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RUEN BROTHERS

„Eine Reise, die wir uns nie hätten ausmalen können“

RUEN BROTHERS

Musikalisch waren Henry und Rupert Stansall alias Ruen Brothers schon immer mehr in den USA als in Großbritannien verwurzelt, und inzwischen leben die ursprünglich aus der kleinen nordenglischen Industriestadt Scunthorpe stammenden Brüder auch auf der anderen Seite des Atlantiks. Auf seinem komplett zu zweit eingespielten neuen Album ´Ten Paces´ ließ sich das Duo von Film Noir und Neo-Western genauso inspirieren wie von den Country- und Pop-Croonern der 50er- und 60er-Jahre, ohne allein ein Abziehbild seiner Idole sein zu wollen.

„In unserer Kindheit haben wir uns durch die Plattensammlung unseres Vaters gehört“, verrät Henry im WESTZEIT-Interview die ungewöhnlichen musikalischen Inspirationsquellen der Brüder. „Ich denke nicht, dass das so ungewöhnlich ist. Viele Menschen sind musikalisch ja von ihrer Umgebung oder von ihren Eltern beeinflusst, durch das, was früher bei ihnen zu Hause lief. Für uns waren das immer The Rolling Stones, The Everly Brothers, Roy Orbison, Chuck Berry oder Johnny Cash. Das lief bei uns rauf und runter, und natürlich hat es einen Unterschied gemacht, dass wir das gehört haben, während es für die anderen Kids Spice Girls oder Eminem waren. Wir mögen all das auch, aber in gewisser Weise waren wir unserem Alter voraus."

So mancher konnte die heute in Louisville, Kentucky, heimischen Ruen Brothers für echte Newcomer halten, doch nicht nur, dass ´Ten Paces´ bereits das dritte Album der Brüder ist, vor ziemlich genau zehn Jahren durften Henry und Rupert schon mal am großen Erfolg schnuppern – auch wenn sich der kurzfristige Hype trotz großer Open-air-Gastspiele beim Berlin Festival oder Rock am Ring und Rock im Park letztlich genauso schnell verflüchtigte wie ihr damaliger Majorlabel-Deal. Doch auch wenn aus dem kometenhaften Aufstieg mit Anfang 20 nichts wurde: Für ihr von Rick Rubin produziertes Debütalbum ´All My Shades Of Blue´, das mit Verspätung 2018 erschien, und den mitten in der Pandemie veröffentlichten Nachfolger ´Ultramodern´ haben die Ruen Brothers trotzdem viel Lob eingeheimst, nicht zuletzt, weil sie sich klanglich beständig entwickelt haben.

Stand bei ihrem Erstling im Mittelpunkt, dem Sound ihrer Idole nahezukommen, wurde ´Ultramodern´ seinem Namen auch klanglich gerecht, bevor die Band sich für ´Ten Paces´ nun spürbar neue Ziele gesetzt hat und einen eher filmisch inspirierten Ansatz verfolgt.

„Filme waren schon immer ein wesentlicher Einfluss in unserem kreativen Prozess“, erklärt Rupert. „Schon unser erster Song, ´Aces´, der damals von der BBC aufgeschnappt wurde und wenige Monate später zu unserem ersten Plattenvertrag führte, hatte ein Video, das aus vielen alten Filmschnipseln bestand. Während der Pandemie hatten wir dann so eine Phase, in der wir viele alte Filmklassiker geschaut haben. Die größte Inspiration dabei war sicherlich ´Die Nacht des Jägers´. Wir hatten den Film schon zuvor gesehen, aber dieses Mal sagten wir uns: ‚Wie wäre es, wenn wir etwas davon für unsere eigene visuelle Ästhetik übernehmen würden? Vielleicht würde das sogar zu neuen musikalischen Ideen führen!‘"

Spuren hat auch Marty Robbins‘ Country-Klassiker ´Gunfighter Ballads And Trail Songs´ hinterlassen.

„Wir hörten, dass er die ganze Platte in nur acht Stunden aufgenommen hat – und was für ein wunderbares Album ist dabei herausgekommen“, sagt Rupert. „Schnell war uns auch klar, dass das gar nicht so weit entfernt war von den Roy-Orbison- und Everly-Brothers-Coverversionen, die wir früher gespielt haben, mit dem Unterschied, dass die Marty-Robbins-Sachen zeitlich noch einen Schritt weiter zurückgingen. Diese Einflüsse begleiten uns letztlich seit unserer Kindheit, aber wir wollten sie dieses Mal stärker in den Mittelpunkt rücken und betonen."

Auch wenn die ersten Reaktionen auf ´Ten Paces´ durchweg positiv waren, sind die Erwartungen, die das Duo – vielleicht auch im Lichte der Enttäuschungen der Vergangenheit und unter dem Eindruck des COVID-19-Stillstandes – mit dem neuen Album verbindet, sympathisch bescheiden.

„Wenn uns diese Platte dabei hilft, weiter jeden Tag Musik machen zu können, dann haben wir unser Ziel bereits erreicht“, sagt Henry. „Der Traum ist, dass es sich künstlerisch als Sprungbrett für unser nächstes Album entpuppt, mit dem wir weiter wachsen können, weil es uns wie schon ´Ten Paces´ auf eine Reise mitnimmt – eine Reise, die wir uns selbst nie hätten ausmalen können."

Aktuelles Album: Ten Paces (Yep Roc/Cargo) VÖ 02.06.


Weitere Infos: www.ruenbrothers.com


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