendwo war der Charakter Gonzales zu dem Zeitpunkt größer geworden als seine Musik. Wir ergänzten uns dann ziemlich gut.“ Die Stücke sind vom Arrangement her zwar recht einfallsreich und mit verspielten kleinen Details versehen – aber prinzipiell dennoch simpel und transparent gehalten. Hat Leslie denn einen Folk-Background? „Nun, ich bin ein ‘Folk’ - eine Person“, lacht sie, „ich mag schon Singer-Songwriter und natürlich sind die ersten Akkorde die man lernt, Folk-Akkorde. Ich kann aber nicht sagen, daß ich das studiert habe oder so was. Ich mag es halt. Wenn ein Song als zeitlos bezeichnet wird, dann deshalb, weil er schön ist und irgendwelche anderen Songs da mitschwingen. Das ist es, was die Folk-Musik leistet. Was ich möchte, ist meine Songs so simpel wie möglich zu halten.“ Dazu muß man wissen, daß Feist dabei eine ganz bestimmte Technik anwendet, die sie mit dem Kunstwort „Jahi“ umschreibt. „Ja, das ist ein Wort, das Gonzales und Peaches und ich erfunden haben, weil unser Konzept ansonsten schwer in Worte zu packen ist. Es geht darum, sich zurückzunehmen und die gewünschte Wirkung mit einer bestimmten Atmosphäre, und nicht etwa mit überbordend dramatischem Gesang – etwa mit tränenerstickter Stimme – zu erreichen. Es bedeutet ‘weniger ist mehr’ und bezieht sich auch auf das Songwriting. Du kannst Dir sozusagen Flügel wachsen lassen und Dich und Deine Situation von außen betrachten. Wenn Du dieses tust, siehst Du die Dinge aus eine anderen Perspektive – mit ein wenig Distanz, aber nicht zu viel. Man erkennt so Zusammenhänge besser, als wenn man mitten in der Situation drinsteckt, man kann Farben besser unterscheiden und der Nebel ist nicht so dicht, daß man die Details nicht mehr erkennen kann – wie direkt auf dem Boden. Man sieht, wenn etwas um die Ecke kommt.“ Auch wenn das jetzt beinahe esoterisch klingt: Es macht Sinn! „Let It Die“ ist das Werk zweier faszinierend schillernden Persönlichkeiten und eines der interessantesten Gesangs-Alben der letzten Zeit.Aktuelles Album: Let It Die (Universal Music International)
Weitere Infos: www.listentofeist.com