Wenn in Berlin zur Fashion Week geblasen wird, dann traben nicht nur die Modemacher in Scharen an, sie laden sich für ihre Catwalk-Shows auch gerne mal angesagte Musiker für den dazugehörigen Soundtrack ein. Auletta durften die großlöchrigen Ideen des Jungdesigners Lennart Wronkowitz untermalen. Wer nicht nur Augen für die Models hatte, sondern auch Ohren für die Musik, dem werden diese geklungen haben. So neu, anders und frisch kommen Auletta daher. ´Pöbelei und Poesie´ hieß das erste Album der Truppe. Die Pöbelei ist nun passé. Die Poesie aber, die hat doldenweise schönste Blüten getrieben. Auf dem aktuellen Album ´Make Love Work´.
Es ist viel passiertSeit 2006, seit sich die inzwischen fünf Mainzer Jungs in Italien als Rucksacktouristen rumtrieben und auch im kleinen süditalienischen Städtchen Auletta Station machten, ist viel passiert. Es gibt beispielsweise die Band „Auletta.“
„Klingt gut und ist uns auch lange nach der Reise immer noch im Gedächtnis geblieben“, lacht Frontmann Alex Zwick, „und zudem ist uns ist nichts Besseres eingefallen.“
2009 überraschten Auletta mit exzellenten Brit-Indie auf ihrem Debüt und ein Jahr später haben sie ihr Bundesland Rheinland-Pfalz beim Bundesvision Song Contest vertreten. Getourt sind sie auch so massiv, dass fast nicht mehr wussten, wie ihre Heimatstadt aussieht. Mehr als 170 Liveauftritte fordern eben ihren Tribut. Danach haben sie die Jungs Zeit genommen, ein neues Album einzuspielen. Ihr zweites Studioalbum ´Make Love Work´. Doch die Arbeit daran ist eine ganz eigene Geschichte.
„Wir haben sofort nach Tourende begonnen ein paar Stücke einzuspielen“, erklärt Alex Zwick, „diese Musik hätte nahtlos ans erste Album angeschlossen. Und doch klang sie blutleer und ganz ohne kreativen Reiz. Das Material haben wir komplett weggeworfen.“
Wie befreit man sich aus dieser Nichtkreativitätsfalle? Es braucht Zeit. Aktuelle Zeit, die ein wenig leer ist. Ganz im Gegensatz zu der voll gestopften Zeit davor.
„Wir mussten einfach innehalten, um die Musik wieder neu zu spüren“, weiß Gitarrist Martin Kloos.
Klang der Zukunft
Auletta haben sich die ganz grundsätzliche Klangfrage gestellt: „Wie wollen wir in Zukunft klingen, wie können das in Zukunft klingen?“, fährt Martin Kloos fort und stellt damit eindeutig klar. Ob ihnen dabei Konrad Adenauers Spruch, ´was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden´ durchs Hirn geisterte, ist nicht verbürgt. Passend wäre er; denn ein so deutlicher Wandel zwischen erster und zweiter Platte ist eher selten. Und im Zeitlassen war auch für Auletta der Schlüssel zur Weisheit verborgen.
„Wir wollten uns durch keinerlei Genregrenzen mehr aufhalten lassen“, fügt Alex Zwick an, „alles, was gefällt, sollte Platz haben. Motown-Soul, Pop, Rock oder was auch immer. Die schönsten Häppchen wollten wir erforschen und für unseren neuen Sound nutzbar machen. Dabei mussten wir natürlich gleich der nächsten Falle entgehen, nämlich beliebig zu klingen. Es durfte genauso wenig gekünstelt oder zu gewollt daherkommen.“
Eine solche Herangehensweise bedingt weitere Änderungen im Prozess des Stückeschreibens. Es wird nicht mehr im Proberaum gejamt.
„Die Grundimpulse kommen auch diesmal von mir. Ich gehe auch weiterhin von meinen Erfahrungen, Erlebnissen und Gedanken aus“, erzählt Alex Zwick, „doch im Gegensatz zu ‚Pöbelei und Poesie’ ist es eher eine Reise nach Innen. Die Texte sind ichbezogen, es ist eine Reise vom der Wir-Sicht der ersten Platte hin zur Ich-Sicht der Welt. Dies habe ich zu Lied-Skizzen verarbeitet. Skizzen heißt für uns, die passenden musikalischen und zentralen Textaussagen waren da, aber es war noch nichts in einen Bandkontext gepackt.“
Der Song ist der Boss
Damit aber noch nicht genug der Veränderungen. Zwei neue Produzenten kreuzen den Weg von Auletta: Olaf Opal und Markus „Ecki“ Schlichtherle. Und die beiden haben ordentlich was auf ihrem Referenzzettel stehen, Unter anderem Sportfreunde Stiller, Reamon, Madsen oder Ich+Ich. Und sie haben die Vision von Auletta gleich so gut verstanden, dass sie die Band, unter Umgehung des Proberaums, mit den Skizzen ins Studio einladen. Auf dem Weg dorthin wurde mit dem Keyboarder Chris Stiller schnell noch ein weiteres Bandmitglied. Ein überaus wichtiges sogar.
„Denn schnell wird klar, das unsere rockhistorische Forschungsarbeit Wünsche geweckt hat, die über unsere instrumentalen Möglichkeiten hinaus gehen und an dem Punkt kann ein Keyboarder viel beitragen“, erklärt Martin Kloos, „aber ansonsten haben wir, wenn es irgend möglich war in echt zugeschlagen, beispielsweise beim Gospelchor.“
Nach dem Prinzip „der Song ist der Boss“ haben Auletta alles aufgewandt, um diesem Anspruch zu genügen. „Wichtig war im Studio immer, dass wir nach dem Hier und jetzt klingen“, sagt Alex Zwick, „auch dann, wenn wir mit dem historischen Blick zurückgeschaut haben.“
Die Produzenten sind dabei fast zu Bandmitgliedern geworden und haben so auch dazu beigetragen, dass zwar jeder Ton arbeiten muss, aber er dafür jeden Raum bekommt, den er dazu braucht. Wenn schon musikalisch alle Grenzen gesprengt werden, dann sollte das auch textlich so sein. Da wird munter zwischen englischen und deutschen Textsplittern gependelt.
„Auch das war kein Plan, das hat sich beim Schreiben einfach so ergeben. Es wurde die Sprache gewählt, die für die jeweilige Aussage die stärkere ist“, stellt Alex Zwick rückblickend fest.
So ist mit der Zeit eine Platte entstanden, die neu und frisch klingt. Die zwischen Ballade und Hip Hop-Groove problemlos changiert. Auletta haben ihre Lieder auf ein neues Level gehoben. Auf eins, wo es noch keine Schränke mit Schubladen gibt, in die diese Art Musik einsortiert werden könnte. Groß muss sie jedenfalls sein, so groß, dass die opulenten und epischen Liedern darin Platz finden.
Aktuelles Album: Make Love Work (Virgin/EMI Music)
Foto: Nina Stiller