Peter Broderick ist Musiker mit Leib und Seele. Mit sagenhaften 20 Solowerken in gerade einmal 13 Jahren inspirierte und begeisterte er genauso wie an der Seite von Efterklang und Nils Frahm oder als Kurator des letzten, posthum veröffentlichten Albums des seelenverwandten Alleskönners Arthur Russell. Mit seinem neuen Album ´Blackberry´ kehrt der 33-jährige Amerikaner nun nicht nur zum Gesang zurück, sondern bewegt sich mit oft wunderbar poetischem, manchmal auch herrlich schrullig verspieltem Bedroom-Folk-Pop im Spannungsfeld von Naturbewusstsein und den Tücken der modernen Welt, getreu der ersten Zeile des LP-Eröffnungssongs ´Stop And Listen´: „You can only be as happy as the world that you live in“.
´Blackberry´ – zu Deutsch: Brombeere – hat Peter Broderick sein neues Album genannt, eine Metapher für die Unverwüstlichkeit der Natur genauso wie ein Hinweis für sein neu erwachtes Interesse an essbaren Wildpflanzen und der Natur im Allgemeinen. Seine Kindheit verbrachte er zwar im ländlichen Oregon, von einer Rückkehr zur Natur möchte er trotzdem nur bedingt sprechen.„Ich würde gerne sagen, dass das in meiner Kindheit verwurzelt ist, aber meine Generation war viel mehr an Videospielen und anderem technischen Kram interessiert“, sagt er, als wir ihn in seiner Wahlheimat Irland erwischen. „In einem der Songs spiele ich darauf an, wenn ich für mich die Analogie der ´perfekt getrimmten Hecke´ verwende. Ich war lieber drinnen, als mich draußen schmutzig zu machen. Erst vor fünf, sechs Jahren hatte ich ein – ich weiß nicht, wie ich es nennen soll, ohne dass es seltsam klingt –, ich hatte ein Erweckungserlebnis. Seitdem zieht es mich viel mehr nach draußen und ich fing plötzlich an, mich dafür zu interessieren, welche Pflanzen in meinem kleinen Garten wachsen, nachdem ich sie zuvor einfach als große grüne Wand wahrgenommen hatte. Das macht sich auch in den neuen Liedern bemerkbar.“
Gleichzeitig sinniert Broderick auf ´Blackberry´ aber auch über das Thema Familie und Bindungen – auch das ein Spiegelbild seiner eigenen Erfahrungen der letzten Zeit.
„Die wichtigste Neuerung der vergangenen Jahre ist sicherlich, dass ich jetzt verheiratet bin und meine Frau hat ein Kind, dessen Stiefvater ich nun bin“, erklärt er. „In der letzten Zeit habe ich mich deshalb viel damit auseinandergesetzt, was es bedeutet, in einer langfristigen Beziehung zu sein und ein Kind großzuziehen und auch das hat meine Kreativität auf vielerlei Weise beeinflusst.“ Ganz besonders deutlich wird das bei ´What´s Wrong With A Straight Up Love Song´, mit dem er den gemeinsamen Weg mit seiner Ehefrau, US-Singer/Songwriterin Brigid Mae Power humorvoll nachzeichnet.
Broderick selbst stammt aus einer sehr musikalischen Familie. Seine Eltern gaben ihre Begeisterung für Musik schon früh an ihre drei Kinder weiter. Während seine Schwester Heather als Solistin und an der Seite von Sharon Van Etten und vielen anderen Hochkarätern in der Indiewelt ebenfalls keine Unbekannte ist, war es Peters älterer Bruder, der ihn dazu inspirierte, es nicht allein beim Erlernen der Geige – seinem ersten Instrument – zu belassen. Inzwischen ist Broderick praktisch sein eigenes Taschenorchester und ´Blackberry´ ist nicht seine erste LP, auf der er alle Instrumente allein einspielte.
„Mein älterer Bruder verdient mit der Musik nicht seinen Lebensunterhalt, aber er spielte in seinen jungen Jahren in Bands, und weil auch meine Eltern Musik gemacht haben, gab es bei uns zu Hause alle möglichen Instrumente. An einem gewissen Punkt packte mich einfach die Neugier, gleichzeitig war ich schon sehr früh von Musikern beeinflusst, die eine ganze Reihe Instrumente beherrschten, wie etwa Elliott Smith, der auf seinen Platten oft alle Instrumente selbst spielte. Als ich den Film ´Die fabelhafte Welt der Amélie´ sah, begeisterte mich die Musik von Yann Tiersen, der Violine, Akkordeon, Piano und alles mögliche andere spielte.“
Doch auch wenn Broderick Kollaboration als wichtigen Impuls für die Erweiterung seiner Musikalität bezeichnet: Sein aktuelles Werk ist ein echter Alleingang.
„Ich hatte nun schon seit einigen Jahren die Idee im Kopf, eine Gesangsplatte zu machen, die sich in Richtung Folk und Pop bewegt“, erklärt er. „Wenn man die Filmscores, die ich in letzter Zeit gemacht habe, außen vor lässt, war mein letztes Album viel abstrakter als meine neue Platte. Die Musik war viel stärker um das Klavier herum aufgebaut, sehr atmosphärisch und teils sogar von John Cage beeinflusst.“
Für ´Blackberry´ schwebte ihm deshalb eine komplette Kehrtwendung vor, eine Platte, die betont songorientiert sein sollte und komplett in seinem eigenen Schlafzimmer entstand. Das Resultat ist eine LP, der man die Freude, die Broderick bei der Arbeit hatte, praktisch bei jedem einzelnen Ton anhören kann.
Gleichzeitig entschied sich Broderick dazu, die Arrangements der neuen Lieder von einigen orchestralen Ausreißern abgesehen möglichst schlicht zu halten – auch wenn er sich als Multiinstrumentalist natürlich problemlos eine viel üppigere Instrumentierung hätte zaubern können. Schwergefallen ist es ihm allerdings nicht, sich in Zurückhaltung zu üben.
„Für gewöhnlich entstehen meine Lieder Schicht für Schicht“, verrät er. „Erst habe ich einen Gitarrenpart und nehme ihn auf, dann überlege ich mir eine Gesangsmelodie und füge sie hinzu und so weiter. Die neuen Lieder dagegen entstanden auf sehr folkige Weise. Ich sang zur Gitarre oder ich sang zur Geige, und die Songs fühlten sich schon mit nur diesem einen Instrument und der Stimme vollendet an.“
Gleichzeitig liegt der Schwerpunkt dieses Mal viel mehr auf der Stimme, denn oft werden in den Liedern Geschichten erzählt, oder wie er es selbst ausdrückt:
„Alles, was ich anschließend noch hinzugefügt habe, war nur Dekoration, nur noch ein paar Lichter mehr am Baum.“
Auch wenn ihm gerade das Ausstaffieren viel Freude bereitet, weiß er natürlich auch, dass es nicht immer leicht ist, den Punkt zu finden, an dem man besser aufhören sollte.
„Ich versuche, mir darüber nicht zu sehr den Kopf zu zerbrechen“, sagt er bestimmt. „In der Regel folge ich einfach meiner Intuition.“
Aktuelles Album: ´Blackberry´(Erased Tapes / Indigo)
Weitere Infos: www.peterbroderick.net Foto: Aoife Light