Die Gebrüder Madsen lüften dieser Tage ihren Rock wieder entspannt beim Hurricane-Festival, nachdem sie im Verlaufe ihrer Karriere genug auf den Putz gehauen haben, bzw. mit dem neuen Werk ´Lichtjahre´ die Grenzen des Tragbaren ausgelotet haben! Am 15.06. erscheint mit ´Lichtjahre´ das siebte Studioalbum von Madsen. Jener Band aus dem Wendland, die sich 2004 nach der Vorgängerband Hoerstuatz um die Gebrüder Johannes (Gitarre), Sebastian (Gesang, Gitarre), Sascha Madsen (Schlagzeug) und Niko Maurer (Bass) formierte. Noch heute haben sie einen Übungsraum im Anbau des elterlichen Madsen-Hauses in Priesseck, einem Ortsteil von Clenze. Während Johannes und Niko noch in der Region wohnen, ist Sebastian in Berlin sesshaft geworden, während Sascha in Wien eine Familie gegründet hat, und dort auf Konzerte geht.
Am 23.06. wird Madsen, unterstützt von Keyboarderin Lisa Nicklisch und dem Gitarristen Martin ´Mücke´ Krüssel (der im Juli 2008 mit seiner Band EL*KE das Westzeit-Cover zierte), abermals auf dem Hurricane-Festival in Scheeßel performen, wo die Formation zuletzt 2015 aufspielte.Sascha: „Damals sind wir ganz kurzfristig für Ben Howard eingesprungen. Donnerstag kam die Nachricht, Freitag spielten wir beim (Schwester-Festival) Southside. Samstag hatte `Mücke´ Geburtstag, da sind wir mit dem Nightliner vorgefahren. Am Sonntag waren wir dann beim Hurricane.“
Sebastian: „Krass. Das Hurricane-Festival ist das Fetteste, was wir haben. Normalerweise bin ich schon einen Monat davor aufgeregt. Diesmal sprangen wir einfach ins kalte Wasser und legten los, ohne viel geprobt haben zu können. Wir hatten nicht den üblichen Stress im Vorfeld.“
Sascha: „Einfach alles in den Sprinter, und hin. Wie früher. Ich hatte keinen richtigen In-Ear-Sound. In der Eile hatten wir vieles vergessen. Aber es war echt geil, weil spontan. Und die Stimmung war gut. Eine gute Rockband muss unter allen Umständen funktionieren!“
Die Frage, wie oft sie nun bereits beim Hurricane-Festival auftraten, können die Jungs jedoch nicht mehr beantworten:
„Sechs Mal.“
„So oft?“
„Ich schätze, es waren eher vier bis fünf Mal...“
Was die Musiker aber genau wissen, ist, dass der Labelinhaber ihrer neuen Plattenfirma ein richtiger Rock- und Madsen-Fan ist.
Sebastian: „Er ist, wie ich, großer Oasis-Fan. Ich war sehr überrascht, dass er nicht nur Metal hört. Es ist ein großes Privileg, das es noch Fans gibt, die Musik herausbringen. Denen es nicht vorrangig um Business, sondern um die Liebe zur Musik geht.“
Über eben diese Plattform kam im Mai Single ´Mein erstes Lied´. Wehmütig erinnert der Song an „die schönste Zeit“ von Sebastian Madsens früher Jugend. Jedoch im Text auch an den größten Hit von Axel Bosse.
Sebastian: „´Aki´ ist ein sehr guter Freund von mir. Anfangs war sein Text mir zu offensiv poppig. Dann habe ich den Song lange nicht gehört. ´Aki´ singt ja sogar auch ´Du warst mein erstes Lied´. Ich habe ihn gleich angerufen, als ich die Ähnlichkeit bemerkte.“
Sascha: „Ha, ha, ha. Hab unbewusst geklaut...“
Sebastian: „Er hat gezuckt, meinte aber, von der Stimmung her wäre mein Lied ´jünger´. Ganz frühe Teeniezeit. Sein Text ist ein Hauch erwachsener. Bei ihm spielt die Trennung inhaltlich auch keine Rolle, bei mir ist sie sehr wichtig.“
Der folgende Track ´Keiner´ behandelt den Drang, immer etwas posten zu müssen. Zitat: „Gestern hab ich ein Gespräch geführt. Es war ganz geil, man hat mir zugehört...“
Sebastian: „Auf manchen Konzerten ist es wirklich furchtbar. Man guckt nicht mehr auf die Bühne, sondern auf Displays. Es ist sehr bedenklich, dass man da nichts dagegen machen kann.“
Im Text kommt eine Stelle, wo „ihr“ etwas esst, aber euer Essen nicht fotografiert...
Sebastian: „´Wir haben den süßen Hauch von Vergänglichkeit gespürt´... Ich wünschte, diese Textzeile wäre von mir geschrieben worden. Sie stammt von Arezu Weitholz. Mit ihr arbeite ich seit acht Jahren zusammen. Immer dann, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Wir quatschen dann immer. Sie textet ebenfalls für Herbert Grönemeyer (sowie für Udo Lindenberg, Adel Tawil und Die Toten Hosen; Anm. d. Verf.).“
Zwischenruf: „Herbert hat angerufen, Sebi. Er fragt, brauchst du Hilfe...“
Sebastian: „Dass sie auch für Herbert schreibt, habe ich später erfahren. Ein Freund von mir kannte sie. Diesmal war unser Thema der große Zwang, dass man sich überall mitteilen muss. Dass Likes zählen, die Beliebtheit... Sehr ungesund.“
Deshalb sind die Lyrics zu ´Keiner´ subjektiv ein Manifest für das Endschleunigen! In ´Wenn es passiert´wird dann gar vor Freude geweint.
Sebastian: „Na ja. Es geht weitestgehend um Angst, und Angstbewältigung auf dem Album. Für einen Opener hat das Stück schon einen recht negativen Touch. Es wird beschrieben, was weh tut und Angst ausmacht. Wie sich alltägliche Dinge anfühlen, wenn man einen schweren Schaden hat. In meinem Fall waren es Panikattacken zum `Kompass´- Album (2015). Ich war übernächtigt, machte, getrieben von Ehrgeiz, Promo. Ich wollte beim ´Kompass´ - Album Sachen, die wir nicht schaffen konnten. Dabei kam die Krise, von der ich nicht wusste, woher sie kam. Ich stand auf der Autobahn im Stau, bekam plötzlich Herzrasen, Schweißausbrüche. Todesangst. Die Zustände kamen wochenlang immer wieder. Ich musste komplett herunterfahren. Ich bekam Lampenfieber, was ich vorher gar nicht kannte. Es kamen Zweifel wie ´Kannst du das wirklich?´, und die Angst vor Textverlust, oder davor, dass das Mikro ausgeht. All das sind so Dinge, die eigentlich ja gar nicht so schlimm sind. Im falschen Moment kommen sie einem dann vor wie ein Genickbruch. Ich habe die Gardinen zugezogen, im Bett gelegen. Gemerkt, ich muss reden. Mit meinen Jungs (von Madsen), mit Musikern. Als ich das Thema in den Griff bekommen habe, habe ich ´Wenn es einfach passiert´ geschrieben. `Vor Freude weinen´- ein Ausdruck, wie es sein sollte. Freude. Wie z.B. früher auf die `Sommerferien´ (= Songtitel der neuen Single; VÖ: 22.06.).
Sascha: „´Sommerferien´ ist richtig ´60er Jahre´. Das ist eine Zeit, die wir musikalisch sehr gern mögen. Wir sind z.B. sehr große Pink Floyd-Fans. Deren `Live At Pompeii´ lieben wir bis heute. Total faszinierend!“
Sebastian: „Gerade gestern haben wir angefangen, den darauf befindlichen Pink Floyd-Song `A Saucerful Of Secrets ´ zu covern. Es ist das epochalste Stück auf `Live At Pompeii´. Fast ohne Text. Irgendwann bricht der Sound dann doch auf, und David Gilmour fängt an zu singen...“
Madsens Version wird jedoch nicht in monumentalen elektronischen Ergüssen münden. Sebastian: „Elektronik? Um Gottes willen, nee. Wir mixen die Stile der Vergangenheit mit unserem Stil. Bei den Synthesizern der 1970er/1980er Jahre fühle ich mich eher zuhause.“
Viele Jugendliche entfernen sich in den Sommerferien von Zuhause, um campen zu fahren. Madsen haben beim Hurricane 2012, Tage vor dem eigentlichen Gig auf der großen Bühne, spontan direkt auf dem Campingplatz gespielt.
Sascha: „Wir haben auf dem Container eines Getränkeherstellers richtig laut aufgedreht. Es war während der Fußball-Europameisterschaft, nachdem ein Deutschland-Spiel geendet hatte. Wir haben dann nach dem Schlusspfiff gegenüber der großen Leinwand begonnen zu spielen. Manche Leute haben es gar nicht richtig mitbekommen. Die dachten, es wäre Disco auf dem Campingplatz, und der DJ spielt besonders viele Lieder von Madsen.“
Madsen-Konzerte können bekanntlich Gebäude zum Einsturz bringen. Angeblich musste im Dezember 2013 der Hamburger Club `Molotow´, bzw. der gesamte Gebäudekomplex, in dessen Keller sich der angesagte Hamburger Club damals befand, evakuiert werden, nachdem Madsen dort performt hatten.
Die beiden Madsen-Brüder lachen. „Glaub nicht alles, was in der mopo (= Hamburger Morgenpost) steht! Unser Konzert war bereits zu Ende. Die wollten den Laden eh dicht machen, haben wahrscheinlich nur auf eine laute Band gewartet. Ein Mythos...“
Den wir aber doch nicht zerstören sollten...
Sebastian: „Du hast recht. Es hat während des Konzertes schon ganz schön gerasselt...“ Sascha: „Ja, genau. In dem Kellerclub fiel beim Konzert schon der Putz von der Decke...“
Aktuelles Album: Lichtjahre (Arising Empire) Vö 15.06.
Weitere Infos: http://www.madsenmusik.de Foto: Dennis Dirksen