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BERRY

Zerbrechliche Fräuleins

BERRY

Hierzulande denkt man beim Begriff ‘französisches Chanson’ zunächst immer noch an die großen des Genres – Piaf, Gainsbourg, Bécaud usw. Dabei hat sich in unserem Nachbarland schon seit einiger Zeit eine höchst lebendige, eigenständige Szene entwickelt, die an die gewohnte Kaffeehaus-Atmosphäre nur noch bedingt erinnert. Berry, einer der neuesten Etoiles am französischen Musikhimmel ist zum Beispiel so ein Fall. Die junge Dame, die in Frankreich bereits Goldstatus erreicht hat stellt sich hier mit einem Werk vor, das – mal abgesehen davon, dass sie französisch singt – gar nicht spezifisch französisch klingt. Ein Akkordeon zum Beispiel, sucht man vergebens. Statt dessen gibt es leichtfüßige, moderne Pop-Musik mit Folk-Einschlag und humorvolle, poetische Texte.

„Also als ich jung war, habe ich sehr gerne Serge Gainsbourg gehört“, erzählt Berry, „dabei habe ich dann entdeckt, dass man Pop und Poesie sehr gut verbinden kann. Ich mag auch andere Chansons, aber er hat das Ganze – den Klang der Worte und den Klang der Musik – perfektioniert.“

Ja, aber warum klingt ihre eigene Musik denn so gar nicht französisch?

„Weil ich keine Ahnung vom Songwriting hatte, als ich begann. Wir haben zunächst nur so vor uns hin experimentiert und hatten gar nicht geplant, eine Scheibe aufzunehmen. Wir haben das nur zum Spaß gemacht und konnten dann gar nicht mehr aufhören. Dabei ging es nie darum, Pop oder Jazz oder Folk zu machen. Wann immer uns etwas gefallen hat, dann war das OK.“

Das "Wir" meint hierbei ihr beiden musikalischen Partner, den Jazzer Manou und den Gitarristen Lionel Dudognon, der auch ihre Tour-Band leitet. Die Musik stammt hierbei von den Musikern, während Berry die Texte beisteuerte. Hat sie denn keine Lust, auch selbst Musik zu schreiben?

„Doch schon, aber ich ziehe das, was sie machen, meinen eigenen Ideen vor”, führt Berry sympathisch bescheiden aus “ich spiele selbst ja nur ein wenig Piano und Gitarre. Aber es ist nicht so, dass sie alles alleine machen. Ich kämpfe regelrecht mit ihnen, um jeweils das Beste aus einem Stück herauszuholen.”

Und sie lässt sich auch gerne von Profis unterstützten. Die phantasievollen Streicherarrangements schrieb zum Beispiel Eumir Deodato, der für seine Arbeit mit Björk bekannt ist. Das Ganze wurde dann live im Studio eingespielt, so dass die Sache organisch wie aus einem Guss klingt. Ach ja: Berry ist natürlich nur ein Künstlername. Eigentlich heißt Berry Elise Pottier. Sie stammt aber aus einer Gegend namens Berry – und aus dieser Gegend stammte auch ihr Idol, die Schriftstellerin George Sand, die nicht nur mit einem Männernamen und einer Affäre mit Chopin von sich reden machte, sondern die auch als eine der ersten Frauenrechtlerinnen überhaupt gilt. Insofern ist es dann auch nicht verwunderlich, dass der Titelsong des Albums selbstbewusst allen Fräuleins gewidmet ist.

“Vermutlich geht es in dem Song um alle Frauen in meinem Alter”, überlegt Berry, “aber vielleicht um mich an erster Stelle.”

Das ist aber weiter kein Problem, denn zwischen den Zeilen der poetischen Songtexte kann sich im Prinzip jeder ansatzweise wieder finden.

„Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind mir am Wichtigsten“, bringt es Berry auf den Punkt, “denn ich möchte einen Teil meiner Persönlichkeit präsentieren. Und das sollte dann schon ehrlich sein. Ich liebe auch die Zerbrechlichkeit des Lebens. Es ist ja nicht alles perfekt. Darüber möchte ich sprechen.”

Beziehungsweise singen …

Aktuelles Album: Mademoiselle (Universal) VÖ: 11.09.



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