„L.A. Shit“ ist das zweite Album der in L.A. lebenden Songwriterin und reisenden Krankenschwester Grace Jackson. Dass sie für dieses Album das Alter Ego GracieHorse bemühen musste, hat einen interessanten Hintergrund, denn anders als das schlicht „Gracie“ betitelte Debüt, handelt es sich bei „L.A. Shit“ nicht um ein weiteres Indie-Pop-Album sondern um eine ziemlich perfekt inszenierte Alt-Country-Scheibe. Tatsächlich ist das auch für die Musikerin Grace Jackson neu, denn bislang war die ursprünglich aus Massachusetts stammende Künstlerin eher in Sachen Rock unterwegs – beispielsweise als Mitglied der bis 2016 aktiven Bostoner Fuzz-Rock-Band Fat Creeps. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Los Angeles ja nicht gerade als Zentrum der Country Musik bekannt ist, wäre es doch mal interessant zu erfahren, was Grace Jackson „geritten“ haben mochte, ein ganzes Album über die Stadt der Engel in einem Country- oder fairerweise besser Americana-Setting zu fabrizieren.
Was war dann das auslösende Moment, das Grace zu der Entscheidung gebracht hatte, das für sie neue Terrain zu beackern. Hat die Pandemie damit zu tun?„Nein nicht direkt“, zögert sie. Es gab da aber eine Sache, die die Entscheidung beeinflusst hat. Ich bin ja eine reisende Krankenschwester. Das bedeutet, dass ich für eine Firma arbeite, die mich an Orte schickt, an denen man gerade Krankenschwestern braucht. Ich war damals beruflich gerade in Wyoming, wo die Gegend ja ländlicher ist und man auch mehr Country-Musik hört. Die Musik-Szene in der ich zuvor arbeitete, erlaubt ja mehr Freiheiten und gestattet es auch, dass man mal experimentieren möchte – und da kam ich dann auf die Idee es mal mit dem Country-Stil zu versuchen."
Und was hat es mit dem L.A. Scheiß auf sich?
„Als ich hier ankam, hat es mir überhaupt nicht gefallen“, meint Grace, „ich fing dann an, an die Zeit zurückzudenken, in der ich in Wyoming in der Mitte vom Nichts gelebt und gearbeitet hatte. Da war alles so schön ruhig und ich konnte meine Country-Musik hören – da war ich richtig glücklich. An diese Zeiten zurückzudenken, halfen mir, zu mir selbst zu finden. Die Songs, die ich daraufhin schrieb, habe ich aber erst mal beiseite gelegt. Als die Pandemie dann ungefähr ein Jahr angedauert hatte, habe ich bei meiner Arbeit meinen Nacken verletzt und konnte erst mal für ein paar Monate nicht mehr weiterarbeiten. Während dieser Zeit, begann ich dann, weiter an den Songs zu arbeiten, diese zu verdichten, neue zu schreiben und meine Gedanken zu sortieren. Ich habe dann schließlich das ganze Album aufgenommen – und habe mich dann allmählich auch wieder besser gefühlt."
Dann geht es bei den neuen Songs sicherlich auch um Selbstermächtigung, oder?
„Ja, schon“, meint Grace, „das war nicht beabsichtigt und bewusst habe ich das auch nicht angestrebt, aber so, wie die Songs jetzt klingen scheint es genau das gewesen zu sein, wonach ich suchte, als ich sie schrieb – auch wenn mir das damals nicht bewusst war. Ich hoffe nun, dass das dann auch anderen Menschen hilft, wenn sie das hören und ich so meine Botschaft vermitteln kann."
Hat das Ganze dann auch einen therapeutischen Effekt für Grace?
„Ja, ich denke schon“, räumt sie ein, „die Sache ist nämlich die, dass ich die meiste Zeit Schwierigkeiten habe zu kommunizieren. Darin bin ich ganz schrecklich. Musik ist die einzige Art, über die ich mich wirklich mitteilen und vermitteln kann, wie ich mich fühle. Das hilft mir dann also schon in therapeutischer Hinsicht."
Wenn man sich die Songs von „L.A. Shit“ und die leicht ruppige Produktion anhört, dann stellt sich nämlich die Frage, ob Gracie und ihre Musiker, das alles mit ernster Miene eingespielt haben – oder vielleicht mit einem Augenzwinkern?
„Sicherlich“, lacht Gracie, „ich meine nämlich, dass Country Musik auch sehr amüsant sein darf. Es sollte also manchmal mit einem Augenzwinkern gearbeitet werden. Ich wollte auch nicht so düster und brüterisch wie auf meinem letzten Album rüberkommen. Das neue Album ist im Vergleich schon etwas leichtfüßiger und macht auch mehr Spaß. Richtig gute Country Künstler schaffen es, einen wahren und aufrichtigen Song zugleich auch amüsant und unbeschwert klingen zu lassen."
Wie geht es denn weiter für Grace Jackson. Wird sie am Country-Thema dranbleiben?
„Ich schreibe schon an einem Album in einer ähnlichen Art wie 'L.A. Shit'“, verrät Grace, „und ich bin jetzt schon gespannt, wo mich das hinführen wird. Es ist halt ein cooles Medium. Das nächste Album wird aber vermutlich nicht wie dieses klingen. Es wird anders klingen, weil es das ist, was ich gerne mache. Ich mag es, Dinge zu erforschen und verschiedene Stile und Arten von Musik auszuprobieren, denn ich möchte die Leute auf Trab halten. Es ist nicht besonders spannend, immer wieder das selbe Album zu veröffentlichen. Ich will mich ja auch selbst unterhalten.“
Aktuelles Album: L.A. Shit (Wharf Cat Records / Cargo)
Weitere Infos: https://gracie3.bandcamp.com/music Foto: Giraffe Sudios